Gau (Ägypten)

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Gau in Hieroglyphen
Altes Reich
N24
X1 Z1

sepat
sp3.t
Gau / Bezirk[1]
Griechisch νόμος nomos
Sahidisches Koptisch ⲧⲟϣ toš
Bohairisches Koptisch ⲑⲟϣ thoš
Die 22 oberägyptischen Gaue

Die Gaue waren im alten Ägypten über Jahrtausende gültige Verwaltungsbezirke entlang des Nils, die das gesamte Kernland umfassten. Es handelt sich um die Übersetzung des griechischen Wortes nomos, das in antiken Quellen für die altägyptischen Verwaltungseinheiten benutzt wurde.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hervorgegangen sind die Gaue wohl weniger aus lokalen Fürstentümern des Neolithikums als aus den Einzugsgebieten der königlichen Domänen unter Djoser. Im Alten Reich gab es 38 Gaue, die später um vier weitere ergänzt wurden. Im Verlaufe der langen Geschichte Ägyptens waren die Gaue und ihre Vorsteher (Gaufürsten) mehr oder weniger unabhängig von der Zentralmacht des Königs (Pharao). Aus den Texten der Diagonalsternuhren geht hervor, dass jeder der Dekane einen altägyptischen Gau symbolisiert und die Gottheit des jeweiligen Dekans einem Gau zugeteilt war.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zusammenschluss der Familien, Horden und Stämme zu Gauen hatte entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Glaubens, zunächst für die niederen Geister und Dämonen, später auch die Gottheiten. Fast jeder Gau hatte ein eigenes Wappen in Form einer Standarte und eine lokale Gottheit mit ihrem eigenen Mythos, die besonders verehrt wurde und dafür ihren Schutz gewährte.

Die älteste erhaltene „Gauliste“ befindet sich an der „Weißen Kapelle“ des Sesostris I. in Karnak, doch gibt es für die Gaue einzeln bereits frühere Belege (z. B. Weltkammer).

Aus griechisch-römischer Zeit finden sich weiterhin Aufzählungen der 42 kanonischen Gaue[2] (beispielsweise im Tempel von Edfu), doch dürfte die tatsächliche Zahl im Jahr 259 v. Chr. bei 36 gelegen haben.[3] Jeder Gau (Nomos) unterstand einem Strategen. Als weitere Verwaltungsbezirke kamen noch der Fayum als Nomos Arsinoites hinzu, der aufgeteilt wurde in die vier Teilgebiete (Meris) von Herakleides, Themistos, Polemon und der Hauptstadt Arsinoe. Dazu in der westlichen Wüste die Bezirke Oasis Magna (Charga und Dachla), Oasis Parva (Bahariyya) und Ammoniake (Oase Siwa), sowie im Osten Sinai und Aethiopia am Roten Meer. Alexandria war ein eigenständiger Bezirk außerhalb des Gausystems.

Gauzeichen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gauzeichen dienten ursprünglich wohl zur Unterscheidung der Lieferungen von den verschiedenen königlichen Domänen. Dabei lassen sich zwei Gruppen von Zeichen unterscheiden: Die älteren, stets auf Standarten präsentierten Gauzeichen beziehen sich vermutlich auf Gottheiten (Numina) in der Nähe der jeweils ältesten Domäne eines Bereichs (nicht unbedingt den späteren Gaugott). Die späteren, zwischen Djoser und Snofru geschaffenen und ursprünglich ohne Standarte präsentierten Gauzeichen sind großteils ausgeschriebene Geographika wie Nubierland (O01), Horus-Thron (O02) oder weiße Mauer (U01).

