Geschwindigkeitsgradient

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Der (räumliche) Geschwindigkeitsgradient (Formelzeichen l oder L, Dimension T -1) ist in der Kontinuumsmechanik ein Mittel zur Beschreibung der lokalen Verformungsgeschwindigkeit eines Körpers. Der Körper mag fest, flüssig oder gasförmig sein und der Begriff der Verformung wird hier so weit gefasst, dass auch das Fließen einer Flüssigkeit und das Strömen eines Gases darunter fallen. Als Gradient bemisst der Geschwindigkeitsgradient die örtlichen Änderungen des Geschwindigkeitsfeldes. In kartesischen Koordinaten hat er die Form:

Die Komponenten sind die Geschwindigkeitsanteile in x-, y- bzw. z-Richtung. Der räumliche Geschwindigkeitsgradient enthält alle Informationen über die bezugssysteminvarianten Schergeschwindigkeiten, die Divergenz und die Winkelgeschwindigkeit oder Wirbelstärke des Geschwindigkeitsfeldes.

Der Geschwindigkeitsgradient wird bei der mathematischen Formulierung von physikalischen Gesetzen und Materialmodellen benutzt und ist – vergleichbar zum Deformationsgradienten bezüglich der Deformation von Festkörpern – in der Strömungsmechanik von zentraler Bedeutung.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abb. 1: Geschwindigkeitsfeld mit Stromlinien (blau). Wo die roten Linien nahe beieinander liegen ist die Geschwindigkeit hoch, andernorts gering.

Das Geschwindigkeitsfeld eines Körpers gibt an, wie schnell sich die einzelnen Partikel (Fluidelemente) des Körpers bewegen, siehe Abb. 1. Wenn sich der Körper gleichförmig bewegt, dann sind die Geschwindigkeiten benachbarter Partikel gleich und der Geschwindigkeitsgradient verschwindet, denn als Gradient bemisst er die örtlichen Änderungen, siehe den oberen Bildteil. Wenn sich aber die Geschwindigkeiten zweier benachbarter Partikel unterscheiden, dann liegt lokal entweder eine Drehung oder eine Deformation vor und der Geschwindigkeitsgradient ist von null verschieden wie im unteren Bildteil.

Das Geschwindigkeitsfeld kann für die sich bewegenden Partikel eines Körpers oder an den Raumpunkten innerhalb des Körpers aufgestellt werden. Ersteres ist die materielle letzteres die räumliche Formulierung. Weil das Geschwindigkeitsfeld üblicherweise räumlich begriffen wird, bezieht sich der Begriff „Geschwindigkeitsgradient“ zumeist auf den räumlichen Geschwindigkeitsgradient und dieser wird hier vorrangig behandelt.

Der räumliche Geschwindigkeitsgradient taucht in den lokalen, räumlichen Formulierungen der Massen-, Impuls- und Energiebilanzen auf und ist für die kinematische Nichtlinearität der Impulsbilanz in dieser Formulierung verantwortlich.

Der Bewegungszustand eines Beobachters beeinflusst seine Einschätzung der Geschwindigkeit der Partikel des Körpers und damit auch den von ihm beobachteten Geschwindigkeitsgradient. Weil also unterschiedlich bewegte Beobachter verschiedene Geschwindigkeitsgradienten wahrnehmen, ist dieser keine objektive Größe. Mit dem räumlichen Geschwindigkeitsgradient werden objektive Zeitableitungen von Vektoren und Tensoren definiert, die für die Formulierung bezugssysteminvarianter Materialgleichungen benötigt werden. Mehr zu dem Thema ist unter Euklidische Transformation zu finden.

Abb. 2: Lineare Abbildung eines Vektors durch einen Tensor .

Mathematisch ist der Geschwindigkeitsgradient ein Tensor zweiter Stufe, mit dem Vektoren linear auf andere Vektoren abgebildet werden, siehe Abb. 2. Ein solcher Tensor kann wie eine 3×3 Matrix betrachtet werden, deren Komponenten auf Dyaden referenzieren so wie die Komponenten eines Vektors auf Basisvektoren referenzieren.

Die Summe der Diagonalelemente, die Spur, ist die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes und ein Maß für die Ausdehnungsgeschwindigkeit eines (infinitesimal) kleinen Volumenelementes des Körpers.

