Modellpflege

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VW Polo VI vor (2017–2021) und nach (ab 2021) Modellpflege

Als Modellpflege (kurz MPF oder MoPf als ursprünglich bei Daimler-Benz verwendetes und in der Automobilszene bis heute verwendetes Akronym) werden in der Automobil- und Motorradbranche optische und technische Überarbeitungen eines Fahrzeugmodells bezeichnet. Da im Lauf der Jahre die optische Auffrischung zum Anreiz des frühzeitig wiederholten Fahrzeugwechsels markentreuer Kunden immer weiter in den Vordergrund trat, technische Überarbeitungen und Neuerungen aber vermehrt ab den frühen 1990er Jahren zusehends schon im Wechsel der Modelljahre stattfanden, wurde der Anglizismus Facelifting geläufig, der wiederum in Deutschland zum Begriff Facelift verstümmelt wurde. Die Automobilhersteller verwenden heute jeweils meist eigene Bezeichnungen wie LCI für Life Cycle Impulse (BMW) oder PA für Produktaufwertung (Volkswagen).

Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Modellpflegemaßnahmen, bei denen technische Details eines Fahrzeugs der gleichen Baureihe verändert werden, finden bei einigen Herstellern jährlich statt, andere Hersteller lassen technische Modellpflegemaßnahmen zu unbestimmten Zeitpunkten in die laufende Serienproduktion einfließen. Üblich ist es, etwa zur Mitte des Produktlebenszyklus eines Modells eine Modellpflege durchzuführen. Typischerweise umfasst eine solche Modellpflege neue verfügbare Motorvarianten, zusätzliche Ausstattungsoptionen sowie optische Veränderungen, die zumeist Details wie die Scheinwerfer und die Stoßfänger betreffen. Angeblich existieren teilweise bereits bei Einführung eines neuen Fahrzeugmodells die Pläne für eine spätere optische Modellpflege. Im Gegensatz zum Modellwechsel, bei dem ein ganz neues Fahrzeug auf den Markt kommt, bleibt ein Fahrzeug nach der Modellpflege weitgehend gleich, unterliegt jedoch Veränderungen im Detail. Der überwiegende Teil der Änderungen ist meist visueller Art (z. B. Zierleisten, Leuchten, Kühlergrill, Stoffbezüge) und erhöht die visuelle Alterung der bisher verkauften Fahrzeuge, es handelt sich hierbei um ein klassisches Anti-Beispiel der Nachhaltigkeit.

Im Rahmen der Modellpflege wird das neue, mit Verbesserungen ausgestattete Modell oft als Modell des nächsten Jahres angeboten. Findet die Modellpflege beispielsweise im Herbst des Jahres N statt, so wird das Fahrzeug oft als Modell N+1 angeboten. Findet die Modellpflege im Frühjahr des Jahres M statt, ist auch die Bezeichnung M/II je nach Hersteller gebräuchlich.

Zweck dieser Maßnahmen ist häufig das Vortäuschen eines neuen Modells und der damit verbundene Impuls auf die Verkaufszahlen. Fahrzeuge aus der Modellpflege werden daher meist als neue Modelle beworben. Unkritische Medien folgen diesem Duktus und beschreiben die Modellpflege ebenfalls als Neuentwicklung.

Eine Modellpflege kann auch eine Veränderung der Modellnamen bewirken; dies war z. B. der Fall mit dem Umbenennung von Audi 100 in A6 1994.

Abgrenzungsungenauigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was eine Modellpflege ist und was bereits ein neues Modell, ist letztlich Interpretationssache. Teilweise umfangreiche Facelifts und ein verstärktes Zurückgreifen auf Carry-over-Teile wie Bodengruppen erzeugen einen Graubereich. So galt im medialen Konsens die Mercedes-Benz-Baureihe 222 (S-Klasse von 2013) als neues Modell, obwohl es die Bodengruppe und die Typzulassung des Vorgängers verwendet, das im selben Jahr erschienene Facelift der Baureihe 212 (E-Klasse) aber tatsächlich nur als Facelift, obwohl die Neuerungen sehr umfangreich waren. Beides wurde als neues Modell vermarktet.

Der VW Golf VI (2008 bis 2012) war offiziell die sechste Baureihe des VW Golf, de facto aber ein Golf V mit einem Facelift.

Planung und Steuerung der Modellpflege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Modellpflege wird häufig mit dem Wechsel des Modelljahres eines Fahrzeugs durchgeführt.[1] Dies hat Vorteile für die Erstellung der Vertriebsunterlagen, da das Modelljahr auch in den Zulassungsunterlagen vermerkt wird (siehe Fahrgestellnummer bzw. Fahrzeug-Identifizierungsnummer). Zudem wird die Produktionsplanung und -steuerung erleichtert, da die verschiedenen technischen Änderungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben, nicht einzeln, sondern gebündelt in die Produktion einfließen und damit auch die Beschaffung und Logistik der Neu- und Entfallteile gezielter gesteuert werden können.[2]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Modellpflege ohne Facelift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mercedes-Benz 200
(W 123, 1975–1982)
Mercedes-Benz 200
(W 123, 1982–1985)

Der Mercedes-Benz W 123 wurde während seiner zehnjährigen Produktionszeit äußerlich kaum verändert. Die Modellpflegemaßnahmen waren hauptsächlich technischer Natur.

