Christoph Blumhardt

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Christoph Blumhardt

Christoph Friedrich Blumhardt (* 1. Juni 1842 in Möttlingen bei Calw; † 2. August 1919 in Jebenhausen bei Göppingen) war ein württembergischer evangelischer Theologe, Pfarrer und Kirchenlieddichter, später auch Landtagsabgeordneter für die SPD. Er gilt als der Begründer der religiös-sozialen Bewegung in der Schweiz und in Deutschland.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sein Vater Johann Christoph Blumhardt war ebenfalls Pfarrer und vertrat einen starken Pietismus, der mit der Kraft des Heiligen Geistes im Alltag rechnete. Er wurde durch eine wunderbare Heilung einer als unheilbar geltenden Frau überregional bekannt. 1852 erwarb er das Kurhaus in Bad Boll. Auf dem dortigen Friedhof sind er und später sein Sohn begraben worden.

Bad Boll[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christoph Blumhardt kam nach seinem Studium der Evangelischen Theologie in Tübingen und anschließendem Vikariat 1869 als Gehilfe und Sekretär seines Vaters nach Bad Boll. Während seines Studiums wurde er 1862 Mitglied der Verbindung Normannia Tübingen. 1870 heiratete er Emilie Bräuninger, die Tochter eines Landwirts. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er 1880 die Leitung von Bad Boll. Er gewann als Seelsorger und wortgewaltiger Bußprediger einen Ruf weit über seine Heimat hinaus. Einer seiner Gäste war 1892 zeitweise auch der junge Hermann Hesse, der aus dem evangelisch-theologischen Seminar in Maulbronn ausgerissen war und auf Wunsch seiner Eltern in Bad Boll unterkam. Erst im Oktober 1896 erlebte Blumhardt eine Art „Erweckung“, die ihn gewiss machte, dass er die Botschaft von der grenzenlosen Liebe Gottes zur Welt verkündigen müsse. So hieß es in seiner Weihnachtspredigt 1896:

„Die Liebe Gottes zerschmelzt alles Schlechte, alles Gemeine, alles Verzweifelte; die Liebe Gottes zwingt auch den Tod. Aber es muß eine Gottesliebe sein; eine Liebe, die auch die Feinde liebt; eine Liebe, die unentwegt durch alles hindurchschreitet wie ein Held und sich nicht beleidigen, nicht verachten, nicht wegwerfen läßt; eine Liebe, die mit dem Helm der Hoffnung auf dem Haupt durch die Weit schreitet. Wir haben es bis jetzt nicht genug gewagt, zu sagen: Jesus ist geboren, und darum sind alle Kreaturen geliebt. … Jesus will als die grenzenlose Liebe Gottes verstanden werden. In dieser Liebe will er die Flamme sein, an der wir uns rein brennen. Es ist nur die Liebe, nur das Erbarmen Gottes, das uns in sein Gericht nimmt, damit wir frei werden von allem, was uns jetzt zu Sklaven und unglücklichen Menschen macht, die heute leben und morgen im Dunkel des Todes verschwinden.“

Hinwendung zum Sozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus diesem Impuls heraus nahm Blumhardt junior nun immer stärker Anteil an den akuten Alltagsproblemen der Arbeiter und der „sozialen Frage“. 1899 bekannte er sich auf einer Arbeiterversammlung in Göppingen als Jünger Jesu zum »Sozialismus«. Nachdem eine Zeitung fälschlicherweise berichtete, er sei der SPD beigetreten, wurde er in Kirchenkreisen heftig angefeindet. Daraufhin trat er tatsächlich der SPD bei und gab auf Druck der Kirchenbehörde sein Pfarramt auf. Im Dezember 1900 wurde er für den Wahlkreis Göppingen in den württembergischen Landtag gewählt, in dem er sechs Jahre lang wirkte.