Der symmetrische Anteil des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten, der räumliche Verzerrungs-, Streck- oder Deformationsgeschwindigkeitstensor (Formelzeichen d oder D) verschwindet bei Starrkörperbewegungen inklusive Drehungen, tritt also nur bei „echten“ Verformungen auf und ist objektiv. Der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor wird in Materialmodellen geschwindigkeitsabhängiger Materialien eingesetzt, z. B. beim linear viskosen Fluid, dessen Geschwindigkeitsfeld den Navier-Stokes-Gleichungen gehorcht, die Fluidströmungen wirklichkeitsnah abbilden.

Der schiefsymmetrische Anteil des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten, der Wirbel-, Spin- oder Drehgeschwindigkeitstensor (Formelzeichen w oder W) besitzt einen dualen Vektor die Winkelgeschwindigkeit, die proportional zum Wirbelvektor oder der Wirbelstärke ist, die in Flüssigkeits- und Gasströmungen eine wichtige Rolle spielt.

Definition und Darstellungsweisen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Materielle und räumliche Koordinaten und das Geschwindigkeitsfeld[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bewegung eines materiellen Punktes (Fluidelementes) wird mathematisch mit der Bewegungsfunktion

beschrieben. Der Vektor ist die aktuelle Position des materiellen Punktes zur Zeit in der Momentankonfiguration (Kleinbuchstaben). Genauer ist die Position des betrachteten materiellen Punktes in der Ausgangs- oder Referenzkonfiguration des Körpers zu einer vergangenen Zeit (Großbuchstaben). Bei festgehaltenem materiellen Punkt gibt die Bewegungsfunktion dessen Bahnlinie durch den Raum wieder und bei festgehaltenem räumlichen Punkt gibt die Streichlinie durch den betrachteten Punkt wieder. Im kartesischen Koordinatensystem mit der Standardbasis hat der Raumpunkt die komponentenweise Darstellung

und entsprechend gilt . Die Zahlen werden räumliche Koordinaten genannt, weil diese einen Raumpunkt kennzeichnen, und werden materielle Koordinaten genannt, denn diese haften einem materiellen Punkt an. Die Bewegungsfunktion ist zu jeder Zeit an jedem Ort invertierbar

weil sich an einem Punkt im Raum immer nur ein materieller Punkt aufhalten kann und ein materieller Punkt zu einer Zeit nur an einem Ort sein kann. Die Ableitung der Bewegungsfunktion nach der Zeit liefert das Geschwindigkeitsfeld:

Die materiellen Koordinaten gehören zu dem Partikel, das sich zur Zeit t am Ort befindet und dessen Geschwindigkeit zu dem Zeitpunkt ist. Das Geschwindigkeitsfeld wird üblicherweise räumlich begriffen, weshalb es hier nur in der räumlichen Darstellung mit (für englisch velocity „Geschwindigkeit“) bezeichnet wird. Ganz rechts steht das materielle Geschwindigkeitsfeld, das mit der substantiellen Zeitableitung der Bewegungsfunktion berechnet wird. Die Punktnotation wird hier ausschließlich für die substantielle Zeitableitung verwendet.

Geschwindigkeitsgradient und Deformationsgradient[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Deformationsgradient ist die Ableitung der Bewegung nach den materiellen Koordinaten[F 1]:

Das Rechenzeichen „“ bildet das dyadische Produkt und „GRAD“ den materiellen Gradienten mit Ableitungen nach den materiellen Koordinaten. Durch die substantielle Zeitableitung des Deformationsgradienten entstehen die Geschwindigkeitsgradienten:

Das Rechenzeichen „“ bildet das dyadische Produkt, „grad“ den räumlichen und „GRAD“ den materiellen Gradient mit Ableitungen nach den räumlichen bzw. den materiellen Koordinaten. Der materielle Geschwindigkeitsgradient ist die Zeitableitung des Deformationsgradienten oder – weil die Reihenfolge der Ableitungen vertauscht werden darf – die materielle Ableitung der Geschwindigkeit nach den materiellen Koordinaten:

Räumlicher Geschwindigkeitsgradient[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der räumliche Geschwindigkeitsgradient ist die räumliche Ableitung der Geschwindigkeit nach den räumlichen Koordinaten[F 1]:

