Adam Scharrer

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Adam Scharrer, DDR-Briefmarke 1989

Adam Scharrer (* 13. Juli 1889 in Kleinschwarzenlohe (Mittelfranken) heute Gemeinde Wendelstein; † 2. März 1948 in Schwerin) war ein deutscher Schriftsteller.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geburtshaus in Kleinschwarzenlohe (2007)

Die Familie Scharrer zog etwa 1893 nach Speikern, heute ein Teil von Neunkirchen am Sand, wo sein Vater eine Stelle als Gemeindehirte bekam. Ein Jahr später starb Adam Scharrers Mutter, worauf der Vater ihre Schwester ehelichte.

Adam Scharrer besuchte ab 1895 die Volksschule in Ottensoos; nebenbei musste er die Gänse hüten. Anschließend absolvierte er eine Schlosserlehre in Lauf und war nach eigenen Aussagen bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr als Schlosser in vielen Städten Deutschlands tätig, u. a. in Nürnberg, Pirmasens, Stettin, Braunschweig, Hamburg, Dessau, Wandsbek und Kiel. Auch nach Österreich, in die Schweiz und nach Italien kam der Arbeitssuchende. 1915 heiratete er Sophie Dorothea Berlin, die 1923 starb, in dieser Ehe wurde 1908 sein Sohn Rodolf und 1918 seine Tochter Anneliese geboren. Er versuchte, dem inzwischen entfachten Ersten Weltkrieg zu entgehen, wurde dann aber im Januar 1916 als Artillerist an die russische Front entsandt. Inzwischen hatte er Kontakt zu revolutionären Kriegsgegnern aufgenommen, enttäuscht war er von der sozialdemokratischen Zustimmung zu den Kriegskrediten, was für ihn einen Verrat an der internationalen Arbeiterbewegung bedeutete.

Zwischendurch fand er als Rüstungsarbeiter in Essen, danach in Berlin Arbeit.

Gemäß seiner politischen Haltung trat er gegen Ende des Krieges dem „Spartakusbund“ bei, einer linken Abspaltung der SPD unter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, nahm am Streik der Munitionsarbeiter in Berlin teil, und ging 1920 schließlich dort zur KAPD, in der er eine starke Position einnahm. Wie viele andere Menschen lernte Scharrer in den Krisenjahren der Weimarer Republik mit Arbeitslosigkeit und wechselnden Tätigkeiten umzugehen. 1924 heiratete Scharrer Johanna Heinzelmann, die Ehe währte sechs Jahre. Seine erste, anonym veröffentlichte Erzählung Weintrauben[1] führte 1925 zu einem Prozess wegen „literarischen Hochverrats“. Er lebte ab 1931 mit Charlotte Buss (1907–1966) seiner Lebensgefährtin und Sekretärin zusammen[2].

Sein politisches Engagement führte nach dem 30. Januar 1933 dazu, dass die Nationalsozialisten ihn steckbrieflich suchten, er musste zunächst in Berlin untertauchen und noch im selben Jahr in die Tschechoslowakei emigrieren. Ein Jahr später kam er auf Einladung des Schriftstellerverbandes der UdSSR in die Sowjetunion, kurze Zeit hielt er sich in der Ukraine auf, kehrte aber bald in die Nähe Moskaus zurück, wo er in einer Autorenkolonie lebte. Unter anderem lernte er in dieser Zeit den bayrischen Schriftsteller Oskar Maria Graf kennen. 1945, nach dem Ende des Krieges zog Scharrer nach Schwerin in die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands, hier wurde er Redakteur der „Schweriner Landeszeitung“ ohne einer Partei beizutreten. Arbeitete dann vorübergehend als Dezernent in der Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern und gründete ferner mit anderen zusammen den Kulturbund, dessen Leiter der Literatursektion er schließlich wurde.

Scharrer starb 1948 an den Folgen eines Herzanfalls in Schwerin. Auslöser war ein Streit auf einer Kulturbundveranstaltung. Im Rahmen einer Literaturdebatte ging es unter anderem um den Umgang mit der NS-Vergangenheit (Quelle: „Der KZ-Zug von Sülstorf“, Hrsg.: Verein Politische Memoriale Mecklenburg-Vorpommern e.V.)

