Gemeinschaft Sankt Martin

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Seminaristen der Gemeinschaft Sankt Martin beim Stundengebet im Mutterhaus der Gemeinschaft in Évron.
Seminaristen der Gemeinschaft Sankt Martin beim Stundengebet im Mutterhaus der Gemeinschaft in Évron
Mantelteilung des heiligen Martin, Fresko von Simone Martini, Basilika von Assissi

Die Gemeinschaft Sankt Martin (frz. Communauté Saint-Martin) ist eine Gemeinschaft von Weltpriestern und Diakonen, die gemeinsam leben und die ihnen von den Bistümern übertragenen Aufgaben erfüllen. Die Gemeinschaft besteht hauptsächlich aus Lokalgemeinschaften von drei bis sechs Mitgliedern, die in Hauptsache in Pfarreien, Internaten und Wallfahrtsorten tätig sind.

Sie wurde 1976 von Jean-François Guérin, einem Priester der Erzdiözese Tours (Frankreich), gegründet. Das Mutterhaus der Gemeinschaft, zusammen mit ihrem Priesterseminar, befindet sich in Évron, in Westfrankreich. Dort residiert auch der Generalmoderator der Gemeinschaft, ein Priester, der alle sechs Jahre von den Mitgliedern gewählt wird. Zurzeit wird das Amt von Abbé Paul Préaux ausgeübt.

Die Gemeinschaft zählt 185 Priester und Diakone, die in 32 französischen Bistümern und in Kuba, Rom und Deutschland tätig sind. Im Priesterseminar befinden sich etwa 100 Seminaristen in der Ausbildung (Stand 2023). Die Gemeinschaft Sankt Martin ist ein Institut päpstlichen Rechts.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gründer der Gemeinschaft, Jean-François Guérin (rechts) mit Kardinal Siri, Erzbischof von Genua (1986)

Gründung in Italien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gründer der Gemeinschaft Sankt Martin, Jean-Francois Guérin (1929–2005), wurde 1955 zum Priester für das französische Erzbistums Tours geweiht. Er wurde zunächst Domvikar an der Kathedrale von Tours, anschließend Seelsorger für städtische Schulen und in dieser Position von 1965 bis 1976 in Paris tätig. Als Kaplan in der Basilika Sacré-Cœur war er der geistliche Begleiter zahlreicher Jugendlicher. Viele von ihnen traten später in Ordensgemeinschaften, vor allem bei Benediktinern und den Unbeschuhten Karmelitinnen, ein, während andere Weltpriester wurden, dabei aber gemeinschaftlich leben und den liturgischen Geist pflegen, den sie bei Abbé Guérin kennengelernt hatten. Dieser war sowohl von der lateinisch-gregorianischen Tradition des römischen Ritus als auch von der liturgischen Bewegung geprägt.

Da der damalige Erzbischof von Genua, Giuseppe Kardinal Siri, die Erneuerung der priesterlichen Ausbildung in Frankreich unterstützen wollte, lud er Jean-François Guérin und erste Priesteramtskandidaten 1976 in die Erzdiözese Genua ein. So wurde die Gemeinschaft Sankt Martin als Gemeinschaft bischöflichen Rechts unter der Verantwortung von Kardinal Siri gegründet. Abbé Guérin und die Priesteramtskandidaten ließen sich im Kapuzinerkloster Genua-Voltri nieder. Die akademische Ausbildung erhielten die Seminaristen im Priesterseminar von Genua, während Abbé Guérin für ihre geistliche und pastorale Ausbildung verantwortlich war.

Umzug nach Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1983 wurde der Gemeinschaft Sankt Martin das erste Apostolat in der Diözese Fréjus-Toulon in Südostfrankreich übertragen. In den folgenden Jahren übernahmen sie weitere Pfarreien in Frankreich. 1993 bot sich die Gelegenheit, Italien zu verlassen und das Ausbildungszentrum in das französische Dorf Candé-sur-Beuvron bei Blois (ca. 190 km südlich von Paris) zu verlegen. 2014 siedelte das Ausbildungs- und Mutterhaus nach Évron in ein ehemaliges Benediktinerstift über, die Abtei Notre-Dame d'Évron.[1]

Der Generalmoderator der Gemeinschaft Sankt Martin ist Abbé Paul Préaux. Er wurde am 19. April 2022 zum dritten Mal in das Amt gewählt und von der Kleruskongregation bestätigt.[2] Abbé Préaux leitet die Gemeinschaft seit 2010. Er war zuvor Leiter des Wallfahrtsortes Montligeon.