Das Geschwindigkeitsfeld wird meistens räumlich dargestellt, weshalb mit dem Begriff „Geschwindigkeitsgradient“ in der Regel der räumliche Geschwindigkeitsgradient gemeint ist. Materielle Größen werden in der Kontinuumsmechanik gemeinhin groß geschrieben und räumliche klein, weswegen hier auch die Kleinschreibung des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten benutzt wird. Sein symmetrischer Anteil

ist der (räumliche) Verzerrungsgeschwindigkeitstensor und sein schiefsymmetrischer Anteil

ist der (räumliche) Spin-, Wirbel- oder Drehgeschwindigkeitstensor. Das Superskript kennzeichnet die Transposition. In den Matrixdarstellungen beziehen sich die Geschwindigkeitsanteile auf ein kartesisches Koordinatensystem mit x-, y- und z-Richtungen.

Die Winkelgeschwindigkeit oder Wirbelstärke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Wirbeltensor kann, weil er schiefsymmetrisch ist, ein dualer Vektor mit der Eigenschaft

zugeordnet werden. Der Tensor 1 ist der Einheitstensor, „“ das dyadische und „ד das Kreuzprodukt. Im Fall des Wirbeltensors ist der duale Vektor die Winkelgeschwindigkeit, die der Drehgeschwindigkeitsvektor bei Starrkörperbewegungen ist, wie der gleichnamige Abschnitt unten ausführt. Die Winkelgeschwindigkeit berechnet sich mit dem Nabla-Operator

nach der Vorschrift[L 1]

denn das Skalarkreuzprodukt“ des Einheitstensors mit einer Dyade vertauscht das dyadische Produkt mit dem Kreuzprodukt. Der Differentialoperator „rot“ steht für die Rotation des Geschwindigkeitsfeldes.

Die Winkelgeschwindigkeit ist proportional zur Wirbelstärke, die eine besondere Bedeutung in Flüssigkeits- und Gasströmungen hat.

Darstellung in Zylinder- und Kugelkoordinaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In achsensymmetrischen Strömungen bietet es sich an, ein Zylinder- oder Kugelkoordinatensystem zu benutzen. In Zylinderkoordinaten {ρ,φ,z} mit Basisvektoren bekommt er die Form:

In Kugelkoordinaten {r,θ,φ} mit Basisvektoren schreibt er sich:

Darstellung in konvektiven Koordinaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf einen Körper aufgetragene Koordinatenlinien folgen den Deformationen des Körpers

Konvektive Koordinaten sind krummlinige Koordinatensysteme, die an einen Körper gebunden sind und von allen Deformationen, die der Körper erfährt, mitgeführt werden, siehe Bild. Konvektive Koordinatensysteme werden in der Kinematik schlanker oder dünnwandiger Strukturen (z. B. Stäbe oder Schalen) eingesetzt. Auch materielle Vorzugsrichtungen nicht isotroper Materialien, wie z. B. von Holz, können in konvektiven Koordinaten beschrieben werden. Die Geschwindigkeitsgradienten bekommen, in konvektiven Koordinaten ausgedrückt, besonders einfache Darstellungen.

Jedem materiellen Punkt werden über eine Referenzkonfiguration eineindeutig konvektive Koordinaten zugeordnet. Die Tangentenvektoren

bilden dann kovariante Basen im Punkt bzw. . Die Gradienten der konvektiven Koordinaten

bzw.

formen die kontravarianten Basen, die zu den kovarianten dual sind. In diesen Basissystemen ausgedrückt, bekommt der Deformationsgradient die besonders einfache Form

Aus der Zeitableitung des Deformationsgradienten und der Zeitableitung der Inversen ergibt sich

denn die Ausgangskonfiguration und die in ihr definierten Basisvektoren hängen nicht von der Zeit ab. Mit diesen Ergebnissen schreibt sich der räumliche Geschwindigkeitsgradient:

worin das Verschwinden der Zeitableitung des Einheitstensors 1 ausgenutzt wurde. Die Geschwindigkeitsgradienten bilden die Basisvektoren auf ihre Raten ab:

Der symmetrische Anteil des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten ist der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor:

Mit den Metrikkoeffizienten und sowie der Produktregel schreibt sich das:

Die Frobenius-Skalarprodukte bleiben bei einer Rotation oder Translation unverändert, weswegen der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor genau dann verschwindet, nämlich bei Starrkörperbewegungen.

