Komplexe Zahl
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steht für die Menge der komplexen Zahlen

Die komplexen Zahlen stellen eine Erweiterung der reellen Zahlen dar. Ziel der Erweiterung ist es, algebraische Gleichungen wie bzw. lösbar zu machen. Im Gegensatz zu den Erweiterungen reicht es hier nicht mehr aus, die Zahlen „linksseitig“ zu erweitern (ganze Zahlen) oder „dichter zu stopfen“ (rationale und reelle Zahlen), sondern man wechselt von einer Zahlengeraden zu einer Zahlenebene.
Da die Quadrate aller reellen Zahlen größer oder gleich 0 sind, kann die Lösung der Gleichung keine reelle Zahl sein. Man braucht eine ganz neue Zahl, die man üblicherweise nennt, mit der Eigenschaft Diese Zahl wird als imaginäre Einheit bezeichnet.
Komplexe Zahlen werden nun als Summe definiert, wobei und reelle Zahlen sind und die oben definierte imaginäre Einheit ist. Auf die so definierten komplexen Zahlen lassen sich die üblichen Rechenregeln für reelle Zahlen anwenden, wobei wie eine Konstante verwendet wird und durch ersetzt werden kann und umgekehrt. Für die Menge der komplexen Zahlen wird das Symbol (ℂ als Unicode-Zeichen U+2102
, siehe Buchstaben mit Doppelstrich) verwendet.
Der so konstruierte Zahlenbereich der komplexen Zahlen bildet einen Erweiterungskörper der reellen Zahlen und hat eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften, die sich in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften als äußerst nützlich erwiesen haben. Einer der Gründe für diese nützlichen Eigenschaften ist die algebraische Abgeschlossenheit der komplexen Zahlen. Dies bedeutet, dass jede algebraische Gleichung positiven Grades über den komplexen Zahlen eine Lösung besitzt, was für reelle Zahlen nicht gilt. Diese Eigenschaft ist der Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra. Ein weiterer Grund ist ein Zusammenhang zwischen trigonometrischen Funktionen und der Exponentialfunktion (Eulerformel), der über die komplexen Zahlen hergestellt werden kann. Ferner ist jede auf einer offenen Menge einmal komplex differenzierbare Funktion dort auch beliebig oft differenzierbar – anders als in der Analysis der reellen Zahlen. Die Eigenschaften von Funktionen mit komplexen Argumenten sind Gegenstand der Funktionentheorie, auch komplexe Analysis genannt.
In der Elektrotechnik wird stattdessen der Buchstabe verwendet, um einer Verwechslung mit einer (durch oder bezeichneten) von der Zeit abhängigen Stromstärke vorzubeugen, allerdings erhöht dies die Verwechslungsgefahr mit der Stromdichte in der Elektrodynamik.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die komplexen Zahlen lassen sich als Zahlbereich im Sinne einer Menge von Zahlen, für die die Grundrechenarten Addition, Multiplikation, Subtraktion und Division erklärt sind, mit den folgenden Eigenschaften definieren:
- Die reellen Zahlen sind in den komplexen Zahlen enthalten. Das heißt, dass jede reelle Zahl eine komplexe Zahl ist.
- Das Assoziativgesetz und das Kommutativgesetz gelten für die Addition und die Multiplikation komplexer Zahlen.
- Das Distributivgesetz gilt.
- Für jede komplexe Zahl existiert eine komplexe Zahl , sodass:
- Für jede von Null verschiedene komplexe Zahl existiert eine komplexe Zahl , sodass:
- Es existiert eine komplexe Zahl mit der Eigenschaft:
- Unter allen Zahlbereichen mit den zuvor genannten Eigenschaften sind die komplexen Zahlen minimal.
