Buckinghamsches Π-Theorem

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Das Buckinghamsche Π-Theorem (sprich: Pi-Theorem) nach Edgar Buckingham (1867–1940) ist ein grundlegendes Theorem der Ähnlichkeitstheorie und der Dimensionsanalyse.

Es beschreibt, wie eine physikalisch sinnvolle Gleichung mit n dimensionsbehafteten Größen in eine Gleichung mit n-m dimensionslosen Größen umgeschrieben werden kann, wobei m die Anzahl der verwendeten unabhängigen Grundgrößen ist. Weiterhin ist es durch das Buckinghamsche Π-Theorem möglich, dimensionslose Kennzahlen zu einem Problem aus den Ausgangsgrößen zu ermitteln, auch wenn der exakte Zusammenhang in Form einer Gleichung noch nicht bekannt ist.

Offenbar machte Joseph Bertrand bei der Untersuchung von Problemen der Elektrodynamik und der Theorie der Wärmeleitung 1878 erstmals auf den Kerninhalt des Π-Theorems und mögliche Anwendungen zur Modellierung physikalischer Phänomene aufmerksam.[1] Die neuen Methoden der Dimensionsanalyse wurden 1892 besonders bekannt durch Rayleighs Arbeiten zum Druckabfall in einer Rohrleitung mit Anwendung des verallgemeinerten Π-Theorems.[2] Die formalisierte Verallgemeinerung des Π-Theorems auf den Fall einer beliebigen Zahl von physikalischen Größen erfolgte erstmals 1892 durch Aimé Vaschy,[3][4] dann offenbar unabhängig davon durch A. Federman[5] und Dmitri Pawlowitsch Rjabuschinski[6] 1911 und schließlich 1914 durch Edgar Buckingham.[7] 1926 befasste sich Hermann Weyl mit dem Π-Theorem.

Ermittlung der Einflussgrößen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ermittlung der Einflussgrößen, die ein physikalisches Problem beschreiben, stellt die Schwierigkeit bei der Anwendung des Buckinghamschen Π-Theorems dar. In dieser Phase ist Intuition und/oder physikalischer Sachverstand erforderlich. Bei einer konsistenten Wahl der Einflussgrößen ist eine Umwandlung in n − m dimensionslose Größen jedoch immer möglich. Dabei können auch Naturkonstanten (bspw. die Lichtgeschwindigkeit) eine Rolle spielen.

Eine Umwandlung der dimensionsbehafteten Einflussgrößen in dimensionslose Kenngrößen ist nur möglich, wenn jede Basisdimension in mindestens zwei dimensionsbehafteten Einflussgrößen des physikalischen Systems vorkommt. Diese Voraussetzung ist notwendig, aber nicht hinreichend. Falls sich herausstellt, dass eine Umwandlung nicht möglich ist, bedeutet dies, dass entweder zu viele, zu wenige oder die falschen Einflussgrößen gewählt wurden. Ungeachtet dessen können bei einer geglückten Umwandlung jedoch auch wichtige Einflussgrößen vergessen und überflüssige Größen verwendet worden sein.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reibungsfreies Pendel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pendel (reibungsfrei)

Man kann für kleine Auslenkungen die Pendellänge l, die Erdbeschleunigung g, sowie die Masse m als die drei wesentlichen beschreibenden Größen für die Schwingungsdauer t eines Pendels annehmen (n=4). Es sollen die Grunddimensionen

  • L Länge (SI-Einheit: m),
  • M Masse (SI-Einheit: kg) und
  • T Zeit (SI-Einheit: s)

verwendet werden (m=3). Die Dimensionen der Einflussgrößen können als Potenzprodukt der Grunddimensionen ausgedrückt werden:

  • l: Dimension L;
  • g: Dimension L/T2;
  • m: Dimension M;
  • t: Dimension T.

Der Produktansatz

(1)

kann nur dimensionslos werden, wenn

(2)

und somit

(3) Länge:
(4) Masse:
(5) Zeit:

gilt. Wegen (1) und (4) ist die Masse entgegen der obigen Annahme ohne Bedeutung für die Schwingungsdauer. Dies ist ein erstes Ergebnis des Buckinghamschen Π-Theorems. Da , und lediglich durch die zwei Gleichungen (3) und (5) bestimmt werden, kann eine beliebige der drei Unbekannten frei (aber ungleich 0) gewählt werden (bspw. ). Dann gilt:

(6) , und .