Oberägyptische Gaue[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nr ägypt. Name griech. Name Beschreibung Hauptstadt heute
(antik; griechisch)
Orts-/Gaugötter
O01
𓈶
Ta-seti Ombites Nubierland Assuan
(Suenet/Jeb/Nybt; Syene/Elephantine/Ombos)
Chnum, Satet (Sopdet), Anuket, Isis, Nephthys, Horus, Osiris, Seth
O02
𓈷
Wetjes-Hor Apollonopolites Horus-Thron-Gau, Falkengau Edfu
(Behdet/Mesen/Saboet; Apollonopolis Magna)
Behdeti
O03
𓈸
Nechen Latopolites Landeplatz, Festungsgau Elkab/Kom el-Ahmar
(Nechab/Nechen; Hierakonpolis)
Nechbet, Chnum
O04
𓈹
Waset Pathyrites / Peri Thebas Gau des Was-Zepters Armant + Theben
(Iunu-shema + Waset; Hermontis + Thebai)
Month, Amun, Amun-Re, Amun-Min, Amun-Atum, Amun-Chepre, Mut, Chons, Hathor, Buchis
O05
𓈺
Netjerui Koptites Zwei-Falken-Gau, Gau der beiden Herren Koptos/Quift
(Gebtu; Koptos)
Seth, Min
O06
𓈻
Iqer Tentyrites Krokodilgau Dendera
(Onet; Tentyra)
Hathor, Ihi, Sobek, Harsomtus
O07
𓈼
Bat Diospolites Mikros Gau der weiblichen Seele Nag Hammadi
(Hu/Hiw; Disospolis mikra)
Hathor, Bat
O08
𓈽
Ta-wer Thinites „Ältestes Land“ Girga/Abydos
(Tine/Abdu; Thinis/Abydos)
Anhuret (Onuris, Schu), Osiris, Chontamenti, Upuaut
O09
𓈾
Menu Panopolites Min-Gau, Gau der guten Seele Achmim
(Ipu/Chenet Min; Panopolis)
Min, Iunmutef, Horus von Chemmis
O10
𓈿
Wadjit Antaiopolites / Aphroditopolites / Apollonopolites Schlangengau Qaw el-Kebir/el-Badari
(Tjebu; Antaeopolis)
Wadjet, Nemti, Seth, Mahes
O11
𓉁
Scha Hypselites Seth-Tier-Gau Shutb
(Schas-hotep; Hypselis)
Seth, Horus
O12
𓉃
Atfet (zu O10) Bergviper-Gau El-Atawlah
(Per-antj; Hierakon)
Nemti
O13
𓉄
Nedjefet-Chentet Lykopolites vorderer Sykomorengau Assiut
(Saut/Siut, Ja-Kemet; Lykonpolis)
Upuaut, Chontamenti, Osiris
O14
𓉅
Nedjefet-pehetet (zu O15) hinterer Sykomorengau Meir
(Qis; Cusae)
Hathor
O15
𓉆
Wenet Hermopolites Hasengau El-Aschmunein
(Wenu, Chemen/Chmunu; Hermopolis Magna)
Thot, Seschat, Imi-schemenu, Unut, die „Achtheit von Hermopolis
O16
𓉇
Ma-hedj (zu O15) Antilopengau, Gazellengau südl. Minia gelegen
(Hebenu, Herwer, Neferusi, Menat-Chufu)
Hebenu, Pachet, Chnum, Horus
O17
𓉈
Input Kynopolites Schakalgau, Hundsgau Minia
(Henu, Hardai; Kynopolis)
Anubis
O18
𓉉
Nemti, Per-Nemti (zu O17) Falkengau (Nemti-Falke) Kom el-Ahmar Sawaris Dunanui, Nemti
O19
𓉋
Wabui Oxyrhynchites Wabu-Zepter, Doppelzepter-Gau Bahnasa/Beni Mazar
(Per Medjet; Oxyrhynchos)
Seth
O20
𓉌
Noret-chentet Herakleopolites vorderer Baumgau, Oleanderbaumgau, Naretbaumgau Ehnasya
(H.t-nen Nesut/Hnês; Herakleopolis)
Herischef
O21
𓉍
Noret-pehet (zu U01) hinterer Baumgau, Oleanderbaumgau, Naretbaumgau Fayyum
(Schedet; Arsinoe/Krokodilopolis)
Sobek (Maga), Sobek-Horus
O22
𓉎
Medenit Aphroditopolites Messergau Atfih
(Per-nebet-tep-ichu; Aphroditopolis)
Hathor