Wegen dieser Wendung verlor Blumhardt viele seiner bisherigen Freunde und seinen Wirkungskreis als Bußprediger. Dennoch blieb er neben seiner politischen Arbeit Prediger und Seelsorger für die Gäste des Tagungshauses Bad Boll. Gesundheitlich angeschlagen reiste er 1905 und 1910 nach Ägypten, 1906 nach Palästina. 1907 zog er mit Anna von Sprewitz, der ihm „von Gott gesandten“ Lebensgefährtin seiner letzten Jahre (Elisabeth Schönhut, Urenkelin von Emilie Blumhardt), nach Wieseneck in Jebenhausen und begrenzte seine seelsorgerische Tätigkeit, nahm aber weiter regen Anteil am Zeitgeschehen. Zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm er so Stellung:

„In den Anfängen, da es doch auf der ganzen Welt anders werden soll. Die Finsternis wird zerbrechen an unserm Herrn Jesus Christus, dem Siegeshelden.“

An dieser eschatologischen Hoffnung hielt Blumhardt bis zu seinem Tod fest. Im Oktober 1917 erlitt er einen Schlaganfall, blieb aber Beter für die Gemeinde Jesu und die Rettung der Welt:

„Einst kommt der Tag, und bald kommt der Tag unseres Herrn Jesus Christus. Da wirst du dein Leben verstehen, da wirst du jauchzen über allem Schweren, das du gehabt hast, da wirst du danken für dich und andere, für deine Gegenwart und für deine Vergangenheit.“

Nach dem Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erben von Christoph Blumhardt schenken 1920 das Kurhaus, mit dem Kirchsaal, in Bad Boll der Herrnhuter Brüdergemeine.[1]

Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blumhardts radikale Reich-Gottes-Erwartung – „einst und bald“ – und seine Entscheidung für den Sozialismus wurden im Bürgertum und der Kirche seiner Zeit abgelehnt. Doch gerade dieser Außenseiter der Vorkriegszeit beeinflusste diejenigen Theologen, die nach 1918 die öffentliche theologische Debatte prägten: allen voran Karl Barth, aber auch Hermann Kutter, Leonhard Ragaz und Eduard Thurneysen.

Heute erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland am 2. August mit einem Gedenktag im Evangelischen Namenkalender an Blumhardt.[2] Verschiedene Straßenbenennungen, etwa in Pforzheim und Einrichtungen, so das Gemeindezentrum in Sternenfels sind nach Christoph Blumhardt beziehungsweise Vater und Sohn Blumhardt benannt.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

hrsg. v. Eugen Jäckh:

  • Hausandachten für alle Tage des Jahres, 1921
  • Vom Reich Gottes. Aus Predigten und Andachten, 1922
  • Von der Nachfolge Jesu Christi. 2. Auswahl aus Predigten und Andachten, 1923
  • Abendgebete für alle Tage des Jahres, 1937
  • Von der Führung Gottes. Briefe an Freunde, 1955

hrsg. v. Robert Lejeune:

  • Auswahl aus Predigten und Andachten, 4 Bände, 1925–32
  • Werke, in Teilbänden, erschienen zwischen 1938 und 1966.

hrsg. v. Johannes Harder:

  • Worte des evang. Pfarrers und Landtagsabgeordneten Christoph Blumhardt, Wuppertal 1972
  • Christoph Blumhardt – Ansprachen, Predigten, Reden, Briefe: 1865–1917, 3 Bde., Neukirchen-Vluyn 1978

