Argus Motoren Gesellschaft

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Argus Motoren Gesellschaft m. b. H.

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Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 7. November 1906
Sitz Berlin-Reinickendorf, Deutschland
Branche Automobilhersteller, Motorenhersteller

Die Argus Motoren Gesellschaft m. b. H. war ein deutsches Entwicklungs- und Herstellerunternehmen von Kraftfahrzeugen sowie Fahrzeug-, Boots- und Flugmotoren mit Sitz in Berlin-Reinickendorf.

Nach 1945 demontierten die sowjetischen und französischen Besatzungsmächte große Teile der Produktionsanlagen. Das Unternehmen wurde 1948 in Ettlingen nahe Karlsruhe (Baden-Württemberg) neu gegründet.[1] 1950 etablierte sich die Neue ARGUS GmbH als erster Hersteller von Kugelhähnen in Europa. Anfang der 1990er-Jahre wurde das Unternehmen vom britischen Konzern BTR übernommen, dann 2002 an die Flowserve Corporation verkauft. Heute ist das Unternehmen eine Tochtergesellschaft unter dem Namen Flowserve Flow Control GmbH.

Unternehmensgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorgeschichte 1902 bis 1904[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Henri Jeannin am Steuer eines Argus-Motorwagen der Internationalen Automobil-Centrale Jeannin & Co., um 1903.
Gedenktafel vor den Argus Motorenwerken in Berlin-Reinickendorf, Flottenstraße 28
Technische Daten einiger Argus Motoren um 1911

Henri Jeannin gründete am 1. April 1902 die Internationale Automobil-Centrale Jeannin & Co., das Unternehmen widmete sich dem Handel mit Fahrzeugen.[2] Am 12. September 1902 meldete die Gesellschaft das Warenzeichen Argus an, welches am 17. Januar 1903 eingetragen wurde.[3]

1904 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang 1904 liquidierte Jeannin die Gesellschaft[4] und gründete zeitgleich die Argus Motoren-Gesellschaft Jeannin & Co. Com. Ges., Berlin[5]. Bei der Gründung der Argus Motoren Gesellschaft am 7. November 1906 brachte Jeannin seine Kommanditgesellschaft und das eingetragene Warenzeichen als Stammeinlage mit ein und wurde deren Geschäftsführer.[6] Das Unternehmen ließ sich 1906 in der Flottenstraße 34–49 in Berlin-Reinickendorf nieder, wo es Automobile sowie Stationär- und Bootsmotoren produzierte. Am 15. Juli 1916 übernahm Hauptanteilseigner Moritz Straus die Rolle des Geschäftsführers.

1938 wurde Moritz Straus im Zuge der Arisierung gezwungen, das Unternehmen zu verkaufen.[7] Heinrich Koppenberg, Generaldirektor der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke, bot mit Hilfe der Deutschen Bank 5,2 Mio. Reichsmark (RM) und erhielt den Zuschlag. Der Betrag lag zwar über dem Angebot von BMW von 2 bis 3 Mio., aber doch deutlich unter dem Buchwert von 11 Mio. RM. Die Argus Motoren Gesellschaft machte damals mit 3000 Beschäftigten 25 Mio. RM Umsatz. Am 4. November 1938 übernahm Koppenberg mit seinem Schwager Dr. Viktor Polak offiziell die Geschäftsführung bei Argus; Straus emigrierte in die USA.[8]

1948 bis heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 11. November 1948 wurde das Unternehmen von Moritz Straus unter dem Namen Neue ARGUS GmbH in Ettlingen neu gegründet.[9] Bereits zwei Jahre später stellte sich das Unternehmen als erster Hersteller von Kugelhähnen in Europa vor. Im Jahre 1988 zertifizierte das Unternehmen sein QM-System nach ISO 9001, um sich deutlich von der wachsenden Konkurrenz im Armaturenbau abzuheben. In den 1990er-Jahren wurde das Unternehmen vom britischen Konzern BTR gekauft und blieb in dessen Hand, bis es im Jahr 2002 vom US-amerikanischen Armaturenkonzern Flowserve übernommen wurde.

Produkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1906 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lkw-Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1906 wurden zwei Jahre lang eigene Lkw mit zweieinhalb sowie vier und fünf Tonnen Nutzlast gebaut. Die Lkw hatten 24-, 40- und 70-PS-Motoren, wobei letzterer der erste Sechszylindermotor war, der in ein Nutzfahrzeug eingebaut wurde.