Die letzte Forderung ist gleichbedeutend damit, dass sich jede komplexe Zahl in der Form (bzw. in verkürzter Notation oder auch ) mit reellen Zahlen und darstellen lässt. Die imaginäre Einheit ist dabei keine reelle Zahl. Die Existenz eines solchen Zahlbereichs wird im Abschnitt zur Konstruktion der komplexen Zahlen nachgewiesen.
Unter Verwendung der Begriffe Körper und Isomorphie lässt sich das so formulieren: Es gibt minimale Körper, die den Körper der reellen Zahlen und ein Element mit der Eigenschaft enthalten. In einem solchen Körper hat jedes Element eine und nur eine Darstellung als mit reellen Die komplexen Zahlen sind isomorph zu jedem solchen Körper.
Die Koeffizienten werden als Real- bzw. Imaginärteil von bezeichnet. Dafür haben sich zwei typografische Schreibweisen etabliert:
- und (Schreibweise der Operatoren ohne besondere Ausschreibung)
- und (Schreibweise der Operatoren in Frakturschrift)
In der Elektrotechnik wird das kleine i schon für zeitlich veränderliche Ströme verwendet (siehe Wechselstrom) und kann zu Verwechslungen mit der imaginären Einheit führen. Daher wird in der Elektrotechnik üblicherweise für die imaginäre Einheit die Bezeichnung gewählt, wie dies auch in der Norm DIN 1302 festgelegt ist.
In der Physik wird zwischen für die Stromstärke bei Wechselstrom und durch die Art der Darstellung des Buchstabens für die imaginäre Einheit unterschieden. Dies führt durch die Trennung beim aufmerksamen Leser nicht zu Verwechslungen und wird in dieser Form weitgehend sowohl in der physikalisch-experimentellen als auch in der physikalisch-theoretischen Literatur angewandt; handschriftlich ist diese Feinheit allerdings nicht zu halten, weshalb häufig das als Symbol für die imaginäre Einheit verwendet wird. Siehe auch: Komplexe Wechselstromrechnung
Komplexe Zahlen können gemäß DIN 1304-1 und DIN 5483-3 unterstrichen dargestellt werden, um sie von reellen Zahlen zu unterscheiden. Siehe auch: Phasor.
Grundlegende Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Darstellung von komplexen Zahlen in der komplexen Zahlenebene
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Während sich die Menge der reellen Zahlen als Punkte auf einer Zahlengeraden darstellen lässt, lässt sich die Menge der komplexen Zahlen als Punkte auf einer Ebene (komplexe Ebene, gaußsche Zahlenebene) darstellen. Da die komplexen Zahlen einen zweidimensionalen reellen Vektorraum definieren, kann die komplexe Ebene mit einem kartesischen Koordinatensystem versehen werden, das von den beiden orthogonalen Vektoren und aufgespannt wird. Es ist üblich, innerhalb diesem die reellen Zahlen über eine waagerechte und die imaginären Zahlen über eine senkrechte Achse darzustellen. Eine komplexe Zahl mit besitzt dann die „horizontale Koordinate“ und die „vertikale Koordinate“ , wird also mit dem Zahlenpaar identifiziert. Entsprechend bildet eine Basis des -Vektorraumes .
Gemäß Definition entspricht die Addition komplexer Zahlen einer Vektoraddition, wobei man die Punkte in der Zahlenebene mit ihren Ortsvektoren identifiziert. Die Subtraktion komplexer Zahlen entspricht einer Vektorsubtraktion. Die Multiplikation ist in der gaußschen Ebene eine Drehstreckung, was nach Einführung der Polarform weiter unten klarer werden sollte.

Es gibt mehrere Möglichkeiten der Darstellung von komplexen Zahlen:
- Darstellung in kartesischen Koordinaten , gelegentlich auch algebraische Form genannt,[2] als Summe des reellen und des rein imaginären Anteils mit folgenden Schreibweisen, also[3]
- oder auch .