Unterägyptische Gaue[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 20 unterägyptischen Gaue
Nr ägypt. Name griech. Name Beschreibung Hauptstadt heute
(antik; griechisch)
Orts-/Gaugötter
U01
𓈠
Inbu-hedj Memphites[4] „Weiße Mauer“ Mit Rahine
(Men nefer, evtl. Hot-Ka-Ptah; Memphis)
Ptah, Ptah-Tatenen, Ptah-Sokar, Ptah-Nun, Apis (Hapi), Sachmet, Nefertem, Imhotep, Hathor
U02
𓈡
Chepesch (?) Letopolites Iua/Iwa/Iwo, Schenkelgau Ausim
(Letopolis, Chem, Sechem)
Cherti
U03
𓈢
Imentet Gynaikopolites Westgau Kom el-Hisn
(Jamu; -)
Hathor
U04
𓈣
Neret-reset Prosopites südlicher Neith-Gau; von U05 abgespalten Zawyat Razin
(-; Nikiou)
Neith, Behdeti, Osiris
U05
𓈤
Neret-mehetet Saites (nördlicher) Neith-Gau Sais
(Saw, Sau; Sais)
Neith, Behdeti, Osiris
U06
𓈦
Chasuu Xoites Bergstiergau Sacha
(Pe/Dep, Per Uto; Buto)
Uto, Re
U07
𓈧
Wa-em-Huu-ges-imenti Menelaites westlicher Harpunengau ?
(Besta; Menelaos)
Ha
U08
𓈨
Wa-em-Huu-ges-iabti Heroopolites östlicher Harpunengau Tjeku
(Per Atum; hebräisch Pitom)
Atum, Osiris
U09
𓈩
Anedjti Bousirites Gau des Gottes vom Weidegebiet Abu Sir Bana
(Per Osiris/Anedjti; Busirites, Busiris)
Osiris, Isis
U10
𓈪
Kemwer Athribites Großer Schwarzer Stier-Gau Kom El-Atrib
(Kem-wer; Athribis)
Chentechtai
U11
𓈫
Hesbu Leontopolites Gau des gezählten Stieres Tell el-Muqdam
(- ; Leontopolis)
Schu, Tefnut, Mahes
U12
𓈬
Tjeb-netjer Sebennytes Gau des göttlichen Kälbchens Samanud
(Tep-netjer; Sebennytos)
Isis, Schu, Onuris
U13
𓈭
Heqa-ondju Heliopolites Gau des unversehrten Zepters El-Mataria
(Iunu/On; Heliopolis)
Atum, Re, Re-Harachte, Mer-wer (schwarzer Mnevis-Stier), Hathor, Benu, Thot
U14
𓈮
Chenti-iabti Sethroites Vorderseite des Ostens Sile
(Tjaru; Sethroe)
Horus, Uto, Seth
U15
𓈯
Djehuti (zu U16) Ibisgau Baklije
(Wenu; Hermopolis)
Thot, Achtheit von Hermopolis
U16
𓈰
Hat-Mehit Mendesios Fischgau Tell Roba
(Anpet und Dedet; Thmuis und Mendes)
Hatmehit, Ba-Widder von Mendes
U17
𓈱
Behdet Diospolites Kato Throngau; von U12 abgespalten Nördliches Behdet
(Pa-ju-en-Amun; Insel des Amun, auch Waset-mehu; Theben in Unterägypten)
Behdeti
U18
𓈳
Imet-chentet Boubastites vorderer Königskind-Gau; von U13 abgespalten Bubastis
(Baset; Boubastis)
Bastet, Nefertem
U19
𓈴
Imet-pechet Tanites hinterer Königskind-Gau; von U18 abgespalten Tanis
(Imet/Djanet; Tanis)
Wadjet
U20
𓈵
Sopdu Arabia Sopdu-Gau; von U08 abgespalten Saft el-Henna
(Per-Sopdu; Phakusa)
Sopdu

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans-Christian Dirscherl: Der Gaustratege im römischen Ägypten. Seine Aufgaben am Beispiel des Archiv-, Finanz- und Bodenwesens und der Liturgien. Entstehung, Konsolidierung, Niedergang? 30 v. Chr. – 300 n. Chr. (= Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike. Band 16). Scripta-Mercaturae-Verlag, St. Katharinen 2004, ISBN 3-89590-131-8 (Zugleich: Regensburg, Univ., Diss., 2000).
  • Henri Gauthier: Les nomes d'Égypte depuis Hérodote jusqua'à la conquête arabe (= Mémoires de l'Institut d'Egypte. Band 25, ZDB-ID 447998-1). Institut Français d'Archéologie Orientale, Kairo 1935. MIE 25 – Internet Archive (Tableau).
  • Wolfgang Helck: Die altägyptischen Gaue (= Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Beihefte: Reihe B: Geisteswissenschaften. Band 5). Reichert, Wiesbaden 1974, ISBN 3-920153-27-8.
  • Wolfgang Helck in Lexikon der Ägyptologie. Band 2: Erntefest – Hordjedef. Harrassowitz, Wiesbaden 1977, ISBN 3-447-01876-3, Stichwort Gaue (Spalten 385–408), Gauverwaltung (Sp. 420–422), Gauzeichen (Sp. 422–426).
  • Eva Martin-Pardey: Untersuchungen zur ägyptischen Provinzialverwaltung bis zum Ende des Alten Reiches (= Hildesheimer Ägyptologische Beiträge. Band 1). Hildesheim 1976.
  • Eva Martin-Pardey: nome structure. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 573–74.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gau (Ägypten) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch. (2800–950 v. Chr.) (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Band 64 = Hannig-Lexica. Band 1). Marburger Edition, 4. überarbeitete Auflage, von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, S. 749.
  2. Die Zahl wird bisweilen mit den 42 Totenrichtern aus dem Totenbuch in Verbindung gebracht, so etwa von Georg Steindorff: Die ägyptischen Gaue und ihre politische Entwicklung. In: Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 57, 1909, S. 876.
  3. Werner Huß: Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs (= Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte. Heft 104). Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62915-0, S. 91 bzw. Abs. 188 (Papyrus Revenue Laws).
  4. Schloss den alten oberägyptischen Gau 21 mit ein.