Ionenstrahl

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Vakuumanlage, mit der unter anderem Mikrobearbeitung mit einem fokussierten Ionenstrahl möglich ist
Mikroskopisch kleine Kanäle eines Flüssigkeitssensors, hergestellt durch Ionenstrahlbearbeitung einer Silicium-Platte (Kanalbreite etwa 18 µm)

Bei einem Ionenstrahl handelt es sich um einen mit Hilfe einer Ionenquelle erzeugten, sich im Vakuum bewegenden fokussierten Strahl geladener Teilchen, genauer Ionen.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte der Ionenstrahlen beginnt mit der Untersuchung der Alphastrahlung durch Ernest Rutherford 1911.[2] Die Ionenquelle bestand bei Rutherford aus einem Radiumpräparat, dessen Alphastrahlung für Streuversuche mithilfe einer Bleiabschirmung kollimiert wurde.

Bereits 1928 wurden mit einem Driftröhrenbeschleuniger erste Ionen künstlich beschleunigt. In den folgenden Jahren wurden Cockcroft-Walton-Beschleuniger und andere Gleichspannungsbeschleuniger zur Beschleunigung von Ionenstrahlen in der Forschung genutzt; damit gelang 1932 erstmals die Beobachtung einer durch künstlich beschleunigte Teilchen ausgelösten Kernreaktion.[3] Im Verlauf der 1930er Jahre wurden die Elektronen- und Ionenoptik zur Reife gebracht: Mithilfe magnetischer Felder ist es möglich, einen Ionenstrahl ähnlich einem Lichtstrahl zu fokussieren und so ohne Aufweitung des Strahls zu transportieren.[3]

Die während des Zweiten Weltkrieges gewonnenen Erkenntnisse im Bereich der Mikrowellenerzeugung kamen der Weiterentwicklung der Wechselfeldbeschleuniger für Ionen zugute (siehe Linearbeschleuniger, Synchrotron). Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Prinzip der Starken Fokussierung[4] entdeckt, das für die Entwicklung von Hochenergie-Ionenbeschleunigern entscheidend wurde.

Erzeugung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ionenstrahlen werden heute in spezialisierten Ionenquellen erzeugt. Der zu wählende Typ der Quelle hängt ab von den Anforderungen an Energie, Ladungszustand, Gesamt- oder Pulsstrom und Ionenspezies. Deshalb sind an manchen Beschleunigeranlagen verschiedene, abwechselnd benutzbare Ionenquellen installiert.

Der Ionenstrahl wird stets im Vakuum erzeugt. Dazu werden zunächst neutrale Atome mithilfe verschiedener Techniken ionisiert. In der Ionenquelle findet sich auch die erste Beschleunigungsstufe, die mithilfe eines elektrischen Feldes den Ionen eine Hauptbewegungsrichtung vorgibt.[5] Erst nach diesem Schritt kann von einem Ionenstrahl gesprochen werden.

Für einige Anwendungen reicht die Ausgangsenergie einer Ionenquelle aus und der Ionenstrahl kann direkt verwendet werden. Andere Anwendungsgebiete, speziell die Kern- und Teilchenphysik erfordern höhere Energien, für die die Ionen in einem Teilchenbeschleuniger weiter beschleunigt werden müssen.

Anwendungen in der Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Forschung werden Ionenstrahlen ähnlich wie Elektronenstrahlen in der Teilchen-, Kern- und Atomphysik eingesetzt. Meist kommt mit der Ionenquelle ein Teilchenbeschleuniger zum Einsatz, um die Ionen auf die jeweils erforderliche Energie zu bringen.

Schwerionenstrahlen haben Anwendungen zum Beispiel in der Medizin (Schwerionentherapie) und möglicherweise zukünftig für die Energiegewinnung durch Trägheitsfusion.

Industrielle Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Industrie finden Ionenstrahlen niedrigerer Energien im Energiebereich bis zu einigen Megaelektronenvolt Anwendung vor allem zur Ionenimplantation, z. B. in der Halbleitertechnik und in Focused-Ion-Beam-Verfahren für Mikroskopie und Materialbearbeitung sowie Massenspektrometrie (Sekundärionen-Massenspektrometrie). Auch zur Isotopenanalyse werden Ionenstrahlen eingesetzt: Bei der Beschleuniger-Massenspektrometrie wird ein Ionenstrahl aus einem Material unbekannter Isotopenzusammensetzung erzeugt. Die Zusammensetzung wird dann mittels der Unterschiede in den ionenoptischen Eigenschaften verschiedener Isotope ermittelt, so dass auf Alter oder der Herkunft des Materials geschlossen werden kann.

Höherenergetische Ionenstrahlen werden zur Erzeugung von Radionukliden und Neutronen für die Medizin und Materialanalyse verwendet.

In der Raumfahrt werden Ionenstrahltriebwerke eingesetzt.[6]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stanley Humphries: Charged Particle Beams. John Wiley and Sons, 1990, ISBN 0-471-60014-8 (fieldp.com).
  2. Ernest Rutherford: The scattering of alpha and beta particles by matter and the structure of the atom. In: Philosophical Magazine. 21. Jahrgang, 1911, S. 669–688 (ubc.ca).
  3. a b S. Y. Lee: Accelerator Physics. World Scientific, 1999, ISBN 981-02-3710-3.
  4. E. D. Courant, M. Stanley Livingston, S. Hartland Snider: The Strong-Focusing Synchrotron - A New High Energy Accelerator. In: Physical Review. 88. Jahrgang, Nr. 5, doi:10.1103/PhysRev.88.1190.
  5. Ian G. Brown (Hrsg.): The physics and technology of ion sources. 2nd ed. Wiley-VCH Verlag GmbH, 2004, ISBN 978-3-527-40410-0, doi:10.1002/3527603956.
  6. Robert W. Hamm, Marianne E. Hamm: The beam business: Accelerators in industry. In: Physics Today. Band 64, Nr. 6, 2011, S. 46, doi:10.1063/1.3603918.