Justine Siegemund

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Justine Siegemund

Justine Siegemund (auch Justina Siegmund, Justina Sigmund, Justine Siegmund; genannt Siegemundin; geboren als Justine Dietrich oder Justine Dittrich; * 26. Dezember 1636 in Rohnstock, Niederschlesien, Königreich Preußen; † 10. November 1705 in Berlin, Königreich Preußen) war eine deutsche Hebamme aus Schlesien. Sie brachte es als Autodidaktin und Dorfhebamme bis zur Hebamme am brandenburgischen Hof und veröffentlichte das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen (Erstausgabe 1690).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Justina Dietrich (von Rohnstock) war Tochter des evangelischen Pfarrers Elias Dittrich aus Rohnstock und verheiratet mit dem Rentschreiber Christian Sieg(e)mund. Die Ehe blieb kinderlos, wie sie selbst auf Seite 23 ihres Buches schreibt.

Justina Siegmund eignete sich ihre Hebammenfertigkeiten autodidaktisch an. Sie hatte in ihrem 21. Lebensjahr eine „eingebildete Schwangerschaft“ („grossesse nerveuse“) durchgemacht; nach ihren eigenen Angaben (auf Seite 17 in ihrem Buch von 1723) war es jedoch ein Gebärmuttervorfall. Dabei litt sie wegen der Unwissenheit der (vom Ehemann hinzugezogenen) Hebammen unter großen Schmerzen. Durch diesen Sonderfall am eigenen Leib war ihr Interesse an der Geburtshilfe erwacht.[1]

1670 wurde sie „Stadt-Wehemutter“ in Liegnitz. Nachdem ihre Bekanntheit und ihr Ansehen gestiegen waren, wurde sie 1683 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm als „Chur-Brandenburgische Hof-Wehemutter“ (Hebamme) nach Berlin berufen. Sie wirkte auch an anderen Höfen, unter anderem in den Niederlanden.

Das Suffix -in wurde (zusammen mit dem bestimmten Artikel) früher für Feminisierungen bei Familiennamen und historisch als Anrede von Frauen benutzt; es wurde dem Namen oder Beruf des Ehemanns angehängt. Deswegen bezeichnete sich Justine Siegemund (zum Beispiel im unten abgedruckten Dokument vom 11. Februar 1690) auch selbst als die Siegemundin.

Der Siegemundinsche Handgriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Siegemundin wurde der klassische „gedoppelte Handgriff“ (bei schwieriger Wendung auf den Fuß bei Schädellagen [oder bei Querlagen]) benannt[2][3][4] („Wendung des Kindes während der Geburt aus der Kopflage auf den Fuß, indem der herabgeholte Fuß mit einem Band angeschlungen und so Platz für die zweite Hand des Geburtshelfers geschaffen wird, die dann, in den Uterus eingeführt, den Kopf direkt hochschiebt.“[5]).

Werk und Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siegemund verfasste ein Lehrbuch für Hebammen. Dafür schöpfte sie ganz aus ihren eigenen vieljährigen Erfahrungen und den Notizen, die sie sich über jeden schweren Geburtsfall gemacht hatte. Sie legte das Buch der medizinischen Fakultät der Brandenburgische Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zur Zensur vor und erhielt 1689 deren Billigung. Es erschien 1690 unter dem Titel „Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter, das ist: ein höchst nöthiger Unterricht von schweren und unrecht stehenden Geburten, in einem Gespräch vorgestellt“. Das Werk wurde wissenschaftlich anerkannt und blieb lange Zeit das medizinische Standardwerk der Hebammenkunst.

Das Hebammenbuch der Siegemundin wurde nach der Erstauflage in Coelln an der Spree 1690[6] mehrfach neu aufgelegt: Berlin 1708, Leipzig 1715 und 1724, erweiterte Auflagen unter dem Titel: Die Königl. Preuss. und Chur-Brandenb. Hoff-Wehe-Mutter [...]., Berlin 1723, 4°, 1741, 1752,[7] 1756. Zudem gab es eine holländische Übersetzung mit Beifügung eines Texts von Cornelius Solingen, Amsterdam 1691, 4°. G. in Hirsch-H. V, S. 263 f.

Varia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2023 wurde Siegemund mit einem Google Doodle geehrt.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Justine Siegemund – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Walther Schönfeld: Frauen in der Abendländischen Heilkunde. Vom klassischen Altertum bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Zusammenfassung einer nicht mehr zustande gekommenen Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Wintersemester 1944/45, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1947, S. 102 f.
  2. Juliane Claudia Wilmanns: Siegemundin, Sigmund(in) Justine, in: Wolfgang Uwe Eckart und Christoph Gradmann: Ärzte Lexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. 3. Auflage, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2006, S. 303, ISBN 978-3-540-29584-6 (Print), ISBN 978-3-540-29585-3 (Online).
  3. Willibald Pschyrembel: Praktische Geburtshilfe. 14. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, Berlin / New York 1973, ISBN 3-11-001683-4, S. 405 f. mit zwei Abbildungen.
  4. Herbert Volkmann (Hrsg.): Guttmanns Medizinische Terminologie. Bearbeitet von Kurt Hoffmann, 35. Auflage, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin 1951, Spalte 939.
  5. Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung, München / Berlin / Wien 1974, Band 6 (S–Zz), ISBN 3-541-84006-4, S. 184.
  6. Deutsches Textarchiv – Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690. In: deutschestextarchiv.de. Abgerufen am 15. Juli 2023.
  7. Justine Siegemundin: Die Koenigl. Preußische und Chur-Brandenb. Hof-Wehe-Mutter. Ein hoechst noethiger Unterricht von schweren und unrecht-stehenden Geburten [...], mit einem Anhange heilsamer Artzeney-Mittel [...]. Berlin (Christian Friedrich Voß) 1752; Neudruck Hannover 1982.
  8. Jens: Justine Siegemund: Ein sehr schönes Google-Doodle zu Ehren der deutschen Hebamme und Buch-Autorin. 28. März 2023, abgerufen am 28. März 2023 (deutsch).