Geometrische Linearisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Festkörpermechanik treten in vielen Anwendungsbereichen nur kleine Deformationen auf. In diesem Fall erfahren die Gleichungen der Kontinuumsmechanik eine erhebliche Vereinfachung durch geometrische Linearisierung. Dazu werden die Verschiebungen betrachtet, die ein materieller Punkt im Laufe seiner Bewegung erfährt. Weil die aktuelle Position des Punktes ist, der in der Ausgangskonfiguration die Position hatte, ist die Verschiebung die Differenz

Der materielle Gradient der Verschiebungen ist der Tensor

und wird Verschiebungsgradient genannt. Er unterscheidet sich vom Deformationsgradient nur durch den Einheitstensor 1. Wenn eine charakteristische Abmessung des Körpers ist, dann wird bei kleinen Verschiebungen sowohl als auch und hier gefordert, so dass alle Terme, die höhere Potenzen von oder beinhalten, vernachlässigt werden können. Dann gilt:

Der Tensor ist der linearisierte Verzerrungstensor und RL ist der linearisierte Rotationstensor. Eine Unterscheidung des materiellen und räumlichen Geschwindigkeitsgradienten ist bei kleinen Deformationen demnach nicht nötig.

Transformationseigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Linien-, Flächen- und Volumenelemente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der räumliche Geschwindigkeitsgradient transformiert in der Momentankonfiguration die Linien-, Flächen- und Volumenelemente in ihre Raten:

Darin ist (für englisch area „Fläche“) das vektorielle Oberflächenelement und (für englisch volume „Volumen“) das Volumenelement. Der Operator berechnet die Spur seines Argumentes, die im Fall des Geschwindigkeitsgradienten die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes ist:

Beweis
Der Deformationsgradient F transformiert die Linien-, Flächen- und Volumenelement von der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration:


Der Operator bildet die Determinante und die transponiert Inverse. Die Oberfläche des Körpers in der Referenzkonfiguration hat das Oberflächenelement , d. h. die mit dem Flächenstück multiplizierte Normale des Flächenstücks, und Gleiches gilt für das räumliche Flächenelement auf der Oberfläche des Körpers in der Momentankonfiguration. Materielle Zeitableitung (bei festgehaltenen Partikeln) liefert für das Linienelement:

Die materielle Zeitableitung des Volumenelements ergibt sich mit der Ableitung der Determinante aus

Der Doppelpunkt „:“ steht für das Frobenius-Skalarprodukt von Tensoren, das für zwei Tensoren A und B über definiert ist. Der Gradient eines Vektorfeldes ist mit dem Nabla-Operator und dem dyadischen Produkt“ definiert: Die Spur eines dyadischen Produkts ist das Skalarprodukt ihrer Faktoren: denn die Transposition hat keinen Einfluss auf die Spur. Das Skalarprodukt des Nabla-Operators mit dem Geschwindigkeitsfeld ist aber dessen Divergenz: Also ist die Spur des Geschwindigkeitsgradienten gleich der Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes.
Abschließend berechnet sich noch die materielle Zeitableitung des Flächenelements mit der Produktregel zu

Hier wurde die Konstanz des Einheitstensors benutzt:

Wenn die Spur des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten l oder – gleichbedeutend – des räumlichen Verzerrungsgeschwindigkeitstensors d oder die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes verschwindet, dann ist die Bewegung lokal volumenerhaltend. Bei einer Starrkörperbewegung ist, wie unten nachgewiesen, Sp(l)=Sp(w)=0, was die Konstanz des Volumens bei einer solchen Bewegung bestätigt. Eine positive Divergenz bedeutet Expansion, was namensgebend für die Divergenz ist (lateinisch divergere „auseinanderstreben“) und was in der Realität mit einer Abnahme der Dichte einher geht.

Dehn- und Schergeschwindigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Streckung und Verdrehung der Tangenten (rot und blau) an materielle Linien (schwarz) im Zuge einer Deformation

Bei der Verformung eines Körpers ändern sich in den deformierten Stellen die Abstände seiner Partikel und/oder die Winkel zwischen Verbindungslinien seiner Partikel. Mathematisch werden die Tangentenvektoren an solche Verbindungslinien betrachtet, siehe Abbildung rechts. Ändern diese Tangentenvektoren ihre Längen oder die Winkel untereinander, was im gleichen Maß geschieht wie die Verbindungslinien gedehnt oder geschert werden, dann ändern sich ihre Skalarprodukte und es liegen Deformationen vor. Die Änderungsrate dieser Skalarprodukte bemisst der räumliche Verzerrungsgeschwindigkeitstensor d:

Die Dehnrate in einer bestimmten Richtung berechnet sich aus[F 2]:

wo die Geschwindigkeit v und die Koordinate x in -Richtung zählen. Die Schergeschwindigkeit ergibt sich im Zustand aus

Hier zählen die Geschwindigkeit sowie die Koordinate x in -Richtung und die Geschwindigkeit sowie die Koordinate y in -Richtung.

