Abwrackwerften bei Alang

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Koordinaten: 21° 24′ 14″ N, 72° 11′ 16″ O
Karte: Indien
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Abwrackwerften bei Alang
Die ehemalige Norway, früher France, als Blue Lady vor dem Abwracken in Alang
Luftbild
Abwrackprozess

Die Abwrackwerften bei Alang liegen am Strand der Stadt Alang im indischen Bundesstaat Gujarat am Golf von Khambhat. Die Betriebe führen die Abwrackung von Seeschiffen durch.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verschrottung alter Schiffe begann in Alang am 13. Februar 1983 mit dem Stranden des 1956 bei der Deutschen Werft gebauten Stückgutfrachters Kota Tanjong bei der Abwrackwerft Alang-Sosiya Shipbreaking.[1]

Nach Angaben von Umweltorganisationen werden weltweit pro Jahr etwa 700 größere Schiffe außer Dienst gestellt. Die Werften in Alang zerlegten zeitweise ungefähr 40 % dieser ausgemusterten Schiffe. Im Jahr 1997 zerlegten 35.000 Arbeiter 348 Schiffe, sie benötigten für ein Wrack etwa zwei Monate. Der rund 10 km lange Abschnitt am Strand war an 184 Unternehmen verpachtet.[2] Zeitweise waren in den Abwrackwerften bei Alang rund 60.000 Menschen beschäftigt.[3][4] Im Zeitraum von Anfang 1983 bis Anfang 2008 wurden offiziellen Angaben zufolge 4539 Schiffe verschrottet.

Im Jahr 2013 sank die Zahl der in Alang verschrotteten Schiffe auf 275. Dies war die niedrigste Anzahl seit sechs Jahren. Als Grund wurden niedrige Stahlpreise durch den Export von Stahl aus China genannt. Dies führte dazu, dass im Jahr 2014 von 100 Abwrackplätzen in Alang etwa 50 geschlossen wurden.[3] Aber auch neue Vorschriften zur Verschrottung von Schiffen, die in der EU-Schiffsrecycling-Verordnung festgelegt sind und Ende 2014 in Kraft traten, setzten den Abwrackwerften zu.[4]

Neben verschiedenen Frachtschiffen werden in Alang auch Kreuzfahrtschiffe verschrottet. Betrug die Anzahl zuvor ein bis zwei Schiffe im Jahr, so wurden während der COVID-19-Pandemie bis Juli 2022 15 Kreuzfahrtschiffe mit einer Vermessung von insgesamt 545.700 BRZ in Alang abgewrackt.[5][6][7]

Unsichere Arbeitsbedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Großschiffe wie Supertanker, Massengutfrachter, Fähr- und Containerschiffe werden bei Flut mit eigener Maschinenkraft auf den Strand gesetzt. Beim Einsetzen der Ebbe beginnen zahlreiche Arbeiter und Handwerker, die Schiffe zu zerlegen.

Die Abbruchstätte in Alang hat Kontroversen über Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten und auch über Umweltschäden ausgelöst. Eines der großen Probleme ist, dass sich trotz vieler schwerer Arbeitsunfälle das nächstgelegene, voll ausgestattete Krankenhaus im fünfzig Kilometer entfernten Bhavnagar befindet. In Alang selber besteht nur ein kleines Krankenhaus des Roten Kreuzes, das Unfallopfer nur äußerst eingeschränkt behandeln kann.

Nach einem Bericht von 1998 sei ein Toter pro Tag nicht ungewöhnlich. Es wurde damals auch berichtet, dass die Leichen am Strand verbrannt würden.[2]

Umweltprobleme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als die Verschrottung alter Schiffe begann, besaß Alang noch eine weitgehend unberührte und saubere Meeresküste. Heute sind der Strand und das angrenzende Hinterland schwerwiegend mit Asbest, Schwermetallen, Ölen und anderen Stoffen kontaminiert.

Im Januar 2006 verbot der Supreme Court of India dem französischen Flugzeugträger Clemenceau den Zugang zu den indischen Hoheitsgewässern, wo er hätte verschrottet werden sollen. Der Träger wurde schließlich in Großbritannien abgebrochen.

2009 erregte der Fall der Platinum II, vormals Independence, aufgrund der enthaltenen PCB-Materialien international Unwillen.[8]

Verschrottete Schiffe (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schiffe, die in Alang verschrottet wurden – in Klammern die Jahreszahl ihrer Verschrottung:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Judit Kanthak, Andreas Bernstorff, with inputs from Nitiyanand Jayaraman: Ships for Scrap – Steel and Toxic Wastes for Asia – The health and environmental hazards in recipient states – A fact finding mission to the Indian shipbreaking yards in Alang and Bombay. Greenpeace, Hamburg, März 1999
  • Helge Janßen beschreibt in seinem Roman „Grundberührung“, erschienen im Mohland-Verlag, ISBN 978-3-86675-151-4, die Schleppfahrt eines Supertankers nach Alang in Indien und den Vorgang des „auf-den-Strand-Setzens“. Er geht dabei auch auf die schlimmen Arbeitsbedingungen der Schrottbrenner ein.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Abwrackwerften bei Alang – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tony George Puthucherril: From Shipbreaking to Sustainable Ship Recycling: Evolution of a Legal Regime. Brill, Leiden 2010, S. 31.
  2. a b Alexandra Rigos: Ein Toter pro Tag. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1998 (online).
  3. a b Das Ende der Schiffsfriedhöfe: Hoher Preis für Mensch und Umwelt. ORF-News, 6. August 2015, abgerufen am 22. November 2021.
  4. a b Krishna N. Das, Keith Wallis: Is it end of the line for South Asia’s ship graveyards? (Memento vom 6. August 2015 im Internet Archive) Reuters, 16. Juli 2015.
  5. Cruise Covid cull tops 1.5m gt mark as another veteran hits the beach in Turkey. 15. Juli 2022, abgerufen am 15. Juli 2022 (englisch).
  6. Record Number of Cruise Ships Scrapped at Alang in the Past 12 Months. 11. November 2021, abgerufen am 20. Januar 2022 (englisch).
  7. Frank Gonzales: Fourteen cruise ships to be scrapped in Alang. The next could be Carnival Fascination. Cruises-Info, 13. November 2021, abgerufen am 22. November 2021 (englisch).
  8. Hilmar König: »Giftpott« ankert vor Alang. Größter Schiffsfriedhof der Welt in Indien ist wieder in den Schlagzeilen. In: Neues Deutschland, 20. Oktober 2009.