Kiewer Höhlenkloster

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Höhlenkloster
Blick auf das Kloster

Das Kiewer Höhlenkloster (ukrainisch Києво-Печерська лавра; deutsch Heiliges Mariä-Himmelfahrt-Kloster) liegt am hügelig aufragenden Westufer des Dnipro südlich des heutigen Stadtzentrums von Kiew. Der große von Mauern umgebene Klosterkomplex teilt sich in zwei Bereiche: die obere und die untere Lawra. Beide Teile umfassen eine Vielzahl von kulturell bedeutenden Kirchen, Klöstern und Museen sowie Mönchshöhlen in der unteren Lawra, die den historischen Kern der Anlage bilden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zerstörte Uspenski-Kathedrale des Kiewer Höhlenklosters, 1942. Bild des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg
Die wiederaufgebaute Uspenski-Kathedrale

Das Kiewer Höhlenkloster ist eines der ältesten orthodoxen Klöster der Kiewer Rus. Die nachweislich ältesten Erwähnungen der Höhlen finden sich in der bedeutenden Chronik der vergangenen Jahre (Anfang 12. Jahrhundert) (ukr. Повість временних літ) sowie im Paterikon des Höhlenklosters.

Den Aufzeichnungen nach ließ sich der Einsiedler Antonius von Kiew (Antonij) aus Ljubetsch 1013 am Ufer des Dnepr in den Waräger-Höhlen nieder. Zusammen mit dem Mönch Theodosius von Kiew (Feodosij), der 1062 Vorsteher der Asketengemeinschaft wurde, gründete er 1051 ein orthodoxes Kloster. Im ausgehenden 11. Jahrhundert erfolgte der erste Bau der Maria-Himmelfahrt-Kathedrale (ukr. Успенський собор). In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich der gesamte Klosterbereich zum führenden Kloster in der Kiewer Rus. Diese Tradition wurde auch nicht durch die Mongolenherrschaft von 1240 bis 1480 unterbrochen, obwohl Kiew in dieser Zeit seine Bedeutung als wichtige Handelsstadt mit Konstantinopel einbüßte. 1688 wurde dem Höhlenkloster der Ehrentitel einer „Lawra“ verliehen. Diese hohe Auszeichnung erhielten nur wenige bedeutende orthodoxe Klöster.

Die heutigen Kirchen- und Klosterbauten sind durch den ukrainischen Barock ab dem 18. Jahrhundert geprägt. Wichtige Bauten seit dieser Zeit sind die Maria-Himmelfahrt-Kathedrale, die Dreifaltigkeitstorkirche, die Allerheiligenkirche, die Kreuzerhöhungskirche und die Gottesmutter-Geburtskirche. Der Bau des großen Glockenturms erfolgte ab 1731. Als letzter großer Kirchenbau entstand 1893–1895 die Refektoriumskirche.

Nach der Russischen Revolution und den Wirren des Bürgerkriegs wurde das Höhlenkloster unter der jungen Sowjetmacht 1926 in ein staatliches Museumsreservat umgewandelt. Die Höhlen wurden 1929 geschlossen. Am Ende der Schlacht um Kiew im September 1941 wurde am 3. November 1941[1] die Maria-Himmelfahrt-Kathedrale (Uspenski-Kathedrale) von den deutschen Besatzern gesprengt. Reichskommissar der Ukraine Erich Koch gab als Grund an, dass unterworfene Völker keine identitätsstiftenden Kultstätten haben sollten, die ihre Unabhängigkeitsbestrebungen stärken.

1988, als in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika eine Neuorientierung begonnen hatte, wurde das Mönchsleben im Höhlenkloster wiederbelebt. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der ukrainischen Unabhängigkeit erhielt die orthodoxe Kirche den unteren Klosterbereich zurück, hier siedeln auch wieder Mönche in den traditionellen Höhlen. Die Uspenski-Kathedrale wurde von 1998 bis 2000 wiederaufgebaut.

Nach der Verhängung des partiellen Kriegsrechts im November 2018 wurden gegen den Klostervorsteher, Metropolit Pawlo/Pawel, Ermittlungen wegen Aufwiegelung zu religiösem Hass eingeleitet, der Inlandsgeheimdienst SBU durchsuchte seine Wohnung.[2]

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie in der Ukraine erkrankten viele Bewohner des Höhlenklosters an COVID-19. Metropolit Pawlo weigerte sich, eine Quarantäne über das Kloster zu verhängen, bis er sich selbst infizierte und eine stationäre Behandlung benötigte.[3]

Während des Russisch-Ukrainischen Krieges wurde das Kloster als Ort subversiver Aktivitäten russischer Spezialdienste verdächtigt.[4] Der Vorwurf lautete: Sabotage für Russland. Empörung rief insbesondere ein Video hervor, das zeigte, wie Gläubige im Höhlenkloster das „Erwachen“ von „Mutter Russland“ besingen.[5] Ende 2022 kündigte die ukrainische Regierung den Pachtvertrag für das Höhlenkloster mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats (UOK), die sich zwar vom Moskauer Patriarchat losgesagt hat, aber nach Ansicht der Behörden nach wie vor enge Kontakte dorthin unterhalten hat. Am orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar 2023 feierte Metropolit Epiphanius, das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, die mit dem Moskauer Patriarchat rivalisiert und dem Patriarchat von Konstantinopel untersteht, dort erstmals den Festgottesdienst. Die Kreml-Propaganda attackierte deshalb Kiew und sprach von einer „satanischen schwarzen Messe“.[6]

