Gabriel von Seidl

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Gabriel von Seidl, Porträt von Franz Würbel
Gabriel von Seidl (um 1900)

Gabriel Seidl, ab 1900 Ritter von Seidl (* 9. Dezember 1848 in München; † 27. April 1913 ebenda), war ein deutscher Architekt und Vertreter des Historismus sowie des bayerischen Heimatstils.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemaliges Atelier, Marsstraße 28, heute Seidlstraße 18

Gabriel Seidl war der erste Sohn Therese Seidls, Tochter des Bierbrauers und Besitzers des Spatenbräus Gabriel Sedlmayr d. Ä., und ihres Mannes, des Bäckers Anton Seidl. Er studierte zunächst Maschinenbau an der Polytechnischen Schule München und arbeitete einige Zeit als Maschinentechniker in England. Dort stellte er fest, dass seine eigentliche Begabung auf dem Gebiet der Architektur lag, woraufhin er ein Architekturstudium an der Münchner Akademie aufnahm (unterbrochen von einem Kriegseinsatz als Freiwilliger im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71). Während des Studiums trat er 1866, wie auch später sein Cousin Gabriel von Sedlmayer, der Studentenverbindung Corps Germania bei. Als Architekt des Corpshauses schmückt sein Porträt zusammen mit dem von Sedlmayer, als Hauptfinanzier, das Vestibül des Corpshauses.[2]

Nach einem längeren Studienaufenthalt in Rom eröffnete er 1878 ein Atelier für Innendekoration. Seidl wurde Mitglied des 1851 gegründeten Münchner Kunstgewerbevereins und fand schnell die Wertschätzung der zugehörigen Künstler: u. a. Lorenz Gedon, Rudolf von Seitz und Fritz von Miller. Durch Verleihung des Bayerischen Kronenordens wurde er 1900 in den Adelsstand erhoben und 1908 zum Ritter des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste ernannt. 1902 gründete er im Künstlerhaus den Isartalverein, um nach der Errichtung der ersten Kraftwerke der Isarwerke die weitere Zerstörung des Isartals durch Boden- und Bauspekulanten zu verhindern. Im selben Jahr war er zusammen mit seinen Architektenkollegen August Thiersch (1843–1917), Hans Grässel (1860–1939) und Franz Zell (1866–1961) maßgeblicher Mitbegründer des Vereins für Volkskunst und Volkskunde in München, der später in Bayerischer Landesverein für Heimatpflege umbenannt wurde.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1890 heiratete Seidl die Förstertochter Franziska Neunzert, aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Sein Bruder Emanuel von Seidl war ebenfalls Architekt und ist sowohl für seine zahlreichen privaten Wohnbauten bekannt wie auch für repräsentative Bauten, etwa das Staatstheater am Gärtnerplatz in München oder die Gebäude der Weltausstellung 1910 in Brüssel. Nach Gabriels Tod führte sein Bruder Emanuel dessen Pläne am Deutschen Museum bis 1919 fort. Die Schwester Therese heiratete in zweiter Ehe den Landschaftsmaler Konrad Reinherz. Der weitere Bruder, der Zuckerbäcker Anton Seidl, ist bekannt für die Prinzregententorte.[3]

Seidl starb 1913 in seinem Wohn- und Bürohaus in München, Marsstraße 28.[4]

Grabstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grab Gabriel von Seidls auf dem Alten Südlichen Friedhof, München, Grabfeld Mauer Links Spitz ML-SP-2/21

Die Grabstätte von Gabriel von Seidl ist ein Ersatzgrab (Original verloren) und befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Grabfeld Mauer Links Spitz ML-SP-2/21 Standort).

Bauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seidl widmete sich unter anderem dem Schlossbau. 1885 wurde nach seinen Plänen das Neue Schloss Büdesheim errichtet. 1894 wurde Seidl von Kaiser Wilhelm II. beauftragt, sich mit einem möglichen Umbau der Burg Hohenzollern im puristischen Stil des Historismus zu beschäftigen. Seidl verzichtete jedoch nach einem Besuch der Burg auf den Auftrag mit den Worten: „Diese Burg ist derart verpfuscht, dass ich nix machen kann als höchstens sie neu bauen – und dann ist es halt keine alte Burg mehr … Das kann i net!“[5] Seidl baute in den Folgejahren für andere Auftraggeber ihre Schlösser um, 1899–1900 beispielsweise das Wasserschloss Schönau.

siehe Liste der Bauten

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Namensgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Gabriel Seidl wurde 1909 in München im Stadtteil Maxvorstadt (Stadtbezirk 3 – Maxvorstadt) (Lage) die Seidlstraße benannt.[6][7][8]

Weitere Straßen, Plätze oder Wege wurden nach Gabriel von Seidl benannt in:

Denkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Denkmal des Isartalvereins für seinen Initiator Gabriel von Seidl

In Pullach wurde 1922[9] vom Isartalverein eine Gedenksäule für seinen Gründer Gabriel von Seidl errichtet. Die Säule befindet sich am Josef-Breher-Weg/Hochleite (Lage). Die Säule ist als Baudenkmal in der Bayerischen Denkmalliste unter Aktennummer D-1-84-139-12 aufgeführt. Die Säule wurde geschaffen vom Bildhauer Julius Seidler und stellt Gabriel von Seidl als St. Georg-Kämpfer für das Isartal dar.

