Südkaukasische Sprachen

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Ungefähre Hauptverbreitungsgebiete der südkaukasischen oder kartwelischen Sprachen

Die südkaukasischen Sprachen, auch als kartwelische Sprachen oder Kartwelsprachen bezeichnet (georgisch ქართველური ენები kartveluri enebi), sind eine Sprachfamilie, die zum Komplex der kaukasischen Sprachen gezählt werden. Die Wissenschaft, die sich mit den südkaukasischen Sprachen befasst, bezeichnet man als Kartwelologie. Die Terminologien Südkaukasisch/Kartwelisch verursachen große Uneinigkeit unter Linguisten sowie unter Sprechern der lasischen Sprache. Südkaukasisch als neutraler wissenschaftlicher Begriff für die Sprachfamilie ist sicherlich unverfänglicher.

Einteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gruppe umfasst fünf Einzelsprachen:

  • Die georgische Sprache ist mit rund 5 Millionen Sprechern die bei weitem größte Einzelsprache der Gruppe. Sie ist Amtssprache in Georgien und somit auch die einzige südkaukasische Sprache mit offiziellem Status. Kleinere Sprechergruppen finden sich in der Türkei, im Iran, in Armenien, Aserbaidschan, Russland und der Ukraine.
  • Die judäo-georgische Sprache (auch Judengeorgisch, georgisch veraltet auch Qiwruli) wird häufig als eigenständige Sprache angesehen, manchmal aber auch nur als Dialekt des Georgischen. Es ist die Sprache der georgischen Juden und zeichnet sich durch zahlreiche aramäische und hebräische Lehnwörter aus. In Georgien finden sich heute nur noch unter 10.000 Sprecher. Die meisten georgischen Juden wanderten in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Ende der Sowjetunion nach Israel aus; dort leben heute noch rund 60.000 Sprecher, weitere Auswanderergruppen zogen in die USA, nach Russland und Westeuropa.
  • Die lasische Sprache wird von dem rund 250.000 Menschen zählenden Volk der Lasen gesprochen, das im Südwesten Georgiens und im Nordosten der Türkei an der Schwarzmeerküste siedelt.
  • Die mingrelische Sprache ist mit rund 500.000 Sprechern die zweitgrößte Einzelsprache des südkaukasischen Sprachzweigs. Sie wird im Westen Georgiens (Mingrelien) vom Volk der Mingrelier gesprochen.
Lasisch und Mingrelisch sind enger miteinander verwandt, manche fassen sie daher auch als Dialekte der sogenannten sanischen bzw. kolchischen Sprache zusammen, die mit dem antiken Königreich Kolchis in Verbindung gebracht wird.
  • Die swanische Sprache wird von rund 40.000 Menschen in einigen Gebirgstälern im Norden Georgiens gesprochen. Von der gemeinkartwelischen Grundsprache spaltete sie sich zuerst ab.

Georgisch und Judäo-Georgisch sind die einzigen Schriftsprachen der Gruppe. Georgisch wird seit dem 3. Jahrhundert in einem eigenen Alphabet, dem Mchedruli, geschrieben. Für Judäo-Georgisch wird das hebräische Alphabet verwendet. Einzig diese beiden Sprachen sind untereinander verständlich.

Die Mingrelier, Lasen und Swanen in Georgien verstehen sich traditionell bis heute als Teil der Georgier und verwenden die georgische Sprache als Schriftsprache. Die Anzahl der Lasen in Georgien beläuft sich auf ungefähr 3000. Der größte Teil der Lasen lebt in der Türkei (250.000), versteht sich zumeist als Teil der türkischen Nation und verwendet das lateinische Alphabet.

Eine Verwandtschaft der kartwelischen Sprachfamilie zu anderen Sprachen konnte bisher nicht nachgewiesen werden (auch nicht zu anderen kaukasischen Sprachen). Manche Linguisten vermuten jedoch eine Verwandtschaft mit einer Reihe von anderen Sprachfamilien (siehe Nostratisch).[1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rusudan Amerijibi-Mullen (Hrsg.): K’olxuri (megrul-lazuri) ena. Colchian (Megrelian-Laz) language. The International Center for Georgian Language. Universali, Tiflis 2006.
  • Heinz Fähnrich, Surab Sardshweladse: Etymologisches Wörterbuch der Kartwel-Sprachen (= Handbuch der Orientalistik. Abteilung I, Band 24). Brill, Leiden 1995, ISBN 90-04-10444-5.
  • Heinz Fähnrich (Hrsg.): Kartwelsprachen. Altgeorgisch, Neugeorgisch, Mingrelisch, Lasisch, Swanisch. Reichert, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89500-653-1.
  • Heinz Fähnrich: Die Kartwelier. Grundsprache, Kultur, Lebensraum. Reichert, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-95490-192-0.
  • Tamaz V. Gamqrelidze, Givi I. Mačavariani: Sonantensystem und Ablaut in den Kartwelsprachen. Aus dem Georgischen übersetzt von Winfried Boeder. Narr, Tübingen 1982, ISBN 3-87808-360-2.
  • Alice C. Harris (Hrsg.): The indigenous languages of the Caucasus. Bd. 1: The Kartvelian languages. Caravan Books, Delmar NY 1991, ISBN 0-88206-068-6.
  • Georgij A. Klimov: Etymological dictionary of the Kartvelian languages. Mouton de Gruyter, Berlin und New York 1998, ISBN 3-11-015658-X.
  • Aleksandr Rostowzew-Popiel: Historische Typologie der kartwelischen Dialekte (PDF; 3,0 MB). In: Georgica. Aachen 2005, S. 136–153. ISSN 0232-4490.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zu zahlreichen grammatischen und lexikalischen Gemeinsamkeiten des Altgeorgischen und des Sumerischen vgl. Heinz Fähnrich: Grammatik der altgeorgischen Sprache. Hamburg 1994, S. 250 ff.