Am Abend des 10. März 2023 wurde ein Schreiben bekannt, laut dem die Ukrainische Orthodoxe Kirche das Kiewer Höhlenkloster bis zum 29. März 2023 komplett räumen muss. Das Kulturministerium begründete dies mit der „Verletzung der Bestimmungen des Abkommens über die Nutzung von Staatseigentum durch das Kloster“.[7] Mit Unterstützung der Polizei hat die für das Kloster zuständige staatliche Museumsverwaltung am 6. Juli 2023 die Eingangstür zur Residenz von Metropolit Onufriy aufgebrochen und sie dann versiegelt.[8] Mitte Juli 2023 wurde Metropolit Pawlo/Pawel verhaftet, die meisten Mönche hielten sich aber immer noch im Höhlenkloster auf.[9] Am 10. August 2023 entschied ein Kiewer Wirtschaftsgericht, die Ukrainische Orthodoxe Kirche müsse dem staatlichen Klostermuseum 79 Gebäude auf diesem Territorium zurückgeben. Faktisch bedeutet diese noch nicht rechtskräftige Entscheidung, dass die Ukrainische Orthodoxe Kirche das Höhlenkloster mit seinen Kirchen, dem Sitz des Metropoliten, der Schule sowie einem Hotel und anderen Gebäuden verlassen muss. Seither ist das Kloster für externe Besucher geschlossen.[10]

Höhlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kloster erhielt seinen Namen von ausgedehnten künstlich geschaffenen Höhlen, die seit der Gründungszeit als Einsiedeleien der Mönche dienten. Hier in größter Abgeschiedenheit von der Welt versuchen Mönche, sich durch Gebet Gott zu nähern. Die langen Höhlengänge umfassen in gewissen Abständen kleinste Mönchszellen und unterirdische Kirchen. Die Höhlen wurden aber auch als Bestattungsort verstorbener Mönche genutzt. Entlang aller Gänge stehen in Nischen die Särge vieler Mönche, deren Körper sich in den Särgen im Laufe der Jahrhunderte mumifizierten. Auch der berühmte Chronist Nestor ist in den Höhlen bestattet.

Das Höhlensystem, das teilweise für Touristen zugänglich ist, wird in zwei Bereiche unterteilt: die nahen und die fernen Höhlen, die beide von der unteren Lawra zugänglich sind.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glockenturm des Höhlenklosters
Glockenturm der Fernen Höhlen

Das Höhlenkloster ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Kiews. Der hohe Stellenwert wird auch dadurch untermauert, dass der Klosterkomplex seit 1990 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. Mehr als eine Million Touristen besuchen jährlich die ausgedehnten Anlagen und ihre Museen. Das wichtigste Museum ist das „Museum der historischen Kostbarkeiten der Ukraine“. Hier wird Kunsthandwerk aus dem Gebiet der heutigen Ukraine ausgestellt. Im Mittelpunkt stehen wertvollste Goldarbeiten aus der Zeit der Skythen, u. a. ein goldenes Pektoral (Brustschmuck) aus dem 4. Jh. v. Chr., sowie aus den Zeiten der Kiewer Rus und der Kosaken. Weitere Museen sind das „Museum der ukrainischen Volkskunst“ und eine Ausstellung von Miniaturkunstwerken, die unter Lupen und Mikroskopen zu betrachten sind.

In der Kunst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kiewer Höhlenkloster, Gemälde von Wassili Wereschtschagin, 1905

Das Gedicht Weißt du von jenen Heiligen[11] von Rainer Maria Rilke bezieht sich auf die Mönche des Höhlenklosters.[12]

Archimandriten (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bischof Silvester (Stojtschew): Das Kiewer Höhlenkloster in Geschichte und Gegenwart. In: Ost-West. Europäische Perspektiven, Jg. 2020, Heft 1: Klöster in Mittel- und Osteuropa. S. 17–25.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kiewer Höhlenkloster – Album mit Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zitiert nach Helmut Krausnick und Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppen des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 22). Stuttgart 1981, S. 545.
  2. Olena Vasina, Matthias Williams: Ukraine's security service raids home of Russian-backed monastery head. In: reuters.com. 30. November 2018, abgerufen am 13. März 2022.
  3. Kerstin Holm: Ist Gott der Chefarzt? In: FAZ.net. 12. Mai 2020, abgerufen am 13. März 2022.
  4. tagesschau.de: Kiew: Polizei durchsucht Kloster wegen Spionageverdacht. 22. November 2022, abgerufen am 23. November 2022.
  5. Niklas Zimmermann: „Moskauer“ Kirche muss Höhlenkloster in Kiew verlassen. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 27. März 2023]).
  6. Wie sich Russlands Klerus zur Propagandamaschine des Kreml macht spiegel.de, 14. Januar 2023.
  7. „Moskauer“ Kirche muss Kiewer Höhlenkloster verlassen
  8. Ukraine nimmt Teile des Kiewer Höhlenklosters in Besitz. In: domradio.de. 6. Juli 2023, abgerufen am 16. September 2023.
  9. Niklas Zimmermann (FAZ): Zerrieben zwischen Moskau und Kiew (22. Juli 2023)
  10. Bernhard Clasen: Kiewer Höhlenkloster: Zwist unter Glaubensbrüdern. In: www.nd-aktuell.de. 14. August 2023, abgerufen am 16. September 2023.
  11. Rainer Maria Rilke: Weißt du von jenen Heiligen. In: rainer-maria-rilke.de. 20. September 1901, abgerufen am 13. März 2022 (Textwiedergabe).
  12. Adrianna Hlukhovich: „… wie ein dunkler Sprung durch eine helle Tasse …“ Rainer Maria Rilkes Poetik des Blinden. Eine ukrainische Spur. Würzburg 2007, S. 37, Fn. 18 (Google Buch).

Koordinaten: 50° 26′ 6,3″ N, 30° 33′ 26,8″ O