Gendarmerie d’Haïti

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Haitian Gendarmerie
Faustin Wirkus

Die Gendarmerie d´Haïti war eine haitianische Gendarmerie, die im Dezember 1915 während der US-Militärintervention in Haiti vom United States Marine Corps als Kolonialpolizei gegründet wurde. Sie wurde neben rein polizeilichen und Verwaltungsaufgaben hauptsächlich zur Bekämpfung von Aufständischen (so genannten „cacos“) eingesetzt, die sich der Besatzungsherrschaft widersetzten. Erster und bekanntester Gendarmerie-Kommandeur war Major Smedley D. Butler, der in dieser Funktion den Rang eines haitianischen Generalmajors innehielt. 1927 wurde die Truppe in Garde d´Haiti umbenannt, die wiederum als Kern der späteren haitianischen Streitkräfte diente.

Gründung und Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haitian Gendarme

Gegründet wurde die Gendarmerie im Dezember 1915 als Instrument der von den USA gegründeten Übergangsregierung, da die haitianische Armee und die lokalen Polizeien von der Besatzungsmacht aufgelöst worden waren und der Polizeidienst lediglich provisorisch durch die Marinesoldaten versehen wurde. Ab Februar 1916 war die Gendarmerie unter Butler einsatzbereit. Butler hatte bereits während der US-Militärintervention in Nicaragua gedient.

Die Offiziere der Gendarmerie wurden bis weit in die 1920er Jahre durch Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade der Marines und der US Navy gestellt, die für den Zeitraum ihrer Dienstzeit einen weitaus höheren haitianischen Dienstgrad erhielten und zusätzlich zum amerikanischen Sold von der haitianischen Regierung finanziert wurden. Die Mitglieder der Gendarmerie wurden vorzugsweise aus der schwarzen haitianischen Bevölkerung rekrutiert, da die mulattische Oberschicht anfänglich den Dienst aus patriotischen oder sozialen Gründen ablehnte. Die Besoldung der haitianischen Gendarmen betrug zwischen $ 10.00 und $ 25,00 monatlich.

Die Gendarmerie war ein wichtiger Faktor der US-amerikanischen Besatzungsherrschaft. Vor allem entlastete sie das Marine Corps, das sich darauf beschränken konnte, nur noch in den Städten Dienst zu versehen. 1919 wurde eine Spezialeinheit, die „Provisional Company A“, gegründet. Die Kompanie war nicht fest stationiert, sondern operierte im ganzen Staatsgebiet. Sie wurde zeitweise von Hauptmann „Chesty“ Puller geführt; eines ihrer haitianischen Mitglieder, Leutnant Augustin Brunot, war der erste haitianische Gendarmerie-Offizier.

Stärke, Uniform und Bewaffnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1927 betrug die Stärke der Truppe 160 Offiziere, 2.533 Gendarmen und 551 Landpolizisten. Selbst zehn Jahre nach der Gründung waren von 160 Gendarmerie-Offizieren lediglich 40 Haitianer.

Die khakifarbene Uniform entsprach dem zeitgenössischen Felddienstanzug des Marine Corps einschließlich Gamaschen und Buschhut ohne die US-amerikanischen Abzeichen. Die Bewaffnung bestand aus dem Krag-Jørgensen-Gewehr.

Zweiter Caco-Krieg 1918–1920[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während die im Aufbau befindliche Gendarmerie im Ersten Caco-Krieg 1915 noch nicht zum Einsatz gekommen war, spielte sie eine Schlüsselrolle im Zweiten Caco-Krieg 1918–1920, der von haitianischer Seite von Charlemagne Péralte geführt wurde.

Teilnahme an den Olympischen Spielen 1924[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das haitianische Team bei der Olympiade 1924 in Paris bestand ausschließlich aus Gendarmen und gewann die Bronzemedaille im Freihandschießen.

Auflösung, Vorbildfunktion für andere Streitkräfte und Konzepte zur Aufstandsbekämpfung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haitian gendarmerie officers

1927 wurde die Gendarmerie aus politischen Gründen in „Garde d´Haïti“ umbenannt, da der Begriff Gendarmerie als Provokation empfunden wurde. Sie blieb bis zum Abzug der USA 1934 de facto unter US-amerikanischer Kontrolle

In Nicaragua wurde die haitianische Gendarmerie 1927 zum Vorbild für die Guardia Nacional de Nicaragua im Kampf gegen den aufständischen liberalen General Augusto César Sandino, in der Dominikanischen Republik 1916 für die Guardia Nacional Dominicana. Letztere wurde gegen die gavilleros eingesetzt; Aufständische, die von den USA grundsätzlich als Banditen bezeichnet wurden. Die haitianischen Erfahrungen flossen auch in das Small Wars Manual ein, das 1940 in seiner endgültigen Form vom Marine Corps herausgegeben wurde.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jonathan M. Katz: Gangsters of Capitalism – Smedley Butler, the Marines, and the Making and Breaking of America's Empire, New York (NY): St. Martin’s Press 2022. ISBN 978-1-250-13558-2.
  • Faustin Wirkus: The White King of La Gonâve, Garden City, NY 1931.
  • James H. MacCrocklin: Garde d’Haiti 1915–1934. 20 years of organization and training by the U. S. Marine Corps, Annapolis, MD 1956.
  • Lester D. Langley: The Banana wars. United States intervention in the Caribbean, 1898–1934, Chicago 1988. ISBN 0-256-07020-2. Ursprünglich veröffentlicht unter dem Titel The banana wars. An inner history of American empire, 1900–1934, Lexington, KY 1983. ISBN 0-8131-1496-9
  • Ivan Musicant: The banana wars. A history of United States military intervention in Latin America from the Spanish-American War to the invasion of Panama, New York 1990. ISBN 0-02-588210-4.
  • Hans Schmidt: The United States Occupation of Haiti, 1915–1934, New Brunswick, N.J. 1995. ISBN 0-8135-2203-X.
  • Mary A. Renda: Taking Haiti. Military occupation and the culture of U.S. imperialism, 1915–1940, Chapel Hill 2001. ISBN 978-0-8078-2628-7.
  • Leo J. Daugherty III: Counterinsurgency and the United States Marine Corps. The first counterinsurgency era 1899–1945, Jefferson, NC 2015. ISBN 978-0-7864-9698-3
  • Alan McPherson: A short history of U.S. interventions in Latin America and the Caribbean, Chichester, West Sussex, UK/Malden, MA 2016. ISBN 978-1-118-95399-0. ISBN 978-1-118-95400-3