Position als Schriftsteller[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grabstelle Adam Scharrer, Alter Friedhof Schwerin

Viele realistische Werke, die zumeist autobiographisch und volkstümlich aus der Sicht der unteren Gesellschaftsklassen geschrieben sind, wurden in der ein Jahr später gegründeten DDR veröffentlicht (erste vollständige Ausgabe durch den Aufbau-Verlag in Ostberlin). Scharrer gilt als einer der ersten „Arbeiterschriftsteller“ in Deutschland. So wird sein Werk „Vaterlandslose Gesellen“ als proletarische Antwort auf Remarques „Im Westen nichts Neues“ angesehen, eine Abrechnung mit dem Wilhelminischen System und dem von diesem begonnenen imperialistischen Krieg.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Adam Scharrer wurden Straßen in der DDR benannt:

  • Adam-Scharrer-Weg in Schwerin
  • Adam-Scharrer-Straße in Senftenberg

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aus der Art geschlagen. Reisebericht eines Arbeiters. Der Bücherkreis, Berlin 1930.
  • Vaterlandslose Gesellen. Das erste Kriegsbuch eines Arbeiters. Wien, Berlin: Agis-Verlag, 1930.
  • Der große Betrug. Geschichte einer proletarischen Familie. Wien, Berlin: Agis-Verlag, 1931.
  • Maulwürfe. Ein deutscher Bauernroman. Malik, Prag 1934.
    • Maulwürfe. Elend und Widerstand fränkischer Bauern 1900-1933. (Neuausgabe) Berlin: Autonomie und Chaos 2024. ISBN 978-3-945980-91-0 PDF
  • Abenteuer eines Hirtenjungen und andere Dorfgeschichten. Moskau ; Leningrad : Verlagsgenossenschaft ausländ. Arbeiter in d. UdSSR, 1935.
  • Die Bauern von Gottes Gnaden. Engels : Dt. Staatsverlag, 1935.
  • Pennbrüder, Rebellen, Marodeure. Zürich : Globus-Verlag, 1937.
  • Zwei Erzählungen aus dem Leben deutscher Bauern. Moskau: Meshdunarodnaja kniga – Das internationale Buch, 1938.
  • Der Krummhofbauer und andere Dorfgeschichten. Kiew: Staatsverl. d. Nationalen Minderheiten d. USSR, 1939.
  • Familie Schuhmann. Ein Berliner Roman. Moskau, Das Internationale Buch, 1939.
  • Die Hochzeitsreise. Moskau: Meshdunarodnaja Kniga, 1940.
  • Wanderschaft Kiew: Staatsverl. d. Nationalen Minderheiten d. USSR, 1940.
  • Der Landpostbote Ignatz Zwinkerer aus Eichendorf bei Bamberg in Bayern, erzählt, was er in seinem Dorf und auf seinen Gängen erlauschte und erlebte. Moskau: Meshdunarodnaja Kniga, 1941.
  • Der Hirt von Rauhweiler. Roman. Moskau, Das Internationale Buch, 1942.
  • Wie der SA-Mann Lakner Erbhofbauer wurde. Moskau: Izd. literaturna inostrannych jazykach, 1943.
  • Der Landsknecht. Moskau, Verlag für fremdsprachige Literatur, 1943.
  • Der Landpostbote Zwinkerer und andere Erzählungen. Moskau: Verl. f. fremdsprachige Literatur, 1944.
  • In jungen Jahren. Erlebnisroman eines deutschen Arbeiters. Berlin, Aufbau, 1946.
  • Dorfgeschichten, einmal anders. Berlin, Verlag Lied der Zeit, 1946.
  • Das letzte Wort . Berlin: Verl. „Lied d. Zeit“, 1948.
  • Der Mann mit der Kugel im Rücken. Fragment eines Romans, Erzählungen und Aufsätze. Hrsg. Fritz Hofmann, Aufbau, Berlin / Weimar 1979.
  • Heiner, der Hütejunge. Berlin : Kinderbuchverlag, 1979.