Zur Beschreibung des gesuchten Zusammenhangs genügt wegen n-m = 1 eine einzige und dimensionslose Größe. Diese wird mit (1) und (6) zu:

(7) .

Da keine weiteren dimensionslosen Größen beteiligt sind, muss als Ergebnis des Buckinghamschen Π-Theorems

(8)

gelten. Die unbekannte Proportionalitätskonstante kann mit einem einzigen Versuch zu bestimmt werden, und man erhält

(9)

als Schwingungsdauer. Man beachte, dass dieser Zusammenhang ohne Verwendung der zugrunde liegenden Differentialgleichung der Bewegung des Pendels ermittelt wurde. Eine Lösung dieser Differentialgleichungen liefert das analoge Ergebnis

(10) .

Die Deutung der Proportionalitätskonstante als () kann weder das Buckinghamsche Π-Theorem noch der Versuch liefern.

Zusammenfassung
Verfahren Ergebnisse
Buckinghamsches Π-Theorem
Buckinghamsches Π-Theorem und Versuch
Lösung der Differentialgleichung

Federpendel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feder-Masse-Pendel

Geht man zur Berechnung der Schwingungsdauer t eines Federpendels von der Masse m und der Federkonstante c als wesentlichen Parameter aus, kann der folgende Ansatz verwendet werden:

Da in diesem Ansatz nur die Dimensionen Masse M und Zeit T vorkommen,

lassen sich lediglich zwei Gleichungen:

(1) Masse:
(2) Zeit:

für die drei Unbekannten ableiten. Mit der Annahme folgen und . Setzt man die Ergebnisse für in den Ansatz ein, erhält man

und damit

.

Rotierender Ring[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rotierender Ring

Für die Spannungen σ, die in einem rotierenden Ring entstehen, wird eine Abhängigkeit von der Rotationsgeschwindigkeit ω, dem Radius r und der Dichte ρ angenommen (n=4). Der sich daraus ergebende Ansatz

kann nur dimensionslos werden, wenn für die hier verwendeten m=3 Grunddimensionen (L Länge, M Masse, T Zeit)

und somit

(1) Masse:
(2) Zeit:
(3) Länge:

gilt. Für die vier Unbekannten () stehen nur 3 Gleichungen zur Verfügung. Das Gleichungssystem wird mit der willkürlichen Annahme eindeutig. Aus (1) und (2) folgen und . Mit (3) kann bestimmt werden.

Das Π-Theorem besagt also:

.

Die Spannung σ hängt also linear von der Dichte und quadratisch von der Winkelgeschwindigkeit und dem Radius ab. Die unbekannte Proportionalitätskonstante kann nicht mit dem Π-Theorem bestimmt werden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. Buckingham: The principle of similitude. In: Nature. 96, 1915, S. 396–397.
  • E. Buckingham: Model experiments and the forms of empirical equations. In: Trans. A.S.M.E. 37, 1915, S. 263–296.
  • J. H. Spurk: Dimensionsanalyse in der Strömungslehre. Springer-Verlag, 1992, ISBN 3-540-54959-5.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bertrand J.: Sur l'homogénété dans les formules de physique. In: Comptes rendus. Band 86, Nr. 15, 1878, S. 916–920.
  2. Rayleigh: On the question of the stability of the flow of liquids. In: Philosophical Magazine. Band 34, 1892, S. 59–70.
  3. Vaschy A.: Sur les lois de similitude en physique. In: Annales Télégraphiques. Band 19, 1892, S. 25–28.
  4. Macagno E. O.: Historico-critical review of dimensional analysis. In: Journal of the Franklin Institute. Band 292, Nr. 6, 1971, S. 391–402.
  5. Федерман А.: О некоторых общих методах интегрирования уравнений с частными производными первого порядка. In: Известия Санкт-Петербургского политехнического института императора Петра Великого. Отдел техники, естествознания и математики. Band 16, Nr. 1, 1911, S. 97–155.
  6. Riabouchinsky D.: Мéthode des variables de dimension zéro et son application en aérodynamique. In: L’Aérophile. 1911, S. 407–408.
  7. Buckingham E.: On physically similar systems: illustrations of the use of dimensional equations. In: Physical Review. Band 4, Nr. 4, 1914, S. 345–376.