Herbert Czaja

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Kandidatenplakat Herbert Czajas zur Bundestagswahl 1976

Herbert Helmut Czaja (* 5. November 1914 in Teschen, Österreich-Ungarn; † 18. April 1997 in Stuttgart) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1970 bis 1994 Präsident des Bundes der Vertriebenen.

Ausbildung und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Czaja wurde in eine katholische Familie geboren, die fließend zweisprachig (deutsch/polnisch) war. Ab 1920 gehörte seine Heimatstadt zu Polen. Nach dem Abitur auf dem deutschen Gymnasium in Bielitz, in der Hauptstadt der Bielitz-Bialaer Sprachinsel, absolvierte Czaja von 1933 bis 1938 ein Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Krakau und Wien. Er war dann als Lehrer im Höheren Schuldienst tätig und arbeitete als Lehrer an einem Gymnasium in Mielec und schließlich als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Krakau. 1937/38 gehörte er dem Deutschen Verband zur nationalen Befriedung Europas an, den sein früherer Lehrer, der bekannte Hitler-Gegner Senator Eduard Pant, gegründet hatte. In Krakau erfolgte 1939 auch seine Promotion zum Dr. phil. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen weigerte er sich, in die NSDAP einzutreten. Dies führte zum Verlust seiner Assistentenstelle. Ab 1940 war er als Oberschullehrer in Zakopane und Przemyśl tätig. 1942 wurde er zur Wehrmacht einberufen und an der Ostfront schwer verwundet.

Nach der Vertreibung war er ab 1946 im gymnasialen Schuldienst in Stuttgart, zuletzt als Studienrat, tätig.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herbert Czaja war mit Eva-Maria Reinhardt (* 29. November 1926 in Stuttgart, † 28. Juni 2006 ebenda), der Schwester von Rudolf Reinhardt, verheiratet und hatte neun Kinder. Seine älteste Tochter Christine, langjährige stellvertretende Vorsitzende der Landsmannschaft der Oberschlesier, hat 2003 biographische Beiträge über ihn veröffentlicht.

Partei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Czaja stammt aus einem römisch-katholischen Elternhaus und war seit 1933 Mitglied der Deutschen Christlichen Volkspartei Eduard Pants. Czaja engagierte sich sowohl in Krakau als auch in Wien in deutschen studentischen Vereinigungen volkspolitisch.

Nach dem Krieg wurde Czaja Mitglied in der Jungen Union und der CDU. Hier gehörte er auch zu den Mitbegründern der Union der Heimatvertriebenen in der CDU, deren Landesvorsitzender für Nord-Württemberg er 1952 wurde.

Abgeordneter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1947 bis 1953 gehörte Czaja dem Stadtrat von Stuttgart an.

Von 1953 bis 1990 war Czaja Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1980 bis 1990 war er Vorsitzender der Gruppe der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herbert Czaja war von der 2. bis zur 9. Wahlperiode über die Landesliste Baden-Württemberg und in der 10. und 11. Wahlperiode als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Stuttgart II in den Deutschen Bundestag eingezogen.

Czaja hielt im Gegensatz zur großen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten aller Parteien die Wiedervereinigung Deutschlands durch die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR für nicht abgeschlossen, weil die ehemals deutschen Ostgebiete nicht eingeschlossen waren. Er stimmte deshalb im Einigungsprozess mehrfach auch gegen die Mehrheit seiner eigenen Fraktion ab, unter anderem gegen die Gemeinsame Entschließung zur deutsch-polnischen Grenze, gegen den Einigungsvertrag sowie gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag.

Im September 1990 versuchte er außerdem gemeinsam mit anderen Fraktionskollegen vergeblich mittels eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht die Beratung des Einigungsvertrages im Bundestag zu verhindern. Der Antrag wurde als „offensichtlich unbegründet“ verworfen.

