Lago di Lei

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Lago di Lei
Lago di Lei, im Hintergrund Pizzo Stella
Lago di Lei, im Hintergrund Pizzo Stella
Lago di Lei, im Hintergrund Pizzo Stella
Lage Region Lombardei (I)
Kanton Graubünden (CH)
Zuflüsse diverse Bergbäche
Abfluss Reno di Lei
Lago di Lei (Lombardei)
Lago di Lei (Lombardei)
Koordinaten 46° 28′ 59″ N, 9° 27′ 18″ OKoordinaten: 46° 28′ 59″ N, 9° 27′ 18″ O
Daten zum Bauwerk
Sperrentyp Bogenstaumauer
Bauzeit 1957–1962
Höhe des Absperrbauwerks 141 m
Höhe über Gewässersohle 133 m
Bauwerksvolumen 850 000 m³
Kronenlänge 690 m
Betreiber Kraftwerke Hinterrhein AG, Thusis
Daten zum Stausee
Höhenlage (bei Stauziel) 1931 m s.l.m.
Wasseroberfläche 4,12 km²
Stauseelänge 7,7 km
Speicherraum 197 000 000 m³
Gesamtstauraum 200 000 000 m³
Einzugsgebiet 46,5 km²
Bemessungshochwasser 134 m³/s
Detailkarte

Der Lago di Lei ist ein 8 km langer Stausee, der (wie der Lago di Livigno) fast vollständig in Italien liegt, auf dem Gebiet der Gemeinde Piuro. Nur die 141 m hohe Staumauer und der 950 m lange Zufahrtstunnel liegen in der Schweiz, in einer Exklave der Gemeinde Ferrera oberhalb der Alp Campsut.

Das Tal heisst Valle di Lei und wird vom Reno di Lei (wörtlich Lei-Rhein, früher eingedeutscht auch Leibach[1]) durchflossen.

Technische Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Höchstwasserstand liegt bei 1931 m ü. M. und der Tiefstwasserstand bei 1830 m ü. M.

Die Anlagen gehören der Kraftwerke Hinterrhein AG, die mit dem gespeicherten Wasser in Ferrera ein Kraftwerk mit 185 MW Leistung antreibt. Das Wasser fliesst von dort weiter in den Stausee von Sufers.

Abgesehen vom taleigenen Niederschlag wird der See mit Hilfe von Spiegelstollen mit Wasser aus den benachbarten Tälern Val Madris und aus dem 9 km entfernten Averstal gespeist.

Orographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wasser des Lago di Lei bzw. Reno di Lei ist eines der wenigen Gewässer Italiens, die über den Rhein in den Bodensee und weiter in die Nordsee fliessen, ähnlich wie das Wasser des Lago di Livigno, das ebenfalls nicht ins Mittelmeer, sondern in den Inn bzw. die Donau und damit schliesslich ins Schwarze Meer fliesst.

Fauna[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im See leben Fische, unter anderem Forellen und Saiblinge, deren Bestand in den Jahren vor der Entleerung 2012 stark limitiert wurde.[2] Das Wiederbesatzungsprogramm war bis 2018 geplant.[3][4]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zugänglichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Norden her war das Hochtal Valle di Lei, bevor 1957 von der Schweizer Seite her ein Tunnel gebaut wurde, nur sehr schwer zugänglich: Das Tal wird unten gegen Innerferrera, wo der Reno di Lei in den Averser Rhein mündet, durch eine Schlucht abgeschlossen, so dass das Tal von Norden her nur zu Fuss über den steilen und schmalen Umweg durch die Val digl Uors (wörtl. Bärental) erreichbar war.[5]

Andererseits wurde das Tal schon früh von Italien im Süden her über den Passo di Lei und den Passo di Angeloga zur Alpsömmerung genutzt.

Wechsel zwischen Italien und der Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals erwähnt wurde das Tal als Val de Leylo im Jahre 1355. Zu dieser Zeit war das Tal vorübergehend durch Siedler aus dem Süden ganzjährig bewohnt.

Im Jahre 1462 verkauften die Grafen von Werdenberg im Zuge ihres Niedergangs das Tal der Bergeller Gemeinde Piuro (dt. veraltet Plurs).[6]

Drei Bünde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die Mailänderkriege fiel das gesamte Tal von Chiavenna und damit auch Piuro und die Valle di Lei 1512 an die Drei Bünde. Da die Drei Bünde ihrerseits seit 1497 als Ewige Mitverbündete bzw. Zugewandter Ort zur Alten Eidgenossenschaft gehörten, gehörte die Valle di Lei von 1512 bis 1797 also zur Schweiz.