- Darstellung in Polarkoordinaten bzw. in Polardarstellung als Produkt des absoluten Betrages gedreht um den Winkel mit folgenden Schreibweisen:
- ,
- ,[4]
Hierbei wird der Faktor als Phasenfaktor und der Winkel auch als Argument der komplexen Zahl (in Polardarstellung) bezeichnet. Hintergrund dieser Darstellung ist die Eulersche Formel, die über die komplexen Zahlen einen fundamentalen Zusammenhang zwischen der natürlichen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Alle oberen Schreibweisen stellen demnach exakt den gleichen Sachverhalt dar. Es ist zu beachten, dass die komplexe Zahl kein Argument besitzt, weshalb hier keine Darstellung in Polarkoordinaten im oberen Sinne möglich ist.
Eine Umwandlung von kartesischer Form in Polarform ist mittels und
möglich. Setzt man , ergo und , so ist die Gleichheit zur arctan2-Funktion eine Konsequenz aus der Halbwinkelformel
Die linke Seite lässt sich im „vollen Winkelbereich des Hauptarguments“ unter Anwendung des Arkustangens zu umformen. Ist hingegen , also auf der rechten Halbebene, so kann die Gleichung vereinfachend auch zu aufgelöst werden.
Komplexe Konjugation
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Ändert man das Vorzeichen des Imaginärteils einer komplexen Zahl so erhält man die zu konjugiert komplexe Zahl (manchmal auch geschrieben).
Die Konjugation ist ein (involutorischer) Körperautomorphismus, da sie mit Addition und Multiplikation verträglich ist, d. h., für alle gilt
In der Polardarstellung hat die konjugiert komplexe Zahl bei unverändertem Betrag gerade den negativen Winkel von Man kann die Konjugation in der komplexen Zahlenebene also als die Spiegelung an der reellen Achse interpretieren. Insbesondere werden unter der Konjugation genau die reellen Zahlen auf sich selbst abgebildet.
Das Produkt aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das Quadrat ihres Betrages:
Die komplexen Zahlen bilden damit ein triviales Beispiel einer C*-Algebra.
Die Summe aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das 2-Fache ihres Realteils:
Die Differenz aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das -Fache ihres Imaginärteils:
Als normierter, metrischer und topologischer Raum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die durch die Abstandsfunktion induzierte Metrik versieht den komplexen Vektorraum mit seiner Standardtopologie. Sie stimmt mit der Produkttopologie von überein, so wie auch die Einschränkung von auf mit der Standardmetrik auf übereinstimmt. Der Betrag einer komplexen Zahl berechnet sich durch , wobei der nichtnegative Wert der Quadratwurzel gewählt wird. Zum Beispiel gilt
Beide Räume, sowie , sind vollständig unter diesen Metriken. Auf beiden Räumen lässt sich der topologische Begriff der Stetigkeit zu analytischen Begriffen wie Differentiation und Integration erweitern.
Ordnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]ist im Gegensatz zu kein geordneter Körper, d. h., es gibt keine mit der Körperstruktur verträgliche lineare Ordnungsrelation auf . Von zwei unterschiedlichen komplexen Zahlen kann man daher im Allgemeinen nicht sinnvoll (bezogen auf die Addition und Multiplikation in ) festlegen, welche von beiden die „größere“ bzw. die „kleinere“ Zahl ist.[5]
Weitere Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Körper der komplexen Zahlen ist einerseits ein Oberkörper von , andererseits ein zweidimensionaler -Vektorraum. Der Isomorphismus wird auch als natürliche Identifikation bezeichnet. In der Regel nutzt man dies auch, um formell als mit der entsprechenden komplexen Multiplikation zu definieren und dann zu setzen. Dabei wird gleichzeitig festgelegt:
- Die Drehung der komplexen Ebene am Ursprung um den positiven Winkel führt die positive reelle in die positiv-imaginäre Einheit über.
- Wenn die positiv-reelle Halbachse in der komplexen Ebene nach rechts geht, dann legt man die positiv-imaginäre Halbachse nach oben. Das ist in Einklang mit dem mathematisch positiven Drehsinn.