Auch nach der deutschen Wiedervereinigung und seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 1990 setzte Czaja seinen politischen Kurs unnachgiebig fort und stellte noch radikalere Forderungen. In seinem über tausendseitigen Buch Unterwegs zum kleinsten Deutschland? forderte er noch 1996 eine Wiederherstellung des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937, die „keineswegs der Endpunkt … sein müssen“. Der Politikwissenschaftler Ernst-Otto Czempiel bezeichnete ihn in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung daraufhin als „Verschwörungstheoretiker“ und „politischen Geisterfahrer“, für den „der Begriff des Revisionismus viel zu harmlos ist“.[1] Neuere historische Arbeiten weisen demgegenüber darauf hin, dass Czaja trotz seines Widerstandes gegen die sozialliberale Ostpolitik bereits in den späten 1960er Jahren aus „echter christlich motivierter Versöhnungsbereitschaft“ Alternativen zur nationalstaatlichen Revisionspolitik entwickelte, die „einen Neuanfang auf der Basis eines gleichberechtigten Miteinanders und eines gerechten Ausgleichs der Gegensätze“ anstrebten.[2]

Gesellschaftliche Ämter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Czaja war Mitbegründer des Hilfsverbandes der Heimatvertriebenen in Stuttgart und gehörte auch dem Kreisflüchtlingsausschuss an. Er war Mitbegründer der Vertriebenen-Genossenschaft Neues Heim und gehörte dem Vorstand der Ackermann-Gemeinde an.

Seit 1948 war Czaja gewähltes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Herbert Czaja war seit 1969 Sprecher der Landsmannschaft der Oberschlesier und von 1970 bis 1994 Präsident des Bundes der Vertriebenen. Er übernahm dieses Amt in der Zeit der neuen Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition. Czaja war u. a. daran beteiligt, zu den deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen Alternativen zu erarbeiten, die er 1980 in einer Dokumentation veröffentlichte.

Zudem fungierte er von 1974 bis zu seinem Tode 1997 als Vorsitzender des Kuratoriums der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herbert Czaja erhielt 1968 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, 1973 das Große Verdienstkreuz[3] und 1984 das Große Verdienstkreuz mit Stern, am 7. Mai 1988 die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.[4] 1989 wurde er mit dem Preußenschild geehrt. Im Jahre 2002 wurde in Stuttgart-Zuffenhausen der Dr.-Herbert-Czaja-Weg nach ihm benannt.

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ausgleich mit Osteuropa. Versuch einer europäischen Friedensordnung. Seewald, Stuttgart 1969.
  • Materialien zu Oder-Neiße-Fragen. Eine Dokumentation zur Rechtslage Deutschlands und der Deutschen nach dem Völkerrecht und dem Grundgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Gebiete östlich von Oder und Neisse (= Schriftenreihe der Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen. Bd. 9). Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen, Bonn 1979 (Kommentierte Dokumentation).
  • Unsere sittliche Pflicht. Leben für Deutschland. Herausgegeben von Hartmut Koschyk. Langen Müller, München 1989, ISBN 3-7844-2279-9 (Sammlung von Reden und Aufsätzen).
  • Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen. Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik. Knecht, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7820-0730-1.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christine Maria Czaja (Hrsg.): Herbert Czaja. Anwalt für Menschenrechte. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2003, ISBN 3-88557-210-9.
  • Sebastian Rosenbaum: Operation „Poseł“. Herbert Czaja im Visier des polnischen Sicherheitsdienstes. In: ZS Confinium. Beiträge zur oberschlesischen Geschichte. Bd. 3, 2008, ZDB-ID 2275328-X, S. 173–196.
  • Jürgen Aretz: Herbert Czaja (1914-1997). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern, Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 9, Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster 1999, ISBN 978-3-402-06112-1, S. 291-312. (Digitalisat)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Streitschrift für das Deutsche Reich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September 1996
  2. Mathias Stickler: „Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch.“ Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949-1972. Düsseldorf 2004, S. 396f.
  3. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 25, Nr. 159, 25. August 1973.
  4. Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg - Liste der Ordensträgerinnen und Ordensträger 1975–2023 (PDF; 307 KB). Staatsministerium Baden-Württemberg, 22. April 2023, S. 29