Während der Bauzeit wurden unter anderem neu entwickelte Motoren, geänderte Innenausstattungen und neue Ausstattungsmerkmale eingesetzt. Das äußere Erscheinungsbild änderte sich im Wesentlichen dadurch, dass zu Produktionsbeginn nur für die Spitzenmodelle verfügbare Fahrzeugteile, wie zum Beispiel Breitbandhalogenscheinwerfer, ab September 1982 auch in die kleiner motorisierten Versionen eingebaut wurden.

Leichtes Facelift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

BMW 5er (E39, 1995–2000)
BMW 5er (E39, 2000–2003)

Der 5er BMW wurde im September 2000[3] für das Modelljahr 2001 dezent optisch und technisch überarbeitet. Die vorderen Scheinwerfer wurden durch Scheinwerfer mit Standlichtringen und runden Blinkleuchten ersetzt, die Rückleuchten ebenfalls leicht geändert. Alle Stoßleisten erhielten eine Lackierung in Wagenfarbe (außer beim M-Paket und M5). Die Chrom-Einfassung sowie die Form der BMW-Niere wurden ebenfalls verändert. Das Design der Frontschürze wurde verändert und die Nebelscheinwerfer rund anstatt eckig gestaltet. Aus technischer Sicht wurden fortan unter anderem neu entwickelte Motoren angeboten.

Umfangreiches Facelift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ford Scorpio ’92 (1992–1994)
Ford Scorpio ’95 (1994–1997)

Der Ford Scorpio wurde im Oktober 1994[4] für das Modelljahr 1995 mit völlig neu gestalteten Karosserie-Anbauteilen ausgestattet. Die Fließhecklimousine entfiel komplett. Die Änderungen betrafen die Fahrzeugfront (Scheinwerfer, Kotflügel, Motorhaube, Stoßfänger, Kühlergrill usw.). Bei der Stufenhecklimousine wurde zudem auch der Heckbereich völlig neu gestaltet, was beim Kombi (Turnier) nicht der Fall war.

Wegen der in weiten Teilen gleichen Technik ist der Scorpio ’95 aber nach wie vor grundsätzlich nur ein modernisierter Scorpio ’92.

Ähnliches gilt für den VW Golf VI, der weitestgehend mit dem Golf V identisch ist.

Ein deutliches Facelift erhielt auch der Fiat Multipla, bei dem die charakteristische Stufenfront mit runden Scheinwerfern 2004 ersetzt wurde.

Modellpflege bei Umstellung der Fahrzeugmarke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Magirus-Deutz MK-Reihe
Iveco Magirus MK-Reihe

In der Geschichte der Automobilindustrie kommt es vor, dass ein Fahrzeughersteller von einem anderen übernommen wird. In solchen Fällen wurden in der Vergangenheit häufig Modelle des übernommenen Herstellers unter geringen Änderungen in das Programm des übernehmenden Herstellers aufgenommen. Ein Beispiel aus der Nutzfahrzeugindustrie ist die Magirus-Deutz MK-Reihe. Im Rahmen der Eingliederung von Magirus-Deutz in den Iveco-Konzern von 1975 bis 1983 wurde die MK-Reihe von Magirus-Deutz, die schon 1980 einen anderen Kühlergrill erhalten hatte, 1983 einem weiteren Facelift unterzogen, bei dem die Blinker in die nun statt aus Metall aus Kunststoff gefertigte Stoßstange wanderten. Gleichzeitig wurde der Innenraum neu gestaltet und die Markenbezeichnung auf Iveco umgestellt. Die Umstellung geschah sehr behutsam von „Magirus-Deutz“ über „Magirus Iveco“ und „Iveco Magirus“ schließlich zu ausschließlich „Iveco“, um die Stammkunden langsam an die neue Marke heranzuführen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilmjakob Herlyn: PPS im Automobilbau. Produktionsprogrammplanung und -steuerung von Fahrzeugen und Aggregaten. Carl Hanser Verlag, München 2012, ISBN 978-3-446-41370-2.
  • Guido Maune: Möglichkeiten des Komplexitätsmanagements für Automobilhersteller auf Basis IT-gestützter durchgängiger Systeme. Dissertation an der Universität Paderborn, 2002
  • Florian Klug: Logistikmanagement in der Automobilindustrie – Grundlagen der Logistik im Automobilbau. Springer Verlag, Berlin/ Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-05292-7.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. W. Herlyn: PPS im Automobilbau. Hanser Verlag, München 2012, S. 110.
  2. W. Herlyn: Die terminliche Steuerung des Serieneinsatzes von Produkten und technischen Änderungen im Automobilbau aus logistischer Sicht. In: 20 Magdeburger Logistiktage. Tagungsband. Fraunhofer IFF (Hrsg.). Magdeburg 2015, S. 63 ff.
  3. Diagnose: im Kern gesund. autobild.de, 24. Februar 2005, abgerufen am 29. Dezember 2017.
  4. Production History. fordscorpio.co.uk, abgerufen am 29. Dezember 2017 (englisch)