- Die Körpererweiterung ist vom Grad ; genauer ist isomorph zum Faktorring , wobei das Minimalpolynom von über ist. Ferner bildet bereits den algebraischen Abschluss von .
- Als -Vektorraum besitzt die Basis . Daneben ist wie jeder Körper auch ein Vektorraum über sich selbst, also ein eindimensionaler -Vektorraum mit Basis .
- und sind genau die Lösungen der quadratischen Gleichung . In diesem Sinne kann (aber auch ) als „Wurzel aus “ aufgefasst werden.[Anm 1]
Rechenregeln
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Da kommutativ, ergibt das Anfügen von an das gleiche Ergebnis wie das Anfügen von an .
Addition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für zwei komplexe Zahlen und gilt
- .
Addition und Subtraktion sind in Polardarstellung nicht ohne Weiteres möglich. Es ist vorher eine Umrechnung in die kartesische Form und ggf. danach eine Rückrechnung in die Polarform empfehlenswert. Für und erhält man
mit
- und
- unter Nutzung der arctan2-Funktion.

Multiplikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für zwei komplexen Zahlen und folgt durch direktes Ausmultiplizieren
- ,
wobei im letzten Schritt zu beachten ist.
Für die Multiplikation zweier komplexer Zahlen und in Polarform gilt[6]
- .
Division
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Division einer komplexen Zahl durch eine komplexe Zahl erweitert man den Bruch mit der zum Nenner konjugiert komplexen Zahl . Der Nenner wird dadurch reell (und ist das Quadrat des Betrages von ) und die Division lässt sich auf den vorherigen Fall zurückführen:[7]
Alternativ gilt entsprechend zur Multiplikation bei
Rechenbeispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Addition:
Subtraktion:
Multiplikation:
Division:
- .
Potenzen, Wurzeln und Logarithmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zu den Rechenoperationen der dritten Stufe gehören Potenzieren, Wurzelziehen (Radizieren) und Logarithmieren.
Logarithmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der komplexe natürliche Logarithmus ist (anders als der reelle auf ) nicht eindeutig. Durch Hinzufügen von Bedingungen kann allerdings wieder eine Eindeutigkeit erreicht werden. Man spricht dann vom sog. Hauptzweig des Logarithmus. Eine Eigenschaft dieses Hauptzweiges ist, dass seine Einschränkung auf wieder dem reellen natürlichen Logarithmus entspricht.
Eine komplexe Zahl heißt Logarithmus der komplexen Zahl , wenn
Mit ist auch jede Zahl mit beliebigem ein Logarithmus von . Man arbeitet daher mit Hauptwerten, d. h. mit Werten eines bestimmten Streifens der komplexen Ebene.
Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl
ist[8]
mit und . Anders formuliert: Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl ist
wobei der Hauptwert des Arguments von ist.[9]
Für allgemeine gilt[10]
- ,
wobei
Insbesondere ist die aus der reellen Analysis bekannte Regel für nicht allgemein für den Hauptzweig des Logarithmus gültig.
Potenzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Natürliche Exponenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für natürliche Zahlen berechnet sich die -te Potenz in der polaren Form zu[11]
(siehe den Satz von de Moivre) oder für die algebraische Form mit Hilfe des binomischen Satzes zu
Zum Beispiel gilt
oder
Anwendung findet diese Formel zudem beim Beweis diverser trigonometrischer Identitäten. So erhält man, durch Vergleiche von Real- und Imaginärteil mit im Satz von de Moivre, die Ausdrücke[12]
- ,
und
- .
