Leucin

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Strukturformel
Struktur von L-Leucin, dem natürlich vorkommenden Isomer
Allgemeines
Name Leucin
Andere Namen
Summenformel C6H13NO2
Kurzbeschreibung

schimmernd weiße Kristallschuppen[3]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-522-0
ECHA-InfoCard 100.000.475
PubChem 6106
ChemSpider 5880
DrugBank DB00149
Wikidata Q483745
Arzneistoffangaben
ATC-Code

V06 

Eigenschaften
Molare Masse 131,18 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,29 g·cm−3[4]

Schmelzpunkt

293–295 °C[3]

pKS-Wert
  • pKS, COOH = 2,33[5]
  • pKS, NH3+ = 9,74[5]
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[6]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[6]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Leucin, abgekürzt Leu oder L, ist eine proteinogene α-Aminosäure. Der Name stammt von gr. λευκός leukós "weiß", da es wie viele andere Aminosäuren kristallisiert als weißes Pulver erscheint.[7]

Leucin gehört zusammen mit seinen Konstitutionsisomeren Isoleucin, Norleucin und tert-Leucin zur Stoffgruppe der Leucine.

Isomere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für höhere Lebewesen ist L-Leucin [Synonym: (S)-Leucin] eine essentielle Aminosäure, die vermutlich für den Energiehaushalt im Muskelgewebe eine zentrale Rolle spielt. Das Spiegelbildisomer (Synonym: Enantiomer) von L-Leucin ist das D-Leucin [Synonym: (R)-Leucin]. Letzteres kommt in Proteinen nicht vor.

In diesem Text betreffen die Angaben zur Physiologie allein das L-Leucin [Synonym: (S)-Leucin]. Wenn in diesem Artikel und in der wissenschaftlichen Literatur ohne jeden Zusatz „Leucin“ erwähnt wird, ist stets L-Leucin gemeint. Racemisches DL-Leucin [Synonym: (RS)-Leucin] und enantiomerenreines D-Leucin [Synonym: (R)-Leucin] sind synthetisch zugänglich und besitzen nur geringe praktische Bedeutung. Die Racemisierung von L-Aminosäuren kann zur Aminosäuredatierung – einer Altersbestimmung für fossiles Knochenmaterial – herangezogen werden.[8]

L-Leucin wird von den Codons UUA, UUG, CUU, CUC, CUA und CUG kodiert.

Isomere von Leucin
Name L-Leucin D-Leucin
Andere Namen (S)-Leucin (R)-Leucin
Strukturformel
CAS-Nummer 61-90-5 328-38-1
328-39-2 (Racemat)
EG-Nummer 200-522-0 206-327-7
206-328-2 (Racemat)
ECHA-Infocard 100.000.475 100.005.753
100.005.754 (Racemat)
PubChem 6106 439524
– (Racemat)
DrugBank DB00149 DB01746
− (Racemat)
FL-Nummer 17.012 -
Wikidata Q483745 Q16081973
Q60662890 (Racemat)

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1819 konnte der französische Pharmazeut und Chemiker Joseph Louis Proust zwei Substanzen aus Weizenmehl isolieren, die er als „acide caséique“ und „oxide caséeux“ bezeichnete.[9] Ein Jahr darauf isolierte Henri Braconnot eine scheinbar neue Substanz durch saure Hydrolyse aus Muskelfaser und Wolle und nannte diese aufgrund der weißen Färbung der Kristalle Leucin.[10] Eduard Mulder erkannte 1839 die Identität der beiden Stoffe und diskutierte die mögliche Zusammensetzung.[11] Aber erst 1891 gelang es dem deutschen Chemiker Ernst Schulze und seinem Doktoranden Arthur Likernik die Konstitution von L-Leucin richtig festzustellen.[12]

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leucin ist – peptidisch gebunden – Bestandteil tierischen und pflanzlichen Proteins. Die folgenden Beispiele beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil von Leucin am Gesamtprotein angegeben:[13]

Lebensmittel Gesamtprotein Leucin Anteil
Rindfleisch, roh 21,26 g 1691 mg 0 8,0 %
Hähnchenbrustfilet, roh 23,09 g 1732 mg 0 7,5 %
Lachs, roh 20,42 g 1615 mg 0 7,9 %
Hühnerei 12,58 g 1088 mg 0 8,6 %
Kuhmilch, 3,7 % Fett 0 3,28 g 0 321 mg 0 9,8 %
Walnüsse 15,23 g 1170 mg 0 7,7 %
Weizen-Vollkornmehl 13,70 g 0 926 mg 0 6,8 %
Mais-Vollkornmehl 0 6,93 g 0 850 mg 12,3 %
Reis, ungeschält 0 7,94 g 0 657 mg 0 8,3 %
Erbsen, getrocknet 24,55 g 1760 mg 0 7,2 %

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leucin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der Carboxygruppe an das einsame Elektronenpaar des Stickstoffatoms der Aminogruppe wandert.