Kapelle im Seminar der Gemeinschaft Sankt Martin in Évron, 2023

Rechtliche Stellung der Gemeinschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchenrechtlich ist die Gemeinschaft Sankt Martin eine öffentliche klerikale Vereinigung von Gläubigen päpstlichen Rechts.[3]

Im Jahr 2000 erhielt die Gemeinschaft die päpstliche Anerkennung.[4][5] Seit 2008 ist der gewählte Generalmoderator der Gemeinschaft zugleich ihr Ordinarius. Dieser beruft die Kandidaten zur Weihe. Die Geweihten werden in die Gemeinschaft Sankt Martin inkardiniert.[6] 2022 zählte die Gemeinschaft etwa 168 Priester und Diakone und 100 Seminaristen.[7]

Ausbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinschaft Sankt Martin zählt 185 Mitglieder, Priester und Diakone (Stand 2023). Diese sind in etwa 40 Lokalgemeinschaften tätig. Damit ist die Gemeinschaft in 32 französischen Bistümern vertreten. Etwa 100 Seminaristen befinden sich in der Ausbildung im gemeinschaftseigenen Priesterseminar.[8]

Die Gemeinschaft betreut Pfarreien und Apostolate in und außerhalb von Frankreich. Die Priester sind in der Pfarrseelsorge sowie in der Internats- und Schulseelsorge, an Wallfahrtsorten und in Altenheimen tätig.[9] Ihre Aufgaben üben sie in 30 Bistümern aus, meistens in Frankreich, ferner in Deutschland, Kuba und Italien.

Basilika der Abtei von Évron, Département Mayenne (2016)

In Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ersten Aufgaben in französischen Bistümern wurden Priestern der Gemeinschaft in den 1980er-Jahren im Bistum Toulon in der Provence anvertraut, darunter die Seelsorge in Fayence (1983) in der Côte-d’Azur-Stadt Saint-Raphael (1986).[10] In Frankreich werden ländliche Regionen betreut, sowie Font-Romeu oder Mortagne-au-Perche, oder Stadtpfarreien, sowie die Kathedralpfarreien von Soissons, Amiens[11] und Châlons, aber auch eine Pfarrei in Paris. Seit 2015 ist die Gemeinschaft auch in der Wallfahrtsseelsorge im Wallfahrtsort Lourdes tätig.[10]

2021 wurde die Seelsorge in vier weiteren Orten übernommen, in Douai im Erzbistum Cambrai, in Mulhouse im Erzbistum Strassburg, in Gap im gleichnamigen Bistum und in Pierrelatte im Bistum Valence.[12] 2022 kamen zwei Orte hinzu, Garge lès Gonesse im Bistum Pontoise und die Wallfahrtsseelsorge auf dem Mont Saint-Michel im Bistum Coutances.

Außerhalb von Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kreuzweg im Marienwallfahrtsort Neviges mit Priestern der Gemeinschaft (2022)

In Rom stehen Priester der Gemeinschaft Sankt Martin im Dienst des Heiligen Stuhls oder befinden sich im Studium.[13]

Seit 2006 ist die Gemeinschaft auf Kuba vertreten. Dort sind fünf Priester in einer Pfarrei im Bistum Santa Clara tätig.[14]

In Deutschland gibt es seit 2022 eine Niederlassung im Wallfahrtsort Neviges in der Stadt Velbert.[15] Die drei Priester der Gemeinschaft wurden am 27. September 2020 in einem Festgottesdienst begrüßt und eingeführt. Die Gemeinschaft hat die Seelsorge in der Wallfahrt sowie in den Pfarrgemeinden von Neviges und Tönisheide übernommen. Die Priester leben im bisherigen Franziskanerkloster.[16]

Prägung der Gemeinschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinschaft Sankt Martin sieht sich in einer Linie mit der Spiritualität der sogenannten École française. Konkret sind vor allem das Gemeinschaftsleben und die Feier des liturgischen Jahrs zentral.[17] Außerdem werden die Lectio divina und der gregorianische Choral gepflegt. Ihre Wurzeln hat die Spiritualität in der geistlichen Verwandtschaft des Gründers, Jean-François Guérin, mit der benediktinischen Kongregation von Solesmes. Guérin war Oblate der zu dieser Kongregation gehörigen Abtei Fontgombault.

