Karussell (Musiktheorie)

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Karussell bezeichnet in der Musiktheorie eine Sequenz, in deren Bass ein aufsteigender Tetrachord jeweils eine Terz abwärts versetzt wird:


\new PianoStaff <<
<< % wegen Generalbass
   \new Staff <<
    \set Score.tempoHideNote = ##t
    \tempo 4 = 160
    \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
     <<
     \new Voice = "first"
       \relative c''
         { \voiceOne s2 e d1 c b a g \bar "" }
     \new Voice = "second"
       \relative c'
         { \voiceTwo s2 c' ~ c b ~ b a ~ a g ~ g f ~ f e }
     >>
     >>
    \new Staff <<
           \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
              \clef "bass"
              \relative c { s e f g a c, d e f a, b c }
     >>
 >>
  \new FiguredBass {
    \figuremode { <_>2 <6> <6 5> <_> <9> <6> <6 5> <_> <9> <6> <6 5> <_> }
   }
>> % wegen Generalbass

Grundlage dieses Satzmodells ist eine Kette aus Synkopendissonanzen (SeptimeSexte bzw. Sekunde–Terz), die von der Unterstimme kontrapunktiert wird. Dies führt zu der Folge von Generalbass-Signaturen, die das Notenbeispiel zeigt. Gängig wurde das Modell im späten 17. Jahrhundert. So finden sich manche Beispiele in den Triosonaten von Arcangelo Corelli.

Der Terminus „Karussell“ stammt vom Freiburger Musiktheoretiker Ludwig Holtmeier und lässt sich vor allem in jüngeren Veröffentlichungen von Lehrenden der Hochschule für Musik Freiburg und der Schola Cantorum Basiliensis nachweisen. Er wird in Publikationen aus diesem Personenkreis als „in der aktuellen Forschung eingebürgert“ bezeichnet.[1]

Ulrich Kaiser nennt das Modell hingegen „Parallelismus-Sequenzmodell mit 3-8-6-5-Zusatzstimme“, womit er die strukturelle Verwandtschaft mit dem Parallelismus hervorhebt.[2]

Die beiden mittleren Töne der Tetrachorde im Bass können mittels Vorzeichen jeweils als 6. und 7. Stufe einer Dur- oder Mollskala (immer abwechselnd) dargestellt werden. Holtmeier betont, dass nur diese „modulierende Form“ mit einer vierten Stimme funktioniere, während das „diatonische Karussell“ (das erste Beispiel auf dieser Seite) „seiner Natur nach dreistimmig“ sei:[3]


\new PianoStaff <<
<< % wegen Generalbass
   \new Staff <<
    \set Score.tempoHideNote = ##t
    \tempo 4 = 160
    \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
     <<
     \new Voice = "first"
       \relative c''
         { \voiceOne s2 e d1 <c e,> bes <a c,> g \bar "" }
     \new Voice = "second"
       \relative c'
         { \voiceTwo s2 <c' g> ~ <c a> <b e,> ~ <b> <a> ~ <a f> <g c,> ~ <g> <f> ~ <f d> <e a,>}
     >>
     >>
    \new Staff <<
           \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
              \clef "bass"
              \relative c { s e^"a-Moll" fis gis a c,^"F-Dur" d e f a,^"d-Moll" b cis }
     >>
 >>
  \new FiguredBass {
    \figuremode { <_>2 <6> <6 5> <6 5> <9> <6> <6 5> <6 5> <9> <6> <6 5> <6 5> }
   }
>> % wegen Generalbass

Weitere Varianten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johannes Menke bezeichnet auch diese Sequenz als eine Variante des Karussells:[4]


\new PianoStaff <<
<< % wegen Generalbass
   \new Staff <<
    \set Score.tempoHideNote = ##t
    \tempo 4 = 160
    \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
     <<
     \new Voice = "first"
       \relative c''
         { \voiceOne s2 e ~ e d ~ d c ~ c bes ~ bes a ~ a g \bar "" }
     \new Voice = "second"
       \relative c'
         { \voiceTwo s2 gis' a b e, e f g c, cis d e }
     >>
     >>
    \new Staff <<
           \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
              \clef "bass"
              \relative c { s e fis^\markup { \italic "6." } gis a^\markup { \italic "1." } c, d^\markup { \italic "6." } e f^\markup { \italic "1." } a, b^\markup { \italic "6." } cis }
     >>
 >>
  \new FiguredBass {
    \figuremode { <_>2 <_+> <7> <6 5> <4> <_> <7> <6 5> <4> <_+> <7> <6 5> }
   }
>> % wegen Generalbass

Holtmeier weist darauf hin, dass es sich hierbei um einen „synkopierten Ausschnitt aus der Oktavregel“ handelt.[5] Über dem jeweils 6. und 1. Skalenton erklingen Synkopendissonanzen anstelle der Sexte bzw. der Terz, die die Oktavregel dort als Normalität vermittelt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludwig Holtmeier, Johannes Menke, Felix Diergarten: Solfeggi, Bassi e Fughe. Georg Friedrich Händels Übungen zur Satzlehre. Wilhelmshaven: Florian Noetzel Verlag 2013, ISBN 978-3-7959-0906-2.
  • Ulrich Kaiser: Gehörbildung. Satzlehre, Improvisation, Höranalyse. Bärenreiter, Kassel 1998, Bd. 1 (Grundkurs) ISBN 3-7618-1159-4, Bd. 2 (Aufbaukurs) ISBN 3-7618-1160-8.
  • Johannes Menke: Kontrapunkt II: Die Musik des Barock. Laaber, Laaber-Verlag 2017, ISBN 978-3-89007-826-7.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Holtmeier/Menke/Diergarten 2013, S. 52; Menke 2017, S. 132.
  2. Kaiser 1998 Bd. 2, S. 342ff.; siehe auch musikanalyse.net.
  3. Holtmeier/Menke/Diergarten 2013, S. 163.
  4. Menke 2017, S. 132.
  5. Holtmeier/Menke/Diergarten 2013, S. 209.