Während dieser Zeit, nämlich im 17. Jahrhundert, wurde das Tal nicht nur für die Alpwirtschaft, sondern auch für den Erzabbau genutzt.[6]

Übergang an Italien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Gründung der Cisalpinischen Republik und der damit verbundenen Grenzziehung im Bergell von 1797 gehört die Valle di Lei mit Piuro zusammen offiziell zu Italien. Der Wiener Kongress bestätigte an sich diesen Verlust der eidgenössischen Gemeinen Herrschaft Chiavenna an Italien, doch auch wenn Chiavenna und das Hauptterritorium von Piuro auf dem 1858 publizierten Blatt XIX der Dufourkarte nicht mehr als Schweizer Territorium gekennzeichnet waren, so blieb die Valle di Lei weiterhin als Teil der Schweiz kartiert.[7][8] Erst der Vertrag Convenzione tra l’Italia e la Svizzera per l’accertamento della frontiera fra la Lombardia ed il Cantone dei Grigioni von 1863 klärte die Zugehörigkeit zu Italien endgültig.[9]

Stauwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grenzverlauf an der Staumauer

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Bau der Talsperre Valle di Lei wurde 1957 begonnen. Die Projektierung der Staumauer erfolgte durch Ingenieur Claudio Marcello. Die Bauleitung lag bei der Mailänder Firma Edison, heute Mitaktionärin der Kraftwerke Hinterrhein.[10] Bis zu 1500 Leute arbeiteten auf der Baustelle. Etwa zehn Arbeiter kamen während des Baus ums Leben, ihre Namen sind bei einer kleinen Kapelle auf italienischem Staatsgebiet vermerkt. Zuerst erstellte man zwei Seilbahnen von Campodolcino über den Passo di Angeloga, um Material und Arbeiter zu transportieren. Dann wurde die Zufahrtsstrasse mit Tunnel erstellt. Eigens für den Mauerbau wurden zwei Steinbrüche errichtet.

Die Staumauer wurde 1962 vollendet. Danach wurde eine Grenzkorrektur vollzogen: Das Gebiet um die Staumauer wurde von Italien an den Schweizer Kanton Graubünden abgetreten, während die etwas nördlicher gelegene Alpe Motta zum italienischen Staatsgebiet wechselte.[11] Von den Seilbahnen sind heute nur noch Ruinen vorhanden.[12][13] Seit der Ausserbetriebnahme der Seilbahnen besteht eine Verkehrsverbindung in das Tal nur über Schweizer Territorium.

Durch die Füllung des Stausees ab 1963 wurden zusammen mit dem Tal 15 Alpen geflutet,[4] beispielsweise Erebella, S. Anna (Kapelle der Talschaft), Palazzetto, Caurga, Mulacetto und Corbia di Sopra.[14] Übrig geblieben sind die Alpe Mottala, Alpe Pian del Nido und Alpe Scalotta im Talgrund sowie die Alpe del Crot und die Alpe Motta nördlich der Staumauer. Die Alpe della Palù (früher Alp la Palü) wurde vom Seegrund zum linken (westlichen) Ende der Mauerkrone hoch verlegt.

Betriebsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lago di Lei kurz nach Beginn der Wiederauffüllung im Mai 2013

Zu Revisionszwecken wurde der Stausee im Oktober und November 2012 innerhalb von 19 Tagen erstmals vollständig entleert, wobei Ruinen der 1963 gefluteten Alpen sichtbar wurden. Nach erfolgter Revision der Stauwerkinstallationen und des Druckschachtes wurde die Wiederauffüllung im Frühling 2013 eingeleitet, die bis 2014 geplant war.[15][4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bündner Kalender. 169. Jahrgang. Casanova Druck und Verlag, Chur 2010, ISBN 978-3-85637-276-7, S. 131–140.
  • Gregorio Luigi Fanetti, Luciano Guanella: Storia per immagini della Val di Lei. 2008 (italienisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Lago di Lei – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siegfriedkarte (Topographischer Atlas der Schweiz).
  2. Abfischen am Lago di Lei. In: Fisch & Fang. Paul Parey Zeitschriftenverlag, 26. Mai 2009, abgerufen am 4. November 2022.
  3. Lago di Lei bis im Frühling «verschwunden». In: Südostschweiz. 24. Oktober 2012, abgerufen am 4. November 2022.
  4. a b c 50 Jahre unter Wasser: Stausee gibt Schätze frei. In: SRF News. 25. April 2013, abgerufen am 4. November 2022.
  5. Dufourkarte, Topographische Karte der Schweiz.
  6. a b Jürg Simonett: Valle di Lei. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 16. Februar 2017, abgerufen am 5. Juni 2019.
  7. Dufourkarte von 1858, Blatt XIX, aufgerufen am 8. Juni 2013.
  8. Publikationsdatum von Blatt XIX Chiavenna-Bellinzona der Dufourkarte.
  9. Staatsvertrag Italien-Schweiz von 1863 (Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Italien über die Festlegung der italienisch-schweizerischen Grenze auf der Strecke zwischen Run Do oder Cima Garibaldi und Mont Dolent. Staatsvertrag, deutsche Version).
  10. Bündner Kalender. 2010, S. 131.
  11. Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik betreffend eine Grenzbereinigung im Val di Lei (PDF; 110 kB).
  12. Bergstation Passo d’Angeloga. Foto. In: Panoramio. Archiviert vom Original am 30. Januar 2016; abgerufen am 4. November 2022.
  13. Seilbahnantrieb. Foto. In: Panoramio. Archiviert vom Original am 11. Januar 2016; abgerufen am 4. November 2022.
  14. Alpbezeichnungen auf der Siegfriedkarte (Online)
  15. Lago di Lei: Verwunschene Ruinen im Stausee. In: SRF News. 25. April 2013, abgerufen am 4. November 2022.