Gottfried Kiesow

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Gottfried Kiesow (* 7. August 1931 in Alt Gennin, Landkreis Landsberg (Warthe); † 7. November 2011 in Wiesbaden[1]) war ein deutscher Kunsthistoriker und Denkmalpfleger. Er gründete im Jahr 1985 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.

Gottfried Kiesow (2006)
Gedenktafel für Gottfried Kiesow in Görlitz[2]
Grabmal der Familie Kiesow, auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden
Ehrung auf dem Quedlinburger Schloßberg für 25 Jahre Welterbe
Gedenktafel am Stralsunder Rathaus

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn eines Pfarrers und jüngere Bruder von Ernst-Rüdiger Kiesow besuchte die Schule in Osterburg (Altmark), flüchtete im Jahr 1950 aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), legte 1951 sein Abitur in West-Berlin ab und begann an der Georg-August-Universität Göttingen ein Studium der Fächer Kunstgeschichte, Klassische Archäologie, Geschichte und Theaterwissenschaft. Im Jahr 1956 wurde er unter Heinz Rudolf Rosemann mit einer Arbeit zum Thema Das Maßwerk in der Deutschen Baukunst bis 1350 zum Dr. phil. promoviert. Er erhielt im Jahr 1956 ein Forschungsstipendium am Kunsthistorischen Institut in Florenz, wo er fünf Jahre die gotische Architektur der Toskana studierte und erforschte. Anschließend wurde er zunächst Bezirksdenkmalpfleger in Hannover, dann in Braunschweig.

Am 1. November 1966 trat Kiesow in Nachfolge von Hans Feldtkeller als Landeskonservator von Hessen an.[3] Zum 24. September 1974 wurde er erster Direktor, später Präsident, des aufgrund des Hessischen Denkmalschutzgesetzes neu gegründeten Landesamtes für Denkmalpflege Hessen,[4] eine Stelle, die er bis zur Pensionierung 1996 innehatte. Daneben war er als Honorarprofessor für das Fach Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt am Main tätig. Angeregt durch positive Erfahrungen englischer Denkmalschützer, gründete er zusammen mit Spitzenmanagern der deutschen Wirtschaft 1985 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, deren Vorstandsvorsitzender er von 1994 bis Ende 2010 war. Im Januar 2011 übernahm er die Funktion des Vorsitzenden des Kuratoriums dieser Stiftung.

Gottfried Kiesow sah ab 1989 den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in der Rettung der marode gewordenen Baudenkmale in der ehemaligen DDR, wo er sehr erfolgreich tätig wurde. Das Vorzeigeprojekt war die Georgenkirche in Wismar. Die Rettung der Altstädte von Stralsund und Wismar führte schließlich auch zu ihrem Status als UNESCO-Welterbe.

Kiesows Idee, ein „Kompetenzzentrum für die Revitalisierung historischer Städte“ in Görlitz zu schaffen, hat zur Einrichtung der Stiftungsprofessur „Stadterneuerung und Stadtforschung“ an der Fakultät Architektur der Technischen Universität Dresden geführt. Für sein Engagement wurde ihm am 15. Januar 2004 die Ehrendoktorwürde der Universität verliehen.

Er war Vorsitzender der Expertengruppe „Städtebaulicher Denkmalschutz“ beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Ehrenmitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Bis Ende 2010 war er Kuratoriumsmitglied der Deutschen Stiftung Welterbe.