Gesammelte Werke

  • Dt. Akademie d. Künste zu Berlin (Hrsg.): Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Aufbau-Verlag, Berlin.
    • Der Hirt von Rauhweiler : Roman. 1961.
    • Dorfgeschichten einmal anders. 1961.
    • Der grosse Betrug. Die Geschichte e. Arbeiterfamilie. 1962.
    • Familie Schuhmann. Roman. 1962.
    • Maulwürfe. Ein dt. Bauernroman. 1963.
    • Heimat- und Geschichtsverein Neunkirchen (Hrsg.): Wanderschaft – ein Erlebnisroman. (Neuauflage).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Siegfried Nebel: Der erste proletarische Inflationsroman. In: Die Linkskurve. 3. Jg. Nr. 12. Dezember 1931, S. 29–31.
  • Deborah Vietor-EngländerScharrer, Adam. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 582 f. (Digitalisat).
  • Adam Scharrer, Erwin Strittmatter. Volk und Wissen, Berlin 1962, S. 5–71. (=Schriftsteller der Gegenwart 3)
  • Walter Fähnders, Martin Rector: Linksradikalismus und Literatur. 2 Bände. Rowohlt, Reinbek 1974. Insbesondere Band 2, S. 243–263.
  • Hans J. Schütz, Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen. Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts. Beck, München 1988, S. 240–245
  • Scharrer, Adam. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarb. und stark erw. Auflage. Karl Dietz Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6.
  • Günter Helmes: Der Erste Weltkrieg in Film und Literatur. Entwicklungen, Tendenzen und Beispiele (Adam Scharrer, „Vaterlandslose Gesellen“ und G.W. Pabst, „Westfront 1918“). In: Waltraud Wende (Hrsg.): Krieg und Gedächtnis – Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld kultureller Sinnkonstruktionen. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, S. 121–149. ISBN 978-3-8260-3142-7.
  • Günter Helmes: „Manche freut der Regen, die haben noch Korn vom vorigen Jahr, die brauchen keins.“ Landleben, Landwirtschaft und Kapitalismus in Adam Scharrers Bauernroman „Maulwürfe“ (1933). Mit einleitenden Hinweisen auf Anna Seghers’ „Der Kopflohn“ (1933). In: Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik, Bd. 15, 2011/12, S. 147–176. ISSN 1618-2464.
  • Christian Volkmann: Geschichte oder Geschichten? Literarische Historiograhie am Beispiel von Adam Scharrers „Vaterlandslose Gesellen“ und Uwe Timms „Morenga“. Igel-Verlag, Hamburg 2013. ISBN 978-3-86815-575-4.
  • Gerhard Jochem: Mit nervigem Griff und mächtigem Schwung – wum – bung – bung: Karl Bröger und Adam Scharrer – Zwei fränkische „Arbeiterdichter“ und der Erste Weltkrieg. In: Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg im Ersten Weltkrieg 1914–1918. Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2014 (Ausstellungskataloge des Stadtarchivs Nürnberg; 22), ISBN 978-3-925002-52-6, S. 784–795.
  • Rhena Stürmer: Der Arbeiterschriftsteller Adam Scharrer (1889–1948) und seine Entwicklung vom Weimarer Linkskommunisten zum Kulturfunktionär in der SBZ. In: Silke Flegel / Christoph Garstka (Hrsg.): „Stalinkomplex“!? Deutsche Kulturkader im Moskauer Exil und in der DDR. Peter Lang, Berlin 2021 (Schriften zur Europa- und Deutschlandforschung: 18), ISBN 978-3-631-84997-2, S. 227–244.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Adam Scharrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Proletarier, Monatsschrift der KAPD. Jg. 1925, Heft 5 u. 6.
  2. Vietor-Engländer, Deborah: Scharrer, Adam (Pseudonym Adam). In: "Scharrer, Adam" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 582–583. Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 2005, abgerufen am 27. Dezember 2023.