Geitonogamie

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Als Geitonogamie (von griechisch γείτων geiton, deutsch ‚Nachbar‘ und γαμεῖν gamein, deutsch ‚heiraten‘) oder Nachbarbestäubung, auch Geitenogamie, wird die Bestäubung einer Blüte mit dem Pollen einer anderen Blüte derselben Pflanze bezeichnet. Der Begriff wurde erstmals 1876 von Anton Kerner von Marilaun verwendet.[1] Führt die Nachbarbestäubung zur Befruchtung, nennt man dies Geitonokarpie.

Genetische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Genetisch gesehen hat eine Nachbarbestäubung mit erfolgreicher Befruchtung den gleichen Effekt wie die Selbstbestäubung, denn die Allelkombinationen in der Zygote werden nur infolge der meiotischen Teilungen bei der Bildung der männlichen und weiblichen Gameten etwas unterschiedlich, sie sind jedoch nicht so unterschiedlich wie bei einer Fremdbestäubung mit dem Pollen eines anderen Pflanzenindividuums. Daher ist eine Neukombination genetischen Materials nur in einem deutlich geringeren Umfang möglich.

Gleichwohl wird die Geitonogamie von den maßgeblichen Fachautoren der Selbstbestäubung zugeordnet. Im Lehrbuch der Botanik (begründet von Eduard Strasburger) schreibt Friedrich Ehrendorfer im Kapitel Spermatophyta: „Selbstbestäubung (Autogamie; entweder innerhalb einer Blüte oder zwischen verschiedenen Blüten: Nachbarbestäubung, Geitonogamie; [...])“.[2][3] Auch Werner Rothmaler stellt die Geitonogamie in seinem Buch Exkursionsflora zur Selbstbestäubung.[4]

Bestäubungsmechanismen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geitonogamie kann spontan, das heißt ohne die Beteiligung äußerer Einflüsse; wie Wind, Wasser oder Tiere, durch Berührung mit dem Pollen von Nachbarblüten erfolgen. Hierbei kann zum einen der verlängerte Griffel der einen Blüte den Pollen der benachbarten Blüte erreichen, zum anderen kann herabfallender Pollen auf Narben anderer Blüten der Pflanze gelangen. Diese Form der Geitonogamie ist häufig bei Pflanzen mit Blütenkörbchen oder Blütendolden anzutreffen, wie zum Beispiel den Korbblütlern, Doldenblütlern und Hartriegelgewächsen.[5] Sie kann aber auch durch äußere Einflüsse wie Wind, Wasser oder Tiere z. B. Insekten, Fledermäuse Vögel geschehen.[6]

Faegri und Van Der Pijl bezeichnen die Nachbarstäubung als direkt, ohne äußere Einflüsse, wenn sie durch mehr oder weniger permanenten Blütenkontakt geschieht, dies wird auch als Haptogamie bezeichnet, als indirekt, wenn Pollen durch äußerer Einflüsse übertragen wird.[7]

Die Nachbarbestäubung vollzieht sich normalerweise in der geöffneten Blüten (Chasmogamie). Die Geitonogamie und die Autogamie werden unter der Individual- bzw. Eigenbestäubung (Idiogamie, inbreeding) zusammengefasst.[8][9]

Die morphologischen Anpassungen, die die Selbstbestäubung innerhalb einer Blüte verhindern oder zumindest reduzieren können, wie etwa Herkogamie, Dichogamie, sind bei der Geitonogamie wirkungslos. Hier kann nur eine genetische Selbstinkompatibilität die Befruchtung verhindern.

Eine seltene, spezielle Form bildet die interne Geitonogamie, sie tritt bei den Callitrichaceae auf, wo der Pollenschlauch innerhalb der Anthere keimt und durch das Achsengewebe bis zu den weiblichen Blüten wächst.[10]

Begriffsverwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der neueren Fachliteratur wird der Begriff Geitonogamie auch bei der Bestäubung von durch vegetative Vermehrung entstandenen und daher genetisch identischen Klonen angewandt.[11][12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. A. Kerner: Die Schutzmittel der Blüthen gegen unberufene Gäste. Wien 1876, S. 6, online auf darwin-online.org.uk, abgerufen am 2. Januar 2018.
  2. Peter Sitte, Hubert Ziegler, Friedrich Ehrendorfer und Andreas Bresinsky (Hrsg.): Lehrbuch für Botanik für Hochschulen. 34. neubearbeitete Auflage. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, Lübeck, Ulm 1998, 692.
  3. Joachim W. Kadereit, Christian Körner, Benedikt Kost, Uwe Sonnewald: Strasburger Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften. Springer, Berlin / Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-54435-4, S. 165, doi:10.1007/978-3-642-54435-4.
  4. Eckehart J. Jäger (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. Begründet von Werner Rothmaler. 20., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8274-1606-3, S. 26.
  5. Walter Durka: Blüten- und Reproduktionsbiologie. Schriftenreihe für Vegetationskunde, H. 38, Bundesamt für Naturschutz, Bonn 2002, S. 133–175, Volltext (Memento vom 13. April 2018 im Internet Archive) (PDF; 532 kB).
  6. K. Giesenhagen: S. 77.
  7. K. Faegri, L. Van Der Pijl: Principles of Pollination Ecology. Third Revised Edition, Pergamon Press, 1979, 1980 Rev. Edition, ISBN 0-08-021338-3, S. 140, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  8. R. Rieger, A. Michaelis: Genetisches und cytogenetisches Wörterbuch. 2. Auflage, Springer, 1958, ISBN 978-3-642-53221-4, S. 12, 264.
  9. Hans Kugler: Blütenökologie. Fischer, 1970, S. 33.
  10. C. Thomas Philbrick und Luis M. Bernardello: Taxonomic and Geographic Distribution of Internal Geitonogamy in New World Callitriche (Callitrichaceae). In: American Journal of Botany. Band 79, Nr. 8, 1992, S. 887–890, JSTOR:2444998.
  11. Amy S.G. Wilson, Bart J. van der Kamp, Carol Ritland: Opportunities for geitonogamy in the clonal herb Maianthemum dilatatum. In: Canadian Journal of Botany. Band 83, Nr. 9, 2005, doi:10.1139/b05-096.
  12. Christopher G. Eckert: Contributions of Autogamy and Geitonogamy to Self-Fertilization in a Mass-Flowering, Clonal Plant. (Memento vom 2. Oktober 2021 im Internet Archive) In: Ecology. Band 81, Nr. 2, 2000, S. 532–542, doi:10.1890/0012-9658(2000)081[0532:COAAGT]2.0.CO;2.