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Wilhelm BautzChristoph Blumhardt. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 630–631.
  • Joachim Berger: Die Verwurzelung des theologischen Denkens Karl Barths in dem Kerygma der beiden Blumhardts vom Reiche Gottes. Diss. Univ. Berlin 1956.
  • Christian Buchholz: Christoph Friedrich Blumhardt – Reich Gottes in der Welt Göppingen: Manuela Kinzel Verlag. 2010. ISBN 978-3-937367-43-9
  • Ich will von Blumhardt lernen, dass Jesus Sieger ist. Leben und Werk von Pfarrer Johann Christoph Blumhardt, hrsg. v. Erwin Rudert. Oberursel: Verl. 12 u. 12 1996. ISBN 3-930657-36-8
  • Eduard Buess und Markus Mattmüller: Prophetischer Sozialismus. Blumhardt – Ragaz – Barth. Freiburg/Schweiz: Ed. Exodus 1986. ISBN 3-905575-22-1
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 7: Supplement A–K. Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6050-4, S. 100–102.
  • Frank Raberg: Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016604-2, S. 84–85.
  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll – Die Stätten der Blumhardts und ihre Geschichten, Edition Akademie Bd. 10, Bad Boll 2005
  • Friedhelm Groth, Chiliasmus und Apokatastasishoffnung in der Reich-Gottes-Verkündigung der beiden Blumhardts, in: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus, Bd. 9 (1983), Göttingen (1984), S. 56–116
  • Friedhelm Groth, „bebel- und auch bibelfest“. Eschatologischer Universalismus und Engagement für den Sozialismus in der Reich-Gottes-Hoffnung des jüngeren Blumhardt. Eine Hoffnung und ihre Nachwirkungen, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart 1999 (PDF)
  • Jörg Hübner: Christoph Blumhardt. Prediger, Politiker, Pazifist. Eine Biographie, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2019, ISBN 978-3-374-06049-8.
  • Dieter Ising: Johann Christoph Blumhardt. Leben und Werk, 2. Auflage, Leibniz Verlag, St. Goar 2018, ISBN 978-3-931155-40-7.
  • Eugen Jäckh: Blumhardt Vater und Sohn und ihre Botschaft. Berlin: Furche-Verlag, 1925
  • Werner Jäckh: Blumhardt. Vater und Sohn und ihre Welt. Stuttgart: Steinkopf 1977. ISBN 3-7984-0323-6
  • Hans Ulrich Jäger: Politik aus der Stille. Ernesto Cardenal, Dom Helder Câmara, Martin Luther King, Christoph Blumhardt, Niklaus von Flüe. Zürich: Theologischer Verl. 1980. ISBN 3-290-11442-2
  • Eberhard Kerlen: Zu den Füßen Gottes. Untersuchungen zur Predigt Christoph Blumhardts. München: Kaiser 1981. ISBN 3-459-01401-6
  • Hee-Kuk Lim: „Jesus ist Sieger!“ bei Christoph Friedrich Blumhardt. Keim einer kosmischen Christologie. Bern u. a.: Lang 1996. (= Basler und Berner Studien zur historischen und systematischen Theologie; 67) ISBN 3-906756-42-4
  • Klaus-Jürgen Meier: Christoph Blumhardt. Christ, Sozialist, Theologe. Bern u. a.: Lang 1979. (= Basler und Berner Studien zur historischen und systematischen Theologie; 40) ISBN 3-261-04670-8
  • Walter Nigg: Rebellen eigener Art. Eine Blumhardt-Deutung. Stuttgart: Quell-Verl. 1988. ISBN 3-7918-2021-4
  • Gerhard Sauter: Die Theologie des Reiches Gottes beim älteren und jüngeren Blumhardt. Zürich u. a.: Zwingli-Verl. 1962. (= Studien zur Dogmengeschichte und systematischen Theologie; 14)
  • Paul Schütz: Säkulare Religion. Eine Studie über ihre Erscheinung in der Gegenwart und ihre Idee bei Schleiermacher und Blumhardt d. J. Tübingen: Mohr 1932. (= Beiträge zur systematischen Theologie; 2)
  • Elisabeth Schönhuth: „Emilie Blumhardt im Schatten ihres Umfeldes“ 2010, Manuela Künzel Verlag
  • Heinz-Horst SchreyBlumhardt, Christoph Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 334 f. (Digitalisat).
  • Martin Stober: Christoph Friedrich Blumhardt d.J. Zwischen Pietismus und Sozialismus. Gießen u. a.: Brunnen-Verl. 1998. (= Kirchengeschichtliche Monographien; 2) ISBN 3-7655-9423-7
  • Eduard Thurneysen: Christoph Blumhardt. Chr. Kaiser Verlag, München 1926.
  • „Treibt Dämonen aus!“. Vom Blumhardt bis Rodewyk. Vom Wirken katholischer und evangelischer Exorzisten, hrsg. v. Lisl Gutwenger. Stein am Rhein: Christiana-Verl. 1992. ISBN 3-7171-0956-1
  • Paul Walser: Christoph Blumhardt, der Protestant. Bern: Haupt 1946.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurhaus Bad Boll: Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte des Kurhauses. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. November 2020; abgerufen am 24. November 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kurhaus-bad-boll.de
  2. Christoph Blumhardt im Ökumenischen Heiligenlexikon

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]