Franz Koch (Germanist)

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Franz Koch (* 21. März 1888 in Attnang, Oberösterreich; † 29. Dezember 1969 in Tübingen) war ein deutsch-österreichischer Germanist und Literaturhistoriker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Koch studierte an der Universität Wien, wo er sich der Burschenschaft Oberösterreicher Germanen anschloss,[1] Philosophie und Sprachwissenschaft. Seine Promotion erfolgte 1912, seine Habilitation 1925. Ab 1925 war er Privatdozent für neuere deutsche Literaturgeschichte in Wien.

In der Zeit des Nationalsozialismus war Koch von 1935 bis 1945 als Ordinarius für deutsche Literatur- und Geistesgeschichte in Berlin tätig. 1936 gehörte er dem Beirat der Forschungsabteilung Judenfrage innerhalb des NS-Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands an. Nach der Lockerung der Mitglieder-Aufnahmesperre beantragte er am 12. Dezember 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.918.972).[2] Im selben Jahr publizierte er das Buch Goethe und die Juden, das den Text eines Vortrags vor dem Reichsinstitut im Mai 1937 enthielt und im Nationalsozialismus das Bild des angeblich nationalistischen, antisemitischen Dichters maßgeblich förderte.[3][4] Ab 1939 war er Herausgeber des Handbuchs des deutschen Schrifttums. 1940 publizierte er im Zentralverlag der NSDAP das Buch Dichtung und Glaube.[5] Daneben war er Hauptlektor für Neuere Literaturgeschichte beim Amt Schrifttumspflege der Dienststelle von Alfred Rosenberg. Koch gehörte wie Adolf Bartels, Heinz Kindermann, Hellmuth Langenbucher, Peter Walther Linden[6] Arno Mulot, Josef Nadler und Hans Naumann zu den führenden Literaturwissenschaftlern des „Dritten Reiches“, die immer wieder zu einer „neuen ‚nationalsozialistischen Dichtung‘“ aufriefen.[7][8]

Mit Josef Nadler, Karl Justus Obenauer, Walther Wüst und einigen anderen gehörte er zu den wenigen Fällen im Mai 1945 von den Alliierten aus politischen Gründen entlassener Germanistikprofessoren, die in den Jahren darauf keine Wiederzulassung mehr bekamen.[9] Von 1946 bis 1952 lehrte Koch dennoch ohne Ordinariat an der Universität Tübingen. Nach dem Urteil Gerd Simons war Koch „der Prototyp eines nationalsozialistischen Germanisten“ und einer der „krassesten Rassisten“ unter ihnen. Obwohl er nie als Ordinarius an der Universität Tübingen gewirkt hatte, wurde er 1958 gegen den Widerstand der Fakultät hier emeritiert.[10][11]

Kochs bekanntes Werk ist die Deutsche Kultur des Idealismus, die 1935 im Handbuch der Kulturgeschichte erschien.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Kochs Schriften Goethe und die Juden (1937) und Geschichte deutscher Dichtung (1941) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[12][13] In der Deutschen Demokratischen Republik folgte auf diese Liste noch das im Franz-Eher-Verlag erschienene Dichtung und Glaube (1940).[14] Ende Juli 1945 wurde außerdem seine Mitgliedschaft in der vormaligen Preußischen Akademie der Wissenschaften, der er seit 1939 als ordentliches Mitglied angehörte, beendet.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Unsere Toten. In: Burschenschaftliche Blätter, 85. Jg. (1970), H. 10/11, S. 189.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/21500073
  3. Franz Koch: Goethe und die Juden. Hamburg 1937. Zuerst erschienen in Forschungen zur Judenfrage. Bd. 2: Sitzungsberichte der Zweiten Arbeitstagung der Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands vom 12. bis 14. Mai 1937. Hamburg 1937. S. 116–142.
  4. W. Daniel Wilson: Judenfreund, Judenfeind - oder Jude? Goethe und das Judentum im Nationalsozialismus. In: Goethe und die Juden - die Juden und Goethe. Beiträge zu einer Beziehungs- und Rezeptionsgeschichte. Hrsg. von Anna-Dorothea Ludewig, Steffen Höhne. Berlin/Boston: de Gruyter, 2018. ISBN 978-3-11-052803-9. S. 235–253, hier S. 243–246.
  5. Zu seinen Mitgliedschaften und Tätigkeiten vgl. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 320.
  6. 26. Januar 1895 in Barmen - 21. Juli 1943 in Suresnes (im NS-Lazarett). Promotion 1918. Seit 1920 freier 'wissenschaftlicher Schriftsteller' in Leipzig. Ab 1925 Redakteur Zeitschrift für Deutschkunde, ab 1926 bis 1936 zusätzlich Mit-Herausgeber des Blattes. Ab 1. April 1933 Mitglied der NSDAP und der SA. Neben einer Reihe von deutschtümelnden Machwerken zur deutschen Literaturgeschichte, besonders zur Klassik, z. B. Goethe und die deutsche Gegenwart (1932), wollte Linden nationalsozialistische Theorie bilden durch Aufgaben einer nationalen Literaturwissenschaft (1933), eine Schrift, die zur Programmatik der völkischen Literaturgeschichtsschreibung zählt.
  7. Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der Gleichschaltung bis zum Ruin. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2010, S. 390.
  8. Uwe Baur und Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Band 3: Oberösterreich. Böhlau, Wien 2014, S. 270 (library.oapen.org [PDF]).
  9. Christa Hempel-Küter: Germanistik zwischen 1925 und 1955. Studien zur Welt der Wissenschaft am Beispiel von Hans Pyritz. Akademie Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-05-003472-6, S. 115.
  10. Gerd Simon: Zur Tübinger Germanistik nach dem 2. Weltkrieg. In: ders.: Zur Geschichte des ‚Deutschen Seminars‘ der Universität Tübingen. Onlinepublikation o. J. (ab 2000), o. Pag. (S. 4).
  11. Joachim Lerchenmueller u. a.: Im Vorfeld des Massenmords. 3. Aufl. Tübingen 1997, S. 19 f.
  12. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-k.html
  13. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-k.html
  14. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-k.html
  15. Mitglieder der Vorgängerakademien. Franz Koch. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 14. April 2015.