Edwin Scharff

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Edwin Scharff

Edwin Paul Scharff (* 21. März 1887 in Neu-Ulm; † 18. Mai 1955 in Hamburg) war ein deutscher Bildhauer, Medailleur und Grafiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit 15 Jahren verließ Edwin Scharff seine Heimatstadt Neu-Ulm, um in München an der Kunstgewerbeschule von 1903 bis 1907 in der Malerklasse von Ludwig von Herterich und später an der Königlichen Akademie der Künste das Fach Malerei zu studieren. Im Jahr 1906 entstanden seine ersten Bildhauerarbeiten und 1908 erste Radierungsmappen zum Thema Träume und Skizzen.

Nach einem einjährigen Aufenthalt in Paris im Jahr 1912/13 begegnete er Jules Pascin. Scharff wurde 1913 Gründungsmitglied der Münchener Neuen Secession. Danach wechselte er zur Bildhauerei, womit der Beginn seiner produktivsten Schaffensphase verbunden war. 1919 heiratete er die Schauspielerin Helene Ritscher (1888–1964);[1] aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Es entstanden Gemälde, Skulpturen und Graphiken zum Motiv Liebespaar und nach der Geburt des ersten Kindes zum Thema Mutter und Kind.

Scharff-Gräber auf dem Friedhof Ohlsdorf

1923 wurde Scharff als Professor an die Hochschule für Bildende Künste nach Berlin berufen, wo er zahlreiche öffentliche Aufträge für Denkmäler, Büsten und Medaillen erhielt. 1927 wählten die Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes Edwin Scharff zum Vizepräsidenten.[2] 1931 wurde Edwin Scharff in die Preußische Akademie der Künste berufen[3] und blieb dort als Mitglied bis 1945.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er zunächst an die Kunstakademie Düsseldorf versetzt.[4] Im Mai 1933 trat Edwin Scharff in die NSDAP ein, wurde aber 1938 aus dieser Partei wieder ausgeschlossen.[5] Auf der Reichsausstellung Schaffendes Volk 1937 in Düsseldorf errichtete er für über 100.000 Reichsmark zwei Figuren für den Eingang, die Rossebändiger.[6] Trotz dieser politischen Anpassung wurde Scharff als entarteter Künstler diffamiert, drei seiner Werke wurden im Juli 1937 in der NS-Ausstellung Entartete Kunst verhöhnt[4] und 46 seiner Werke schließlich als Entartete Kunst vernichtet. 1938 wurde er von seinem Lehramt in Düsseldorf beurlaubt und aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen.[7]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Edwin Scharff wieder dem Deutschen Künstlerbund an und war dort von 1951 bis 1955 im erweiterten Vorstand als Jurymitglied tätig.[8] 1955 wurde er als Mitglied in die Akademie der Künste (Berlin) berufen.[9] Ab 1946 unterrichtete Scharff an der Landeskunstschule in Hamburg, 1955 verstarb er in dieser Stadt. Die Platten für die beiden sich gegenüberliegenden Grabstätten Edwin Scharffs und seiner Ehefrau Ilona auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf fertigte seine Schülerin Ursula Querner, vermutlich aus dem Material Trani Perlato.[10]

Auf den Kunstausstellungen documenta 1 (1955) und documenta 2 (1959) in Kassel wurden auch seine Werke der internationalen Öffentlichkeit gezeigt. Der in seinem Todesjahr von der Stadt Hamburg gestiftete jährlich vergebene Edwin-Scharff-Preis erinnert an ihn.

In seiner Geburtsstadt Neu-Ulm wurde im Jahr 1999 das Edwin Scharff Museum eröffnet, das in seiner Dauerausstellung einen umfassenden Überblick über das Werk Scharffs gibt. Im Besitz des Edwin Scharff Museums befinden sich unter anderem zwei Bronzeplastiken der Eltern des Juristen und Kunstsammlers Franz Moufang, eine Büste von Wilhelm Moufang senior und ein Hochrelief-Tondo von dessen Ehefrau Julie Stutzmann aus der Zeit um 1920.[11]

Die 1917 entstandene Skulptur Bildnis der Schauspielerin Anni Mewes ist in Berlin zusammen mit weiteren im Jahr 1937 als entartet beschlagnahmten Skulpturen anderer Künstler beim Berliner Skulpturenfund 2010 wiederentdeckt worden, als an der Rathausstraße gegenüber dem Roten Rathaus im Vorfeld von U-Bahn-Bauarbeiten Rettungsgrabungen durchgeführt wurden.[12]

Werk (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rossebändiger, Düsseldorf
Drei Männer im Boot, Hamburg
Edwin-Scharff-Museum Neu-Ulm

Thematisch bestimmen neben Pferdedarstellungen humanistische Traditionen Scharffs Werk. Seine Formensprache liegt zwischen stilisierender, expressiver und kubisierender Darstellung.