Bauten (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Ort Name Koordinate Bild
1882–1884 Ingolstadt Altes Rathaus
1883–1885 Worms Rathaus (zus. m. Ludwig Euler), Hagenstraße Standort
1884–1885 Berlin Ausschank der Brauerei Zum Spaten von Gabriel Sedlmayr
Friedrichstr. 172
Standort
(zerstört)
1885 Büdesheim (Schöneck) Neues Schloss Büdesheim Standort
Neues Schloss Büdesheim
Neues Schloss Büdesheim
1887–1891 München Lenbachvilla Standort
Lenbachvilla
Lenbachvilla
1887–1889 München Villa des Malers Friedrich August von Kaulbach Standort
Kaulbach-Villa
Kaulbach-Villa
1888 München Wohnhaus am Bavariaring 17 Standort
Bavariaring 17
Bavariaring 17
1888 München Wohnhaus am Bavariaring 24 Standort
Bavariaring 24
Bavariaring 24
1888–1891 Darmstadt Heylshof, Stadtpalais für Maximilian von Heyl[10]
(zerstört)
1890 Oberschleißheim Wohnhaus des Heraldikers Otto Hupp Standort
Wohnhaus Hupp
Wohnhaus Hupp
1891 Worms-Herrnsheim Gottliebenkapelle, Gruftkapelle der Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim Standort
Gottliebenkapelle Herrnsheim
Gottliebenkapelle Herrnsheim
1893–1896 Ramholz Schloss Ramholz Standort
Schloss Ramholz
Schloss Ramholz
1893–1898 Repten bei Tarnowitz Schloss Repten der Grafen Henckel von Donnersmarck Standort,
zerstört[11]
Schloss Repten
Schloss Repten
1893–1900 München Künstlerhaus am Lenbachplatz Standort
Künstlerhaus
Künstlerhaus
1894 München-Lehel St.-Anna-Brunnen Standort
St.-Anna-Brunnen
St.-Anna-Brunnen
1894–1899 München Bayerisches Nationalmuseum Standort
Bayerisches Nationalmuseum
Bayerisches Nationalmuseum
1895 Obenhausen Mausoleum der Grafen Moy de Sons[12] Standort
Mausoleum
Mausoleum
1887–1892 München St. Anna im Lehel Standort
St. Anna im Lehel
St. Anna im Lehel
1897–1898 München Hildebrandhaus Standort
Hildebrandhaus
Hildebrandhaus
1899–1900 München Rondell am Stachus Standort
Stachus
Stachus
1899–1900 Schönau (Rottal) Wasserschloss Schönau Standort
Schloss Schönau
Schloss Schönau
1900 Bergisch Gladbach Schloss Lerbach Standort
Schloss Lerbach
Schloss Lerbach
1900–1901 Bad Tölz Gutshof in Kirchbichl Standort
1901–1903 München-Westend St. Rupert Standort
St. Rupert
St. Rupert
1901–1903 München Senioren- und Pflegeheim Vincentinum, Oettingenstr. 16 Standort
Vincentinum
Vincentinum
1903 Schloss Liebenberg (Brandenburg) Turm der Schlosskirche Liebenberg[13] Standort
Schlosskirche Liebenberg
Schlosskirche Liebenberg
1903–1904 Bad Tölz Neues Rathaus (seit 1979 Heimat- und Bürgerhaus), Umgestaltung Standort
Heimat- und Bürgerhaus
Heimat- und Bürgerhaus
1903–1905 München Ruffinihäuser am Rindermarkt Standort
Ruffinihaus
Ruffinihaus
1904–1905 München Geschäftshaus Brienner Straße 25, ehemals Kunsthandlung Julius Böhler Standort
Brienner Straße 25
Brienner Straße 25
1904–1908 Neubeuern Schloss Neubeuern, Neubau des Mitteltrakts[14] Standort
Schloss Neubeuern
Schloss Neubeuern
1904–1908 Steinach Neues Schloss Steinach Standort
Neues Schloss Steinach
Neues Schloss Steinach
1905 Bad Tölz Marienstift, Umgestaltung Standort
Marienstift
Marienstift
1905–1907 Düsseldorf Wohnhaus der Kunstsammlerin Elodie Puricelli, Königsallee 49 Standort
Königsallee 49
Königsallee 49
1905–1906 Obenhausen Gasthaus Blaue Traube[15] Standort
Blaue Traube
Blaue Traube
1906 Bad Tölz Hotel Kolbergarten Standort
Hotel Kolbergarten
Hotel Kolbergarten
1906–1907 München Corpshaus des Corps Germania München Standort
Corpshaus
Corpshaus
1906 München Deutsches Museum (1906 begonnen, Ausführung bis 1919 von Emanuel von Seidl betreut, 1925 fertiggestellt) Standort
Deutsches Museum
Deutsches Museum
1907 Stepperg bei Rennertshofen Pfarrkirche St. Michael (Turm von 1731 beibehalten) Standort
Pfarrkirche St. Michael
Pfarrkirche St. Michael
1907 Speyer Historisches Museum der Pfalz Standort
Historisches Museum
Historisches Museum
1908 München Bavariapark, Umgestaltung Standort
Bavariapark
Bavariapark
1909–1913 Bremen Neues Rathaus Standort
Neues Rathaus
Neues Rathaus
1911–1912 München Wohn- und Geschäftshaus A. S. Drey Standort
A. S. Drey
A. S. Drey
1913 Bayrischzell Rosenkranzkapelle Standort
Rosenkranzkapelle
Rosenkranzkapelle
1914 Bad Tölz Kurhaus[16] Standort
Kurhaus
Kurhaus
1913/14 Bad Heilbrunn Parkvilla (Landhaus Höck) Standort
Parkvilla
Parkvilla