Pkw-Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1910 wurden auch Personenwagen hergestellt. Ein Vierzylindermotor hatte 5881 cm³ mit 120 mm Bohrung und 130 mm Hub.[10] Zunächst wurden Einbaumotoren von Panhard & Levassor verwendet, später wurden eigene Motoren mit zwei, vier und sechs Zylindern hergestellt. Die Fahrzeuge wurden auch im Motorsport eingesetzt. Im Vereinigten Königreich trugen die Fahrzeuge die Bezeichnung Beaufort.

Motorenbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1906 erhielt das Unternehmen den Auftrag, zwei Motoren für das französische Luftschiff Ville de Paris zu entwickeln. Dazu wurde die Leistung eines Reihen-Vierzylinder-Bootsmotors auf 70 PS gesteigert. 1908 entschied sich Jeannin dafür, Flugmotoren in sein Produktionsprogramm aufzunehmen. Die mit Argusmotoren ausgerüsteten Boote gewannen damals viele Preise in Motorbootkonkurrenzen; ebenso erfolgreich waren die mit Argusmotoren ausgestatteten Flugzeuge. 1910 gewannen Argusmotoren rund 130.000 RM von etwa 150.000 RM im Deutschen Reich ausgeschriebener Meetingpreise. 1912 wählte auch Igor Iwanowitsch Sikorski vier 100 PS starke Argus-Motoren zum Einbau in seinen „Russischen Recken“, das erste viermotorige Flugzeug der Welt. Mit dem Erfolg dieser Maschine wurden Argus-Flugmotoren international bekannt.

Während des Ersten Weltkrieges baute Argus Motoren sowohl für das Deutsche Heer als auch für die Luftstreitkräfte. Straus stellte Arnold Zoller ein, um Kompressoren zu entwickeln. Wegen des hohen Bedarfs an Motoren wurde auch Opel in Rüsselsheim mit dem Lizenzbau von Argusmotoren beauftragt. Das Unternehmen prosperierte und 1918 waren bereits 910 Mitarbeiter beschäftigt. Der Versailler Vertrag entzog der Flugmotorenfertigung die Grundlage und man beschäftigte sich ausschließlich mit der Entwicklung und Verbesserung von Pkw-Motoren der Horchwerke AG Zwickau, an der Straus seit 1920 eine Aktienmehrheit besaß. Die Horchwerke wurden 1932 Teil der Auto Union. Zum 1. Juli 1923 wechselte Paul Daimler zu Argus und machte sich hier einen Namen als Motorenentwickler im Fachbereich Flugzeugtriebwerke, wo er bis 1928 blieb.

Ab 1927 bemühte sich Argus, die Flugmotorenfertigung wieder aufleben zu lassen. Im Deutschen Reich wurden wegen der staatlichen Förderung der Sportfliegerei und des zunächst geheimen Aufbaus der neuen Luftwaffe Flugmotoren in immer größerer Zahl gebraucht. 1935 konnte Hans Reissner als Konstrukteur für die Entwicklung von Verstellluftschrauben gewonnen werden, so dass auch diese in das Vertriebsprogramm aufgenommen werden konnten. Zudem wurden Scheibenbremsen für Flugzeugfahrwerke[11] und Radfahrzeuge wie z. B. beim Kampfpanzer Tiger I nach einem Patent von Hermann Klaue produziert.

Von den neuentwickelten Motoren, für die Manfred Christian verantwortlich zeichnete, waren es insbesondere der Argus As 8, der Argus As 10 und der Argus As 410, aus dem schließlich der Argus As 411 entstand, die in großen Stückzahlen gefertigt wurden. Für die letzteren beiden wurde auch das Prager Unternehmen Walter mit dem Lizenzbau beauftragt, ein weiterer Produktionsstandort wurde im besetzten Frankreich bei Renault eingerichtet. Eine Neuentwicklung war das Schmidt-Argus-Rohr Argus As 014 – ein Pulsstrahltriebwerk – das in der Fieseler Fi 103 zum Einsatz kam. Auch zwei Projekte von Großmotoren As 412 und As 413 (24 Zylinder in H-Form, wassergekühlt mit 4000 PS für zwei gegenläufige Luftschrauben), für die Fritz Gosslau zuständig war, standen gegen Kriegsende in der Entwicklung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Werk als Reparationsleistung für die Sowjetunion und Frankreich demontiert. Bis in die 1960er-Jahre stellte Renault und später SNECMA den As 411 unter der Bezeichnung Renault 12S weiterhin her.

Triebwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Argus Motoren Gesellschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wulf Dieter Kisselmann: Argus. Flugmotoren und mehr. Verlag Schiff & Flugzeug, Empfingen 2012, ISBN 978-3-86755-220-2, Seite 77ff.
  2. Central-Handels-Register für das Deutsche Reich (Nr. 85 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger, Nr. 85. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 11. April 1902, abgerufen am 13. Juni 2020 (linke Seite, erste Spalte unten): „Nr. 14 453 Kommanditgesellschaft: Internationale Automobil Centrale Jeannin & Co. Commandit Gesellschaft. Persönlich haftender Gesellschafter: Henri Jeannin, Kaufmann, Schöneberg. Ein Kommanditist ist vorhanden. Die Gesellschaft hat am 1. April 1902 begonnen.“
  3. Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 35 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 35. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 10. Februar 1903, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, zweite Spalte oben): „Nr. 57 686. J. 1763. Klasse 10. Argus 12/9 1902. Internationale Automobil-Centrale Comm.-Ges. Jeannin & Co., Berlin, Charlottenstr. 39. 17/1 1903. Geschäftsbetrieb: Herstellung und Vertrieb von Motorwagen und sämtlichen Motorwagenteilen. Waren: Motorwagen und sämtliche Motorwagenteile. – Beschr.“
  4. Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 62 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 62. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 12. März 1904, abgerufen am 13. Juni 2020 (erste Spalte mittig): „Bei Nr. 14 453 (Internationale Automobil Centrale Jeannin & Co. Commanditgesellschaft, Berlin): Die Firma lautet jetzt: Internationale Automobil Centrale Dr. Mengers & Bellmann. Die bisherigen Gesellschafter haben die Gesellschaft aufgelöst und Geschäft und Firma an den Kaufmann Dr. phil Hans Mengers, Berlin und den Kaufmann Walter Bellmann, Schöneberg [Anm.: hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Jeannins Schwager], veräußert, welche das Geschäft als offene Handelsgesellschaft betreiben. Die Gesellschaft hat am 1. Februar 1904 begonnen. […]“
  5. Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 36 A); Fünfte Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 36. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 11. Februar 1904, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, dritte Spalte, oberes Drittel): „Nr. 227[3]8 Kommanditgesellschaft: Argus Motoren-Gesellschaft Jeannin & Co. Com. Ges., Berlin, und als persönlich haftender Gesellschafter Henry Jeannin, Kaufmann, Charlottenburg. Die Gesellschaft hat am 1. Februar 1904 begonnen. Ein Kommanditist ist vorhanden.“
  6. Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 287 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 287. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 5. Dezember 1906, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, erste Spalte unten): „Nr. 4024 Argus Motoren Gesellschaft mit beschränkter Haftung. […] Die Gesellschafterin in Firma Argus Motoren Gesellschaft Jeannin & Co. Commanditgesellschaft zu Berlin bringt in die Gesellschaft ein: ihr gesamtes in Berlin, Prinz Louis Ferdinandstraße 1, betriebenes Geschäft mit Aktiven und Passiven, einschließlich sämtlicher Schutzrechte, Modelle, Zeichnungen, Gerätschaften und Aufträge. […]“
  7. Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. Oldenburg, 2005. S. 39. (Online in der Google-Buchsuche)
  8. Anton Doppelfeld: Die Geschichte der Argus Motoren Gesellschaft 1906–1940. Wiking Verlag, Berlin 1940, Seite 39
  9. Wulf Dieter Kisselmann: Argus. Flugmotoren und mehr. Verlag Schiff & Flugzeug, Empfingen 2012, Seite 82
  10. Theodor Lehmbeck, Walther Isendahl: Berechnung, Konstruktion und Fabrikation von Automobil-Motoren. 1908, S. 333–335, abgerufen am 3. Februar 2023.
  11. Argus Flugmotoren und Staustrahltriebwerke. Abgerufen am 20. Juni 2020.