Ikonologie

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Als Ikonologie (zu altgriechisch εἰκών eikōn, deutsch ‚Bild‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘) bezeichnet man eine in den 1920er und 1930er Jahren entwickelte Methode der Kunstgeschichte zur Beschreibung und Deutung von Werken der Bildenden Kunst. Sie schließt wesentliche Aspekte der kunstwissenschaftlichen Formanalyse und der Ikonografie ein.

Noch ohne den Begriff ‚Ikonologie‘ zu verwenden, verwendete erstmals Aby Warburg die ikonologische Methodik in seiner Straßburger Dissertation von 1892 über zwei Bilder Sandro Botticellis. Den Begriff ikonologische Analyse für seine Arbeitsweise benutzte er zum ersten Mal 1912 in einem Vortrag über die Monatsbilder im Palazzo Schifanoia in Ferrara, wo es ihm gelang, das komplexe astrologische Bildprogramm der Fresken zu entschlüsseln.

Die Methode wurde von Aby Warburg und seinen Mitarbeitern (Gertrud Bing, Fritz Saxl, Walter Solmitz, Edgar Wind und Rudolf Wittkower) umfassend in der Erstellung des Bilderatlas Mnemosyne angewendet.

Erwin Panofsky formulierte 1932 Grundsätze der ikonografischen Deutungsarbeit in einem Dreistufenschema aus:

  • Phänomensinn
  • Bedeutungssinn
  • Dokumentsinn

1939 reformulierte Panofsky dieses Schema und bezeichnete es nun als Ikonologie:

  • Präikonografische Beschreibung
  • Ikonografische Analyse
  • Ikonologische Interpretation

Die ikonologische Methode ist über die Kunstgeschichte hinaus ein wichtiges Analyseinstrument in der Geschichts- und Kulturwissenschaft.[1] In jüngerer Zeit findet die Methode auch Anwendung in der Kommunikationswissenschaft[2] und in der qualitativen Bildungsforschung (dokumentarische Methode).[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aby Warburg: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara. In: L’Italia e l’arte straniera. Atti del X Congresso internazionale di storia dell’arte. Tipografia dellUnione Editrice, Rom 1912, S. 180–193 [auch als Sonderdruck, Rom 1922; sowie in: Aby M. Warburg: Ausgewählte Schriften und Würdigungen. Herausgegeben von Dieter Wuttke. 2. verbesserte und bibliographisch ergänzte Auflage. Koerner, Baden-Baden 1980, ISBN 3-87320-400-2, S. 173–198 (Saecula Spiritalia. Band 1)].
  • Aby Warburg: Sandro Botticellis Geburt der „Venus“ und „Frühling“. Eine Untersuchung über die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance. Dissertation Universität Straßburg, 1892 (Digitalisat in Münchner DigitalisierungsZentrum).
  • Aby Warburg: ›Mnemosyne‹ Materialien. Herausgegeben von Werner Rappl, Gudrun Swoboda, Wolfram Pichler, Marianne Koos. Dölling und Galitz, Hamburg 1994 (Digitalisat).
  • Aby Warburg: Der Bilderatlas Mnemosyne. Herausgegeben von Martin Warnke und Claudia Brink (= Gesammelte Schriften. Studienausgabe, Band 2.1), Berlin 22003.
  • Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst. In: Logos. Nr. 21, 1932, S. 103–119 (= Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst. In: Erwin Panofsky: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Wissenschaftsverlag Spiess, Berlin 1974, S. 85–97).
  • Erwin Panofsky: Studies in Iconology. Introductory. In: Erwin Panofsky: Studies in Iconology. Humanistic Themes in the Art of the Renaissance. Oxford Univ. Press, New York 1939, S. 3–31 (deutsche Übersetzung: Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance. In: Erwin Panofsky: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst / Meaning in the Visual Arts. Aus dem Englischen von Wilhelm Höck. Köln 21978, S. 36–67).
  • Carlo Ginzburg: Spurensicherungen. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis. dtv, München 1988.
  • Andreas Beyer (Hrsg.): Die Lesbarkeit der Kunst: Zur Geistes-Gegenwart der Ikonologie. Wagenbach, Berlin 1992, ISBN 978-3-8031-5137-7.
  • Johann Konrad Eberlein: Inhalt und Gehalt: Die ikonografisch-ikonologische Methode. In: Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer, Martin Warnke (Hrsg.): Kunstgeschichte: Eine Einführung. 7., überarbeitete und erweiterte Auflage. Reimer, Berlin 2008, ISBN 978-3-496-01387-7, S. 175–198.
  • Marion G. Müller, Stephanie Geise: Grundlagen der visuellen Kommunikation. 2., überarbeitete Auflage. UVK, Konstanz 2015, ISBN 978-3-8252-2414-1.
  • Andreas Beyer: 78 Jahre danach – Bemerkungen zur Geistes-Gegenwart der Ikonologie. In: Lena Bader, Johannes Grave, Markus Rath (Hrsg.): Die Kunst – zur Sprache gebracht. Wagenbach, Berlin 2017, ISBN 978-3-8031-2784-6, S. 135–145.
  • Ulrich Heinen: Subjektivität und Objektivität im Denkraum Kunstunterricht. Zur methodischen Einheit der Bildinterpretation. In: Martina Ide, Klaus-Gereon Beuckers (Hrsg.): Denkraum Kunstunterricht. Aktuelle Ansätze der Kunstpädagogik | Kunstdidaktik. München 2021, ISBN 978-3-96848-646-8, S. 143–193.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ginzburg 1988.
  2. Müller/Geise 2015, S. 183–196.
  3. Ralf Bohnsack: Die dokumentarische Methode in der Bild- und Fotointerpretation. In: Yvonne Ehrenspeck, Burkhard Schäffer (Hrsg.): Film- und Fotoanalyse in der Erziehungswissenschaft. Ein Handbuch. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2003, ISBN 3-8100-2840-1, S. 87–107.