Zwitterionen von L-Leucin (links) bzw. D-Leucin (rechts)

Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genaugenommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert) der Fall, bei dem das Leucin auch seine geringste Löslichkeit in Wasser hat. Der isoelektrischer Punkt liegt bei 5,98.[14] Racemisches Leucin, welches zum besseren Verständnis der Homochiralität in der Biosphäre zirkular polarisierter Synchrotron-Strahlung ausgesetzt wurde, zeigt einen Enantiomerenüberschuss von 2,6 %.[15]

Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

L-Leucin ist wichtig für den Erhalt und Aufbau von Muskelgewebe. Es unterstützt die Proteinbiosynthese in Muskulatur und Leber, hemmt den Abbau von Muskelprotein und unterstützt Heilungsprozesse. Wie L-Isoleucin kann auch L-Leucin als Energielieferant dienen.

Die Einschätzungen des Tagesbedarfs für gesunde Erwachsene reichen, je nach verwendeter Methode, von 10 bis 50 mg Leucin pro Kilogramm Körpergewicht.[16] Ein Mangel ist entweder durch ungenügende Zufuhr mit der Nahrung oder Unterversorgung mit Vitamin B6 bedingt.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

L-Leucin ist neben Glycin und anderen proteinogenen L-Aminosäuren Bestandteil von medizinischen Infusionslösungen.

Im Kraftsport wird Leucin als Nahrungsergänzungsmittel für den Muskelaufbau verwendet.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Beyer und Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, 20. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 1984, ISBN 3-7776-0406-2.
  • Hans-Dieter Jakubke und Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, 1982, ISBN 3-527-25892-2.
  • Jesse Philip Greenstein und Milton Winitz: Chemistry of Amino Acids, John Wiley & Sons, 1962, Bände 1 bis 3, ISBN 0-471-32637-2.
  • Yoshiharu Izumi, Ichiro Chibata und Tamio Itoh: Production and Utilization of Amino Acids, In: Angewandte Chemie International Edition in English, 1978, 17, S. 176–183, doi:10.1002/anie.197801761.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Leucin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zu E 641: L-leucine in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 6. August 2020.
  2. Eintrag zu LEUCINE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 6. August 2020.
  3. a b c d Eintrag zu l-Leucin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
  4. Datenblatt Leucin (PDF) bei Carl Roth, abgerufen am 18. Dezember 2012.
  5. a b Hans Beyer und Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1991, ISBN 3-7776-0485-2, S. 823.
  6. a b Eintrag zu L-Leucin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. November 2022. (JavaScript erforderlich)
  7. Michel Fleck, Aram M. Petrosyan: Salts of Amino Acids: Crystallization, Structure and Properties. Springer International Publishing, Cham 2014, ISBN 978-3-319-06298-3, doi:10.1007/978-3-319-06299-0 (englisch, springer.com).
  8. Hans-Dieter Jakubke, Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, 62, 1982, ISBN 3-527-25892-2.
  9. L. J. Proust: Sur le Principe qui assaisonne les Fromages., Ann Chim Phys, Band 10, S. 29ff (1819).
  10. H. Braconnot: Memoire sur un Principe particulier aux graines de la famille des légumineuses, et analyse des pois et des haricots. Ann Chim Phys, Band 34, S. 68ff (1827).
  11. Sabine Hansen: Die Entdeckung der proteinogenen Aminosäuren von 1805 in Paris bis 1935 in Illinois. (Memento vom 15. Juni 2016 im Internet Archive) Berlin 2015.
  12. E. Schulze, A. Likernik: Über die Constitution des Leucins. Ber Deutschen Chem Ges, Band 24, S. 669ff (1891).
  13. Nährstoffdatenbank des US-Landwirtschaftsministeriums, 21. Auflage.
  14. P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
  15. Meierhenrich: Amino acids and the asymmetry of life, Springer-Verlag, 2008, ISBN 978-3-540-76885-2.
  16. A. V. Kurpad, M. M. Regan, T. Raj, J. V. Gnanou: Branched-chain amino acid requirements in healthy adult human subjects, in: J. Nutr., 2006, 136 (1 Suppl), S. 256S–263S; PMID 16365094.