Beliebige komplexe Exponenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Allgemein kann für mit komplexen Exponenten
definiert werden. Dabei steht für den Hauptzweig des komplexen Logarithmus. Diese Definition ist jedoch willkürlich, denn sie hängt von der Wahl des Zweiges des Logarithmus ab. In oberem Fall spricht man entsprechend vom Hauptwert von . Jede Zahl aus der Menge
kann allerdings als eine -te Potenz von aufgefasst werden, und die Wahl des Logarithmus wird bei der entsprechenden Definition der Größe mit genannt.[13] Im Fall stimmen jedoch alle möglichen Ergebnisse mit dem Hauptwert überein, und die Funktion wird eindeutig, d. h. unabhängig von der getroffenen Logarithmuswahl.
Ein Beispiel dieser allgemeinen Regel ist das Potenzieren imaginärer Zahlen mit komplexen Exponenten. So ist der Hauptwert von wegen durch
gegeben. Zum Beispiel gilt dann . Allgemein sind alle möglichen Werte des Terms durch die Elemente der Menge gegeben.[14]
Beim Rechnen mit beliebigen komplexen Potenzen ist, wegen der vielen verschiedenen Zweige des Logarithmus, große Vorsicht geboten. So ist etwa das aus den reellen Zahlen bekannte Potenzgesetz
im komplexen im Allgemeinen nicht mehr gültig. Zum Beispiel gilt bei Benutzung des Hauptzweigs
Untergruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Genau die Zahlen bilden den Einheitskreis der komplexen Zahlen mit dem Betrag , diese Zahlen werden auch unimodular genannt und bilden die Kreisgruppe.
Dass die Multiplikation von komplexen Zahlen (außer der Null) Drehstreckungen entspricht, lässt sich mathematisch wie folgt ausdrücken: Die multiplikative Gruppe der komplexen Zahlen ohne die Null lässt sich als direktes Produkt der Gruppe der Drehungen – isomorph zur Kreisgruppe – und der Streckungen um einen Faktor ungleich Null – isomorph zur multiplikativen Gruppe – auffassen. Erstere Gruppe lässt sich durch das Argument parametrisieren, zweitere entspricht gerade den Beträgen.
Alle Elemente einer endlichen Untergruppe der multiplikativen Einheitengruppe sind Einheitswurzeln. Unter allen Ordnungen von Elementen einer gegebenen endlichen Untergruppe gibt es eine maximale, sie heiße . Da kommutativ ist, erzeugt ein Element mit dieser maximalen Ordnung dann auch die Gruppe, so dass die Gruppe zyklisch ist und genau aus den Elementen
- mit
besteht. Alle diese Elemente liegen auf dem Einheitskreis.
Die Vereinigung aller endlichen Untergruppen ist eine Gruppe, die zur Torsionsgruppe isomorph ist. Sie liegt dicht in ihrer Vervollständigung, der schon erwähnten Kreisgruppe, die auch als 1-Sphäre aufgefasst werden kann und zu isomorph ist.
Konstruktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In diesem Abschnitt wird nachgewiesen, dass tatsächlich ein Körper der komplexen Zahlen existiert, der den in der obigen Definition geforderten Eigenschaften genügt. Es sind dabei verschiedene Konstruktionen möglich, die jedoch bis auf Isomorphie zum selben Körper führen.
Paare reeller Zahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Konstruktion nimmt zunächst keinerlei Bezug auf die imaginäre Einheit : Im 2-dimensionalen reellen Vektorraum der geordneten reellen Zahlenpaare wird neben der Addition
(das ist die gewöhnliche Vektoraddition) eine Multiplikation durch
definiert.
Nach dieser Festlegung schreibt man , und wird zu einem Körper, dem Körper der komplexen Zahlen. Die imaginäre Einheit wird dann durch definiert.
Da eine Basis des bilden, lässt sich damit als Linearkombination
darstellen.
Erste Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Abbildung ist eine Körpereinbettung von in , aufgrund der wir die reelle Zahl mit der komplexen Zahl identifizieren.
Bezüglich der Addition ist:
- die Zahl das neutrale Element (das Nullelement) in und
- die Zahl das inverse Element in .