Pferde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Terrakotta-Dose mit Pferd (1914)
  • Denkmal der Pferde (1924)
  • Rossebändiger (ab 1937) im Nordpark in Düsseldorf

Mensch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1912: Stehende
  • 1924–1926; vollendet 1932: Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Neu-Ulm
  • 1926: Kore
  • 1927/1928: Drei Musen - Terpsichore, Polyhymnia, Thalia, Terracotta-Statuen für die Fassade des 1927 eröffneten Phoebus-Palasts in Nürnberg (seit 1974 GNM, Heuss-Hof)
  • 1921–1939: Pastorale
  • 1947: Quellnymphe
  • 1947: Emil Nolde
    war zusammen mit Quellnymphe auf der ersten DKB-Ausstellung 1951 in der HdBK Berlin[13]
  • ohne Jahr: Kolossalbüste des Reichspräsidenten von Hindenburg im Berliner Reichstagsgebäude
  • ohne Jahr: Mutter mit Kind-Trauernde
  • 1952/1953: Drei Männer im Boot, Erstguss in Hamburg, Außenalster; Zweitguss in Neu-Ulm, Rathausplatz

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Edwin-Scharff-Preis der Stadt Hamburg (seit 1955)
  • Eröffnung des Edwin-Scharff-Museums am Petruskirchplatz in Neu-Ulm
  • Im Hamburger Stadtteil Steilshoop ist die Straße Edwin-Scharff-Ring nach dem Künstler benannt.
  • In seiner Geburtsstadt Neu-Ulm erhielt das Kongress- und Veranstaltungszentrum an der Donau den Ehrennamen Edwin-Scharff-Haus.
  • Bronzemedaille Olympische Spiele 1928 Amsterdam Kategorie Bildhauerei

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Edwin Scharff, Einführung von Gottfried Sello, Hamburg, Claassen 1956.
  • Ausstellungskatalog Edwin Scharff zur Ausstellung in der Kestner-Gesellschaft Hannover vom 27. September bis 4. November 1962, Städtische Kunsthalle Mannheim 1962/63, Städtisches Karl-Ernst-Osthaus-Museum Hagen 1963, Kunsthalle zu Kiel 1963, Städtisches Kunstmuseum Duisburg 1963.
  • Ludger Alscher et al.: Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Band IV, Das europäische Buch, Westberlin 1984, ISBN 978-3-88436-112-2, S. 334 f.
  • Helga Jörgens, Siegfried Salzmann (Hrsg.): Edwin Scharff. Retrospektive: Skulpturen – Gemälde – Aquarelle – Zeichnungen – Graphik. Zum 100 Geburtstag des Künstlers. Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm; Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl; Städtische Museen Heilbronn; Kunsthalle Bremen; Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schleswig; Bremen 1987 (Ausstellungskatalog).
  • Helga Jörgens-Lendrum: Der Bildhauer Edwin Scharff (1887–1955). Untersuchungen zu Leben und Werk, mit einem Katalog der figürlichen Plastik, Georg August-Universität, Göttingen 1994.
  • Frank Raberg: Biografisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm 1802–2009. Süddeutsche Verlagsgesellschaft im Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7995-8040-3, S. 354 f.
  • Helga Gutbrod, Edwin Scharff Museum Neu-Ulm (Hrsg.): Edwin Scharff 1887–1955. ‚Form muss alles werden‘, Wienand, Köln 2013, ISBN 978-3-86832-137-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Edwin Scharff – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ritscher, Helene in der Deutschen Biographie
  2. Sammlung Edwin Scharff. Edwin Scharff Museum, abgerufen am 15. April 2024.
  3. vgl. Archiv der Akademie der Künste: Bestand Preußische Akademie der Künste; PrAdK 1315
  4. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 515.
  5. vgl. Persönliche Erklärung Edwin Scharffs in: Archiv der Akademie der Künste: Bestand Preußische Akademie der Künste; PrAdK I/208
  6. Die Rossehalter. In: Die Ausstellung Schaffendes Volk. Abgerufen am 15. April 2024.
  7. vgl. Persönliche Erklärung Edwin Scharffs in: Archiv der Akademie der Künste: Bestand Preußische Akademie der Künste; PrAdK I/208.
  8. Vorstände des Deutschen Künstlerbundes ab 1951. Deutscher Künstlerbund, abgerufen am 15. April 2024.
  9. vgl. Archiv der Akademie der Künste: Akademie der Künste (West), Personalnachrichten; Pers-AdK-W 229
  10. edwin-scharff.de: Die Grabstätte des Ehepaars Scharff. abgerufen am 9. November 2011.
  11. edwinscharffmuseum.de
  12. Kostbare Kunstwerke am Roten Rathaus entdeckt. In: Berliner Morgenpost, 8. November 2010.
  13. Deutscher Künstlerbund 1950. Erste Ausstellung Berlin 1951, Brüder Hartmann, Berlin 1951. Ausstellungskatalog (ohne Seitenangaben).