Aus seinem Privatvermögen begründete Gottfried Kiesow die „Ingeborg und Gottfried Kiesow-Stiftung“[5] unter der Treuhandschaft der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Laut Satzungsauftrag soll sie die Pflege alter Handwerkstechniken und das Wissen darum fördern. Dazu gehört insbesondere die Förderung der DenkmalAkademien in Romrod, Görlitz und Frankfurt-Höchst, des Görlitzer „Fortbildungszentrums für Handwerk und Denkmalpflege“ sowie der Jugendbauhütten, jeweils Einrichtungen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Gottfried Kiesow lebte viele Jahre in Wiesbaden und setzte sich für die Aufnahme der Stadt in die UNESCO-Welterbe-Liste ein. Neben der Denkmalpflege war er zudem für die Freie Demokratische Partei (FDP) als Stadtverordneter und Kreisvorsitzender kommunalpolitisch tätig.[1] Bei der Landtagswahl in Hessen 1983 kandidierte er für seine Partei im damaligen Wahlkreis Wiesbaden III, verpasste aber den Einzug in den Landtag. Seit 2006 war er Ehrenbürger von Wiesbaden, wo er am 7. November 2011 im Alter von 80 Jahren an einem Krebsleiden verstarb.[1]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrungen und Würdigungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus Anlass seines ersten Todestages wurde der Platz zwischen der Görlitzer Peterskirche und dem Vogtshof am 7. November 2012 von der Stadt Görlitz nach Gottfried Kiesow benannt.[9] Am 9. September 2012 weihte die Stadt Zittau einen nach Gottfried Kiesow benannten Prof.-Kiesow-Weg in der denkmalgeschützten Parkanlage Grüner Ring ein.[10]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Schloss Marienburg. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1963, DNB 452401429.
  • mit Jannes Ohling: Ostfriesland im Schutze des Deiches. Band 4: Ostfriesische Kunst. Schuster, Leer 1969, DNB 457744405.
  • Schloss Hämelschenburg . 2. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1973, DNB 750155418.
  • mit Heinrich Klotz, Roland Günter: Keine Zukunft für unsere Vergangenheit? Denkmalschutz und Stadtzerstörung. Schmitz, Gießen 1975, DNB 760425310.
  • als Bearbeiter: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Teil: Teil: Bremen, Niedersachsen. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1977, ISBN 3-422-00348-7.
  • mit Ina-Maria Greverus, Reinhard Reuter: Das hessische Dorf. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-458-14782-9.
  • Einführung in die Denkmalpflege. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08662-7.
  • Romanik in Hessen. Theiss, Stuttgart 1984, ISBN 3-8062-0367-9.
  • Schloss Biebrich am Rhein. Seyfried, Wiesbaden 1985, DNB 871198932.
  • als Herausgeber: Naturwerkstein in der Denkmalpflege. Handbuch für den Steinmetzen und Steinbildhauer, Architekten und Denkmalpfleger. Ebner, Ulm 1987, ISBN 3-87188-140-6.
  • Gotik in Hessen. Theiss, Stuttgart 1988, ISBN 3-8062-0292-3.
  • Romanik in Hessen. Theiss, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-1350-X.
  • mit Claudia Christina Hennrich: Schloß Stolberg im Harz. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 1999, ISBN 3-936942-43-9.
  • Gesamtkunstwerk – Die Stadt. Zur Geschichte der Stadt vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 1999, ISBN 3-936942-08-0.
  • Kulturgeschichte sehen lernen. 5 Bände. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2000–2011, ISBN 978-3-86795-052-7.[11]
  • mit Renate Gruber: Baukunst in Hessen. Von der Romantik zur Moderne. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1374-7.
  • Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1488-3.
  • mit Christiane Rossner, Angela Pfotenhauer: Backsteingotik. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2000, ISBN 3-936942-10-2.
  • mit Béatrice Busjan: Gebrannte Größe – Wege zur Backsteingotik. Band 2: Wismar – Bauten der Macht. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2000, ISBN 3-936942-24-2.
  • mit Ingrid Scheurmann, Hans-Christian Feldmann, Katja Hoffmann: Kulturerbe bewahren. Band 3: Schlösser, Burgen, Parks. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2004, ISBN 3-936942-44-7.
  • Wege zur Backsteingotik. Eine Einführung. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2003, ISBN 978-3-936942-34-7.
  • mit Thomas Gruner: Backsteingotik in Mecklenburg-Vorpommern. Hinstorff, Rostock 2004, ISBN 978-3-356-01032-9.
  • Das verkannte Jahrhundert. Der Historismus am Beispiel Wiesbadens. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2005, ISBN 978-3-936942-53-8.
  • Architekturführer Wiesbaden. Die Stadt des Historismus. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2006, ISBN 978-3-936942-71-2.
  • mit Andreas Grüger: Stralsund. Visite des Welterbes. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2007, ISBN 978-3-936942-94-1.
  • Architekturführer Ostfriesland. Natur- und Kulturlandschaft. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2009, ISBN 978-3-86795-021-3.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ingrid Scheurmann (Hrsg.): Dokumentation der Tagung zum 75. Geburtstag von Gottfried Kiesow in der Wismarer St.-Georgen-Kirche, 31.8. – 1.9.2006. (= Backsteinbaukunst. Zur Denkmalkultur des Ostseeraums. Band 1). Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2007, ISBN 978-3-936942-92-7.
  • Thomas Weichel (Hrsg.): Zum Gedächtnis an Prof. Dr. Gottfried Kiesow. Das „Wiesbadener Programm“ und seine Bedeutung für den Kirchenbau. Landeshauptstadt Wiesbaden, Wiesbaden 2016, DNB 1119948061.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gottfried Kiesow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachrufe

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Manfred Gerber: Ein Leben für den Denkmalschutz. Wiesbadener Tagblatt, 8. November 2011, archiviert vom Original am 18. Januar 2012; abgerufen am 8. November 2011.
  2. Die Gedenktafel (Sandsteinplatte mit Bronzereliefplakette) wurde im Jahr 2013 aus den Mitteln der Altstadtmillion finanziert.
  3. NN: Personalia. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 24 (1966), S. 146.
  4. Staatsanzeiger für das Land Hessen 2/1975, S. 48 v. 13. Januar 1975.
  5. Manfred Gerber: Ein Leben für den Denkmalschutz. In: Wiesbadener Kurier, 8. November 2011, abgerufen am 21. Januar 2013.
  6. Gerd Giese: Die Ehrenbürger der Stadt Wismar. In: Wismarer Beiträge. Schriftenreihe des Archivs der Hansestadt Wismar, Heft 18. Wismar 2012, S. 20–22.
  7. Laudatio zur Europa-Nostra-Medaille (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
  8. Deutscher Nationalpreis 2011 an Prof. Dr. Dr.-Ing. E. h. Gottfried Kiesow. In: DBZ.de. Abgerufen am 1. April 2023.
  9. Namensgebung Gottfried-Kiesow-Platz (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 16. November 2012, 18.35 Uhr
  10. Beschluss der Stadt Zittau (Memento vom 5. August 2021 im Internet Archive), abgerufen am 9. Februar 2021, 10.20 Uhr
  11. 1-5 Kulturgeschichte sehen lernen, Jubiläumsausgabe Gottfried Kiesow. In: Monumente-Shop.de. Abgerufen am 1. April 2023.