Der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor d legt also die Dehn- und Scherraten in der Momentankonfiguration fest.

Eigenvektoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sind die im vorigen Abschnitt betrachteten Tangentenvektoren Eigenvektoren des Geschwindigkeitsgradienten oder des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors, dann hat das bemerkenswerte Konsequenzen. Für einen solchen Eigenvektor des Geschwindigkeitsgradienten gilt:

Der Faktor ist der zum Eigenvektor gehörende Eigenwert. Die Frobeniusnorm der Eigenvektoren ist unbestimmt, weswegen ihr Betrag hier auf eins festgelegt wird, was im Hut über dem e zum Ausdruck kommt. Die Zeitableitung eines Tangentenvektors der Länge eins in der Momentankonfiguration liefert

In Richtung der Eigenvektoren des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten verschwindet diese Rate[F 3]. Einsetzen des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors und des Wirbeltensors ergibt weiterhin[F 2]:

Sei Eigenvektor von d. Dann ist und daher lautet die Zeitableitung

In Kombination mit dem obigen Ergebnis

zeigt sich für Eigenvektoren von d:

Die polare Zerlegung des Deformationsgradienten in eine Drehung und eine rotationsfreie Streckung entspricht beim räumlichen Geschwindigkeitsgradient der additiven Zerlegung in die Dehnrate und Drehgeschwindigkeit.

Kinematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Substantielle Beschleunigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das zweite Newton’sche Gesetz besagt, dass eine Kraft einen materiellen Körper in Richtung der Kraft beschleunigt. Auf lokaler Ebene werden dann die materiellen Punkte von einem von außen aufgeprägten Beschleunigungsvektor angetrieben:

Weil aber in der klassischen Mechanik ein Raumpunkt nicht beschleunigt werden kann, sondern nur ein materieller Punkt, muss auf der linken Seite der Gleichung die materielle Zeitableitung der Geschwindigkeit gebildet werden, die – wie üblich – mit einem aufgesetzten Punkt notiert wird[F 1]:

Darin gehört der festgehaltene Vektor zu dem beschleunigten Partikel, das sich zur Zeit am Ort aufhält und ist dessen Geschwindigkeit zur Zeit t. Der letzte Term in obiger Gleichung ist ein konvektiver Anteil, der die kinematische Nichtlinearität der Impulsbilanz in der Euler’schen Betrachtungsweise bewirkt.

Im geometrisch linearen Fall fällt der quadratische konvektive Anteil weg und es gilt:

Starrkörperbewegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Geschwindigkeitsfeld (schwarz) eines Starrkörpers (grau) entlang seines Weges (hellblau) setzt sich zusammen aus der Schwerpunktsgeschwindigkeit (blau) und der Drehgeschwindigkeit (rot)

Jede Starrkörperbewegung lässt sich in eine Translation und eine Rotation zerlegen. Als Drehzentrum eignet sich jeder ruhende oder bewegte Punkt und auch der Schwerpunkt des Körpers, siehe Abbildung rechts. Sei der zeitlich fixierte Differenzvektor zwischen einem Partikel des starren Körpers und seinem Schwerpunkt zu einem Zeitpunkt . Die Translation des Körpers kann dann mit seiner Schwerpunktsbewegung (mit ) und seine Drehung mit einem von der Zeit aber nicht vom Ort abhängigen orthogonalen Tensor (mit ) dargestellt werden. Translation und Rotation zusammengenommen definieren die Bewegungsfunktion und das materielle Geschwindigkeitsfeld:

Im materiellen Geschwindigkeitsgradient taucht die gleichförmige Schwerpunktsgeschwindigkeit nicht mehr auf. Das räumliche Geschwindigkeitsfeld entsteht durch die Ersetzung