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gabriel von Seidl 1. Ein Architekt prägt München. Dokumentarfilm, Deutschland, 2004, 45 Min., Buch und Regie: Bernhard Graf, Produktion: Bayerischer Rundfunk, Reihe: Faszination Kunst, Inhaltsangabe von ARD.
  • Gabriel von Seidl 2. Architekt des bayerischen Heimatstils. Dokumentarfilm, Deutschland, 2004, 45 Min., Buch und Regie: Bernhard Graf, Produktion: BR, Reihe: Faszination Kunst, Inhaltsangabe von ARD.
  • Video bei ARD-Alpha, 16 Min. (Online bis 4. Mai 2022) Geschichten Großer Geister: Faszination der Technik. Carl von Linde (1842–1934), Ingenieur und Unternehmer, Oskar von Miller (1855–1934/Gründer des Deutschen Museums und Elektrotechniker), Gabriel von Seidl (1848–1913/Architekt) diskutieren auf einer Bühne im alten Südlichen Friedhof.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gabriel von Seidl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sabrina Schwenger: Der Giebl-Gabi und seine Bauten. Ausstellungen zum 100. Todestag des Architekten Gabriel von Seidl in Bad Tölz und München. In: Bayerische Staatszeitung, 26. April 2013.
  2. Aktuelles – Corps Germania. Abgerufen am 12. November 2019.
  3. Barbara Reitter-Welter: Vom Bürgerhaus zum Haus für Bürger. Die Schwabinger Seidl-Villa feiert ihren 100. Geburtstag. In: Welt am Sonntag, 5. Juni 2005; abgerufen am 20. März 2021.
  4. Chronik. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 3, Juni 1913, S. 129 (zlb.de – Kurzer Nachruf).
  5. Burg Hohenzollern: Wo Hollywood an Deutschland grenzte. In: FAZ, 3. Dezember 2017; abgerufen am 4. Dezember 2017
  6. Seidlstraße in München Maxvorstadt. Abgerufen am 16. Oktober 2022.
  7. München Wiki: Zur Namensgebung der Seidlstraße in München. Abgerufen am 11. August 2022.
  8. H. Dollinger: Die Münchner Straßennamen. muenchenverlag, München 2016, ISBN 978-3-7630-4039-1, S. 290, Seidlstraße, seit 1910. Gabriel von Seidl als alleiniger Namensgeber aufgeführt
  9. D. Gribl: Für das Isartal - Chronik des Isartalvereins, Buchendorfer, München 2002, ISBN 3-934036-71-6, S. 61–62, Aufstellung des Denkmals beschrieben.
  10. Ferdinand Werner: Gabriel von Seidl und die Villa Rotanda. In: INSITU. Zeitschrift für Architekturgeschichte, 2, 2/2010, S. 231–242.
  11. Maria Marciniak: Przyczynki do historii Pałacu w Reptach. In: Montes, Nr. 45, September 2010 (polnisch), montes.pl (Memento vom 6. August 2016 im Internet Archive) Montes Tarnovicensis
  12. Bayerische Denkmalliste, Aktennummer D-7-75-118-30
  13. Eintrag im Denkmalverzeichnis des Landes Brandenburg (Memento vom 31. Januar 2016 im Internet Archive)
  14. Unsere Geschichte. In: Internatsschule Schloss Neubeuern, aufgerufen am 6. Februar 2016.
  15. Bayerische Denkmalliste, Aktennummer D-7-75-118-22
  16. Karl Bock: Thema im Tölzer Stadtrat: Zukunft des Kurhauses. 2. Oktober 2021, abgerufen am 4. Oktober 2021.