Gustav Adolf Steengracht von Moyland

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Gustav Adolf Steengracht von Moyland auf der Anklagebank in Nürnberg
August 1944: Moyland als Zweiter von rechts in der ersten Reihe hört eine Rede von Fritz Sauckel.

Gustav Adolf Steengracht von Moyland (* 15. November 1902 auf Schloss Moyland, Kreis Kleve; † 7. Juli 1969 in Kranenburg (Niederrhein)) war ein deutscher nationalsozialistischer Diplomat und Staatssekretär im Auswärtigen Amt unter Joachim von Ribbentrop.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Steengracht studierte Rechtswissenschaft, Agrarwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Mit Peter Graf Yorck von Wartenburg wurde er 1923 im Corps Borussia Bonn aktiv.[1] Nach Abschluss des Studiums promovierte er 1929 zum Dr. iur.[2][3]

Im Jahr 1925 wurde er Mitglied des Stahlhelm.[4] Nach Eigenaussage gehörte er jedoch erst seit 1928 dieser Organisation an. 1933 trat er der NSDAP (Mitgliedsnummer 2.837.625) und der SA bei.[5] Im selben Jahr wurde er NS-Kreisbauernführer von Kleve. Von 1936 bis 1938 war er an der Deutschen Botschaft London für die Dienststelle Ribbentrop tätig. Im Oktober 1938 trat er als Legationssekretär seinen Dienst im Auswärtigen Amt an. Von 1940 bis 1943 war er im Persönlichen Stab des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop, ab 1941 als Stellvertretender Chefadjutant. Am 31. März 1943 wurde er Nachfolger von Staatssekretär Ernst von Weizsäcker. Er blieb bis zum Kriegsende im Amt und war damit der letzte Staatssekretär des Auswärtigen Amts in der Zeit des Nationalsozialismus. Steengracht hatte zuletzt den Rang eines SA-Brigadeführers.

Steengracht kam am 23. Mai 1945 in Flensburg in Automatischen Arrest und wurde in Luxemburg interniert. Er sagte später als Zeuge beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher aus, bevor er selbst im Wilhelmstraßen-Prozess angeklagt und als Kriegsverbrecher im April 1949 zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde.[6] Er wurde u. a. für schuldig befunden, die Behandlung der im Auftrag der britischen Regierung erfolgten diplomatische Anfrage des Schweizer Gesandten Peter Anton Feldscher vom 12. Mai 1943 beim Auswärtigen Amt, ob Bereitschaft bestünde, 5000 jüdische Kinder aus dem deutschen Herrschaftsbereich nach Palästina ausreisen zu lassen, die amtsintern als Feldscher-Aktion bezeichnet wurde, wissentlich so lange verschleppt zu haben, bis eine Rettung der Kinder unmöglich war.[7] Seine Haftstrafe wurde durch Revision am 12. Dezember 1949 auf fünf Jahre Haft verkürzt, ehe er wegen einer Amnestie schon am 28. Januar 1950 aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen wurde.[6] Anschließend verwaltete er auf Schloss Moyland seinen Besitz.[3][6] Von 1956 bis 1961 arbeitete er als Rechtsanwalt in Kleve.[6]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gustav Adolf Steengracht von Moyland kam als Sohn des 1834 in Den Haag geborenen niederländischen Adeligen Nicolaas Adriaan Baron Steengracht van Moyland, Heer van Moyland en Till und dessen zweiter Ehefrau Irene Theresa Lidvina Christine Paule Clara, Edle von Kremer-Auenrode im November 1902 in Moyland zur Welt.[8]

Um den ältesten Sohn Hendrik aus seiner ersten Ehe enterben zu können, gab der Baron noch im Geburtsjahr des zweiten Sohnes Gustav Adolf seine niederländische Staatsbürgerschaft auf und wurde Deutscher. Dadurch durfte er jedoch nicht länger den Adelstitel eines niederländischen Barons führen. Dieser Titel ging auf seinen Sohn Hendrik, den Halbbruder von Gustav Adolf, über.[9]

Am 16. Mai 1933 heiratete Gustav Adolf Steengracht in Berlin die am 14. Dezember 1908 in Griva/Lettland geborene Ilsemarie Baronesse von Hahn. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor, der am 16. November 1936 in Moyland geborene Nikolaus Adrian. Steengrachts Ehe ging nach dem Krieg in die Brüche; die Scheidung erfolgte am 22. September 1950. Seine Ex-Frau lebte mit dem gemeinsamen Sohn mindestens bis 1952 in Spanien.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, ISBN 978-3-506-71843-3
  • Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.
  • Hans-Jürgen Döscher, Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung“, Siedler Verlag Berlin 1987
  • Chronik Schloss Moyland. Stephan de Lange und B.o.s.s. Druck und Medien, Kleve 2001 (in dieser Chronik weitere Quellenhinweise)
  • Nederland's Adelsboek 1986
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
  • Joachim Lilla: Adolf Baron Steengracht von Moyland (1902-1969) – Letzter Staatssekretär des Auswärtigen Amtes im „Dritten Reich“ – Eine biographische Annäherung, In: Der Niederrhein 71 (2004), S. 129–136.
  • Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. S. Fischer, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-10-091052-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kösener Corpslisten 1960, 9, 978
  2. Dissertation: Das staatsrechtliche Moment in den §§ 99, 100 des Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 1927. Eine staats- und strafrechtliche Studie zur Staatsrechtsreform
  3. a b Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main, 1998, S. 441f.
  4. a b Moyland, Gustav Adolf Steengracht von (1902-1969), von Joachim Lilla, Zukunft braucht Erinnerung, 25. Februar 2007
  5. I was a member of the "Stahlhelm" since 1928. Owing to the incorporation of the "Stahlhelm" into the SA, I became a member of the SA and in the same year joined the NSDAP. Final Brief Against the Defendant Gustav Adolf Steengracht von Moyland, p.6, uga.edu
  6. a b c d Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, S. 331 f.
  7. Sebastian Weitkamp: Braune Diplomaten. Horst Wagner und Eberhard von Thadden als Funktionäre der „Endlösung“ . J.H.W. Dietz. Bonn 2008. ISBN 978-3-8012-4178-0, S. 230; das Urteil ist abgedruckt In: Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozess. Der amtliche Wortlaut der Entscheidung im Fall Nr.11 des Nürnberger Militärtribunals gegen von Weizsäcker und andere, mit abweichender Urteilsbegründung, Berichtigungsbeschlüssen, den grundlegenden Gesetzesbestimmungen, einem Verzeichnis der Gerichtspersonen und Zeugen. Einführungen von Robert M. W. Kempner und Carl Haensel. Alfons Bürger Verlag. Schwäbisch Gmünd 1950, S. 101–104.
  8. The Plantagenet Roll of the Blood Royal: The Mortimer-Percy Volume, vom Marquis of Ruvigny and Ranieval
  9. "Chronik Schloß Moyland", Herausgeber: Stephan de Lange in Zusammenarbeit mit Johannes Hidding, Franz-Josef Lensing; Franz Weyers, Druck: B.o.s.s Druck und Medien GmbH Kleve 2001, ISBN 3-933969-17-4