Bezüglich der Multiplikation ist:
- die Zahl das neutrale Element (das Einselement) von und
- das Inverse (Reziproke) zu ist .
Bezug zur Darstellung in der Form a + bi
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch wird die imaginäre Einheit festgelegt; für diese gilt , was nach obiger Einbettung gleich entspricht.
Jede komplexe Zahl besitzt die eindeutige Darstellung der Form
mit ; dies ist die übliche Schreibweise für die komplexen Zahlen.
Polynome: Adjunktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Konstruktion der komplexen Zahlen ist der Faktorring
des Polynomringes in einer Unbestimmten über den reellen Zahlen. Hintergrund ist der surjektive Einsetzungshomomorphismus mit , der als Kern das maximale Ideal hat. Mit dem Homomorphiesatz ergibt sich dann die behauptete Isomorphie.
Dieses Konstruktionsprinzip ist auch in anderem Kontext anwendbar, man spricht von Adjunktion.
Matrizen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Menge der -Matrizen der Form
- mit
bildet ebenfalls ein Modell der komplexen Zahlen. Dabei werden die reelle Einheit bzw. die imaginäre Einheit durch die Einheitsmatrix bzw. die Matrix dargestellt. Daher gilt:
Diese Menge ist ein Unterraum des Vektorraums der reellen -Matrizen. Diese Darstellung spielt eine entscheidende Rolle bei Holomorphen Funktion im Zusammenhang der Cauchy-Riemannschen partiellen Differentialgleichungen.
Reelle Zahlen entsprechen Diagonalmatrizen
Die zu den Matrizen gehörenden linearen Abbildungen sind, sofern und nicht beide null sind, Drehstreckungen im Raum . Es handelt sich um genau dieselben Drehstreckungen wie bei der Interpretation der Multiplikation mit einer komplexen Zahl in der gaußschen Zahlenebene.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff „komplexe Zahlen“ wurde von Carl Friedrich Gauß (Theoria residuorum biquadraticorum, 1831) eingeführt, der Ursprung der Theorie der komplexen Zahlen geht auf die Mathematiker Gerolamo Cardano (Ars magna, Nürnberg 1545) und Rafael Bombelli (L’Algebra, Bologna 1572; wahrscheinlich zwischen 1557 und 1560 geschrieben) zurück.[15]
Die Unmöglichkeit eines naiven Radizierens der Art ist bei der Behandlung quadratischer Gleichungen schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden, z. B. schon in der um 820 n. Chr. verfassten Algebra des Muhammed ibn Mûsâ Alchwârizmî. Aber bei dem nächstliegenden und scheinbar unanfechtbaren Schluss, dass diese Art von Gleichung nicht lösbar sei, blieb die mathematische Forschung nicht stehen.
In gewissem Sinne ist bereits Gerolamo Cardano (1501–1576) in seinem 1545 erschienenen Buch Artis magnae sive de regulis algebraicis liber unus darüber hinausgegangen. Er behandelt dort die Aufgabe, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt 40 und deren Summe 10 ist. Er hebt hervor, dass die dafür anzusetzende Gleichung
keine Lösung hat, fügt aber einige Bemerkungen hinzu, indem er in die Lösung
der allgemeinen normierten quadratischen Gleichung
für und die Werte −10 bzw. 40 einsetzt. Wenn es also möglich wäre, dem sich ergebenden Ausdruck
einen Sinn zu geben, und zwar so, dass man mit diesem Zeichen nach denselben Regeln rechnen dürfte wie mit einer reellen Zahl, so würden die Ausdrücke
in der Tat je eine Lösung darstellen.