Üblicherweise nennen sich die Priester und Diakone der Gemeinschaft „Don“, wie italienische Weltpriester.[18][19] In Deutschland tragen sie den französischen Titel „Abbé“, in beiden Fällen gefolgt vom Vornamen.[20][21]

Dem Journalisten Christian Modehn der linkskatholischen Zeitschrift Publik Forum zufolge ist die Gemeinschaft konservativ und bekomme Zulauf von „politisch militanten“ Katholiken, die gegen Homo-Ehe und Abtreibung agitierten und mit rechten Parteien eng vernetzt seien.[22]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gemeinschaft Sankt Martin – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. La communauté Saint-Martin à Évron en 2014. 3. Oktober 2012, abgerufen am 27. Juli 2023 (französisch).
  2. Elections du Modérateur Général de la Communauté. Communauté Saint-Martin, 20. April 2022, abgerufen am 20. April 2022 (französisch).
  3. CSM: La Communauté Saint-Martin : Une congrégation religieuse ? 15. September 2015, abgerufen am 27. Juli 2023 (französisch).
  4. Geschichte der Gemeinschaft. Communauté Saint-Martin, Februar 2014, archiviert vom Original am 28. Dezember 2019; abgerufen am 28. März 2023.
  5. Historique. Communauté Saint-Martin, Februar 2014, abgerufen am 17. Dezember 2014 (französisch).
  6. Shawn Tribe: Communauté Saint-Martin. New Liturgical Movement, 25. November 2009, abgerufen am 9. März 2023 (englisch).
  7. Qui sommes nous? Communauté Saint-Martin, abgerufen am 18. Mai 2022 (französisch).
  8. Alix DEMAISON-PLAÇAIS, avec Alan LE BLOA: Religion. Comment la communauté Saint-Martin est devenue l’un des plus grands séminaires de France. 11. November 2023, abgerufen am 8. Dezember 2023 (französisch).
  9. Qui sommes nous? Communauté Saint-Martin, abgerufen am 8. Februar 2023 (französisch).
  10. a b Historique. Communauté Saint-Martin, abgerufen am 4. Februar 2023 (französisch).
  11. Fidesio: Amiens. Communauté Saint-Martin, 11. September 2018, abgerufen am 4. Februar 2023 (französisch).
  12. Fidesio: The community of Saint-Martin 2021-2022. Communauté Saint-Martin, 18. Mai 2021, abgerufen am 8. Februar 2023 (englisch).
  13. CSM Equipe Communication: Au service du Saint-Siège. Communauté Saint-Martin, 15. September 2015, abgerufen am 4. Februar 2023 (französisch).
  14. Paroisse de Placetas – Mission de Cuba. Communauté Saint-Martin, 14. September 2015, abgerufen am 24. Mai 2022 (französisch).
  15. Priestergemeinschaft St. Martin kommt nach Velbert-Neviges. Die Tagespost, 31. Mai 2020, abgerufen am 31. Mai 2020.
  16. Feierliche Einführung der Gemeinschaft Sankt Martin in Neviges. Erzbistum Köln, 28. September 2020, abgerufen am 28. September 2020.
  17. Qui sommes nous? Communauté Saint-Martin, abgerufen am 4. Februar 2023 (französisch).
  18. Prêtres en soutane, séminaire plein: la visible ascension de la communauté Saint-Martin. L'Express, 23. Juni 2017, abgerufen am 10. März 2023 (französisch).
  19. Fidesio: Pöllau: im Dienst der Familien. 20. März 2020, abgerufen am 10. März 2023 (deutsch).
  20. Roland Müller: "Klassische" Seelsorge in Soutane: Die Gemeinschaft Sankt Martin. In: katholisch.de. 1. September 2020, abgerufen am 28. März 2023.
  21. Die Gemeinschaft Sankt Martin in Neviges. Communauté Saint-Martin, 31. Mai 2020, abgerufen am 28. März 2023.
  22. Christian Modehn: Die Katastrophen-Kirche. In: Publik Forum, 26. Mai 2023, S. 38f.