Neutralisierender Antikörper

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Die Virusbindung an die Zelle (links) wird durch NAb gehemmt (rechts)

Neutralisierende Antikörper (NAb, von engl. neutralising antibodies) sind Antikörper, die hemmend auf ein Pathogen oder Toxin wirken.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diphtherie-Antitoxin aus dem Blutserum von Pferden (1895)

Neutralisierende Antikörper binden meist an Proteine in der Oberfläche einer Zelle des Pathogens (bei Bakterien und Pilzen) bzw. auf der Virusoberfläche bei Viren und verhindern entweder sterisch die Bindung des Pathogens an die Wirtszelle oder aber verhindern die Konformationsänderung der Proteine, welche notwendig für den Eintritt in die Wirtszelle ist.[1] Somit können die Antikörper die Infektion und mögliche Schäden durch das Pathogen verhindern, ohne dass Zellen des Immunsystems rekrutiert werden müssen. Nur ein Teil der nach Infektion oder Impfung gebildeten und an das Pathogen bindenden Antikörper wirkt neutralisierend.[2] Nicht-neutralisierende Antikörper binden an das Pathogen, wirken aber nicht neutralisierend, sondern benutzen weitere Funktionen von Antikörpern, wie Opsonisierung und Aktivierung des Komplementsystems, um das Pathogen zu entfernen.[3]

Neutralisierende Antikörper sind ein wichtiger Bestandteil der Immunität nach einer Infektion, welche vor erneuter Infektion schützt (sterilisierende Immunität). Die Neutralisation ist eine der drei möglichen Funktionen eines Antikörpers, neben der Opsonisierung und der Komplementaktivierung. Beim Subtyp Immunglobulin A ist die Neutralisation die Hauptfunktion.[4] Impfstoffe zur passiven Immunisierung enthalten neutralisierende Antikörper in hohen Konzentrationen.[5] Typische Beispiele für neutralisierende Antikörper sind das Diphtherie-Antitoxin, das nach einer Impfung mit einem Diphtherieimpfstoff gebildet wird, wie auch viele andere Antitoxine durch eine Impfung erzeugt werden. Bei der Therapie der multiplen Sklerose mit Interferon-beta können neutralisierende Antikörper dagegen entstehen, welche die Wirksamkeit der Behandlung mindern.[6]

Die neutralisierende Wirkung von Antikörpern kann mit einem Neutralisationstest gemessen werden. Ein Hämagglutinationshemmtest und ein Tierversuch mit passiver Immunisierung und anschließender Infektion (Belastungsversuch) geben Hinweise auf neutralisierende Wirkung.

Breitneutralisierende Antikörper[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Impfstoffentwicklung gegen Pathogene mit einer hohen genetischen Variabilität und dementsprechend vielen Fluchtmutanten wird versucht, die Bildung von Antikörpern gegen möglichst viele Varianten, Subtypen oder Stämme eines Pathogens zu induzieren, sogenannte breitneutralisierende Antikörper (bNAb, von engl. broadly neutralising antibodies), z. B. breitneutralisierende Anti-HIV-Antikörper und breitneutralisierende Anti-IAV-Antikörper.[7] Für das Denguevirus, das Hepatitis-C-Virus[8] und das West-Nil-Virus werden breitneutralisierende Antikörper untersucht.[9] Ebenso wird die Erzeugung von breitneutralisierenden Antikörpern durch Transfektion mit einem AAV-Vektor gegen HIV[10] und das Influenzavirus (IAV) untersucht.[11]

Die Datenbank bNAber listet breitneutralisierende Antikörper.[12]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Susanne Modrow: Molekulare Virologie. Springer-Verlag, 2010, ISBN 978-3-827-42241-5, S. 108.
  2. Susan Payne: Viruses. Academic Press, 2017, ISBN 978-0-128-03110-0, S. 69.
  3. AL Schmaljohn: Protective antiviral antibodies that lack neutralizing activity: precedents and evolution of concepts. In: Current HIV Research. 11. Jahrgang, Nr. 5, Juli 2013, S. 345–53, doi:10.2174/1570162x113116660057, PMID 24191933.
  4. Christine Schütt, Barbara Bröker: Grundwissen Immunologie. Springer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-827-42647-5, S. 54.
  5. Hans W. Doerr: Medizinische Virologie. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-131-13962-7, S. 136.
  6. A. Bertolotto: Evaluation of the impact of neutralizing antibodies on IFNβ response. In: Clinica Chimica Acta. Band 449, September 2015, S. 31–36, doi:10.1016/j.cca.2015.02.043, PMID 25769291.
  7. K. L. Hefferon: Broadly neutralizing antibodies and the promise of universal vaccines: where are we now? In: Immunotherapy. Band 6, Nummer 1, 2014, S. 51–57, doi:10.2217/imt.13.150, PMID 24341884.
  8. C. Fauvelle, C. C. Colpitts, Z. Y. Keck, B. G. Pierce, S. K. Foung, T. F. Baumert: Hepatitis C virus vaccine candidates inducing protective neutralizing antibodies. In: Expert review of vaccines. Band 15, Nummer 12, 12 2016, S. 1535–1544, doi:10.1080/14760584.2016.1194759, PMID 27267297, PMC 5156833 (freier Volltext).
  9. J. Cohen: Immunology. Bound for glory. In: Science. Band 341, Nummer 6151, September 2013, S. 1168–1171, doi:10.1126/science.341.6151.1168, PMID 24030996.
  10. B. C. Schnepp, P. R. Johnson: Adeno-associated virus delivery of broadly neutralizing antibodies. In: Current opinion in HIV and AIDS. Band 9, Nummer 3, Mai 2014, S. 250–256, doi:10.1097/COH.0000000000000056, PMID 24638019, PMC 4117238 (freier Volltext).
  11. M. P. Limberis, V. S. Adam, G. Wong, J. Gren, D. Kobasa, T. M. Ross, G. P. Kobinger, A. Tretiakova, J. M. Wilson: Intranasal antibody gene transfer in mice and ferrets elicits broad protection against pandemic influenza. In: Science Translational Medicine. Band 5, Nummer 187, Mai 2013, S. 187ra72, doi:10.1126/scitranslmed.3006299, PMID 23720583, PMC 4596530 (freier Volltext).
  12. A. M. Eroshkin, A. LeBlanc, D. Weekes, K. Post, Z. Li, A. Rajput, S. T. Butera, D. R. Burton, A. Godzik: bNAber: database of broadly neutralizing HIV antibodies. In: Nucleic acids research. Band 42, Database issueJanuar 2014, S. D1133–D1139, doi:10.1093/nar/gkt1083, PMID 24214957, PMC 3964981 (freier Volltext).