Für die Quadratwurzel aus negativen Zahlen und allgemeiner für alle aus einer beliebigen reellen Zahl und einer positiven reellen Zahl zusammengesetzten Zahlen
- oder
hat sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung imaginäre Zahl eingebürgert, die ursprünglich von René Descartes stammt, der in seiner La Géométrie (1637) damit die Schwierigkeit des Verständnisses komplexer Zahlen als nichtreeller Lösungen algebraischer Gleichungen ausdrückte. John Wallis erzielte im 17. Jahrhundert erste Fortschritte in Hinblick auf eine geometrische Interpretation komplexer Zahlen. Gottfried Wilhelm Leibniz nannte sie 1702 eine „feine und wunderbare Zuflucht des menschlichen Geistes, beinahe ein Zwitterwesen zwischen Sein und Nichtsein“.[16] Die Einführung der imaginären Einheit als neue Zahl wird Leonhard Euler zugeschrieben. Er erzielte durch Rechnen mit imaginären Zahlen wertvolle neue Erkenntnisse, zum Beispiel veröffentlichte er die Eulersche Formel 1748 in seiner Einführung in die Analysis und veröffentlichte erstmals explizit die Formel von Abraham de Moivre (Ende des 17. Jahrhunderts, dieser wiederum hatte sie von Isaac Newton[17]), aber auch Euler hatte noch große Schwierigkeiten beim Verständnis und der Einordnung komplexer Zahlen, obwohl er routinemäßig damit rechnete.
Die geometrische Interpretation wurde zuerst vom Landvermesser Caspar Wessel (1799 veröffentlicht in den Abhandlungen der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften, aber erst rund hundert Jahre später weiteren Kreisen bekannt),[18] von Jean-Robert Argand (in einem obskuren Privatdruck 1806, den aber Legendre zur Kenntnis kam und der 1813 breiteren Kreisen bekannt wurde) und Gauß (unveröffentlicht) entdeckt. Gauß erwähnt die Darstellung explizit in einem Brief an Friedrich Bessel vom 18. Dezember 1811.[19] Nach Argand wird die geometrische Darstellung in der Zahlenebene manchmal auch Arganddiagramm genannt.
Als Begründer der komplexen Analysis gilt Augustin-Louis Cauchy in einer 1814 bei der französischen Akademie eingereichten Arbeit über Integration im Komplexen, die aber erst 1825 veröffentlicht wurde. 1821 definierte er in seinem Lehrbuch Cours d’analyse eine Funktion einer komplexen Variablen in die komplexe Zahlenebene und bewies viele grundlegende Sätze der Funktionentheorie.
William Rowan Hamilton strebte aufgrund seiner Interpretation der Philosophie Immanuel Kants einen „Aufbau der Algebra als Wissenschaft der reinen Zeit an“ und fand in dem Kontext 1833 eine logisch einwandfreie Begründung der komplexen Zahlen als geordnetes Paar reeller Zahlen. Er deutete die komplexe Zahl als Zahlenpaar und definierte Addition beziehungsweise die Multiplikation durch[20]
Heute wird die Berechtigung komplexer Zahlen nicht mehr in Frage gestellt: Durch die Einfachheit der Definition, durch die bereits erläuterten Bedeutung und durch Anwendungen in vielen Wissenschaftsgebieten stehen die komplexen Zahlen den reellen Zahlen in nichts nach. Der Begriff der „imaginären“ Zahlen wurde zwar beibehalten, hat aber im Laufe der Jahrhunderte seine ursprünglich pejorative Bedeutung – im Sinne von eingebildeten, unwirklichen, sinnlosen oder nutzlosen Zahlen – abgelegt. Um es mit Carl Friedrich Gauß zu sagen: „Bei allem dem sind die imaginären Grössen, so lange ihre Grundlage immer nur in einer Fiction bestand, in der Mathematik nicht sowohl wie eingebürgert, als viel mehr nur wie geduldet betrachtet, und weit davon entfernt geblieben, mit den reellen Grössen auf gleiche Linie gestellt zu werden. Zu einer solchen Zurücksetzung ist aber jetzt kein Grund mehr […]“[21]