Otto Mueller

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Otto Mueller: Selbstporträt, 1921

Otto Mueller (* 16. Oktober 1874 in Liebau, Landkreis Landeshut, Provinz Schlesien; † 24. September 1930 in Obernigk, Landkreis Trebnitz, Provinz Niederschlesien) war ein deutscher Maler und Lithograf des Expressionismus. Er gehörte der Künstlergruppe „Brücke“ an und gilt als einer der bedeutendsten Expressionisten.

Leben und Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Otto Mueller wurde als Sohn des Leutnants und späteren Steuerbeamten Julian Mueller und seiner Ehefrau Marie Maywald im damals preußischen Schlesien geboren. Er hatte fünf Schwestern und einen Bruder, Max, der bereits mit vier Jahren starb. Seine Jugendjahre verbrachte er in Görlitz. Das Gymnasium musste er ohne Abschluss verlassen.

Von 1890 bis 1894 absolvierte er auf Wunsch seines Vaters eine Lithografenlehre, daran schloss sich bis 1896 ein Studium an der Kunstakademie von Dresden an, für das er eine Sondergenehmigung erhalten hatte. Dort kam es bald zu Differenzen mit seinem Lehrer Hermann Freye, da er dessen Korrekturen nicht dulden wollte.[1]

1898 ging er mit seinem Malerfreund Paul Kother nach München, um an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste sein Studium der Malerei fortzusetzen. Doch obschon der 1895 als Professor an die Akademie berufene Franz von Stuck bereit war, ihn anzunehmen, ließ Mueller sein Vorhaben schon nach der ersten Korrektur aus ungeklärten Gründen fallen. Stattdessen beschloss er, fortan die Malerei im Selbststudium zu betreiben, wobei ihn insbesondere die Werke von Hans von Marées und Arnold Böcklin anzogen.[2]

1905 heiratete er Maria („Maschka“) Meyerhofer, die er im Herbst 1899 auf einem Klubabend der Elbier kennengelernt hatte und mit der er 1901 einen Sohn, Eugen, bekam, der aber bis zum zwölften Lebensjahr bei ihrer Schwester aufwuchs. Sie stand ihm oft Modell.

Ernst Ludwig Kirchner: Porträt Otto Mueller mit Pfeife, 1917

1908 zog er nach Berlin. Sein Vorbild wurden Plastiken von Wilhelm Lehmbruck, mit dem ihn eine Freundschaft verband; seit 1908 malte er die schlanken Mädchengestalten, die für ihn charakteristisch sind, wie auch die Leimfarben, die er mit Vorliebe für seine Werke nutzte. Er versuchte vergeblich, sich der Berliner Secession anzuschließen, und 1910 gründete er mit anderen abgewiesenen Künstlern die Gruppe Neue Secession, die im Mai eine Ausstellung zeigte unter dem Motto „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“. Darüber kam er mit Mitgliedern der Brücke in Kontakt und arbeitete von 1910 bis zu ihrer Auflösung im Mai 1913 in dieser Künstlergemeinschaft mit. Der in seinem Stil den anderen Brücke-Künstlern sehr ähnliche Mueller bevorzugte eine gedämpfte Farbgebung von lyrisch-dekorativer Wirkung.

Während des Ersten Weltkriegs wurde Mueller im Juli 1916 zum Landsturm eingezogen und nahm als Soldat der Infanterie an Kämpfen in Frankreich und Russland teil. Im Frühjahr 1917 zog er sich eine Lungenentzündung zu, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Seine Genesung im Lazarett im Kamillianerkloster im rheinischen Neuss nahm zwei Monate in Anspruch.

Seit 1919 war Mueller Professor an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Er lehnte jede bürgerliche Anpassung ab und verkehrte im Kreis der „Breslauer Künstlerbohème“.

Mueller und seine Frau Maschka ließen sich 1921 scheiden, blieben aber in engem Kontakt. Er unterstützte sie auch weiterhin finanziell. Nach der Trennung pflegte er vorübergehend eine Liebesbeziehung zu seiner Schülerin Irene Altmann, Tochter eines orthodoxen Juden, der einer angedachten Hochzeit jedoch nicht zustimmte. Bald darauf lernte er schließlich Elisabeth Lübke kennen, mit der er sich schon nach kurzer Zeit kirchlich trauen ließ.

1924 reiste er zusammen mit seiner neuen Frau und Maschka nach Ragusa, Spalato und Sarajevo in Dalmatien, wo er, wie seine Schwester Emmy berichtete, von „Zigeunern“ aufgenommen wurde und unter ihnen lebte wie einer der ihren. Im April 1925 kam der Sohn Josef in Berlin-Steglitz zur Welt, mit dem er jedoch wenig in Kontakt kam. Den folgenden Sommer verbrachte er mit Maschka im ungarischen Szolnok, wo sich beide ebenfalls über längere Zeit in einem benachbarten Romadorf aufhielten. Die 1927 nach einem weiteren Aufenthalt in Szolnok und Trennung von seiner zweiten Ehefrau fertiggestellte Zigeuner-Mappe mit zehn farbigen Lithografien bildete den Höhepunkt seines Schaffens. Auch die Bilder, die in Muellers letzten drei Lebensjahren von 1927 bis 1930 entstanden, zeugen von seiner künstlerisch ausgeprägtester Phase.

Kurz nach der Trennung von Elisabeth lernte Mueller auf einem Akademiefest in Breslau Elfriede Timm kennen, mit der eine gemeinsame Wohnung bezog. „Ihre schöne, jugendlich schlanke Gestalt reizte ihn zu neuem Schaffen. Ihr sich Einfühlen-können in seine Kunst und ihr musikalisches Talent beglückten ihn“, erinnerte sich seine Schwester Emmy Mueller.

1928 unternahm er mit Elfriede Timm eine Reise nach Paris, Rumänien und Bulgarien, wo er wiederum zahlreiche Zigeunerstudien anfertigte. Auch im folgenden Sommer weilte er in Bulgarien und wohnte hier längere Zeit im Grand Hotel „Molle“ in Philippopel. In der Folge verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide, wobei er selber sein Lungenleiden als „Husten“ bzw. „Raucherkatarrh“ abtat. Im Sommer 1930 begab er sich zur Kur nach Bad Salzbrunn im Waldenburger Bergland. Am 24. September 1930 starb Mueller mit 55 Jahren in der Lungenklinik Obernigk bei Breslau an Lungentuberkulose. Kurz zuvor hatte er sich noch mit Elfriede Timm vermählt.

Im Jahr 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 357 seiner Werke aus deutschen Museen, da seine Bilder als „Entartete Kunst“ galten. 13 von ihnen wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert.

Das zentrale Thema in Muellers Werken ist die Einheit von Mensch und Natur, die er in zahlreichen Aktdarstellungen in Landschaften auszudrücken versucht. In diesen Bildern stellt Mueller immer wieder Szenen aus dem „Zigeunerleben“ dar.

Einige seiner Werke wurden postum auf der documenta 1 im Jahr 1955 in Kassel gezeigt.

Otto Mueller war Vorstandsmitglied im ersten Deutschen Künstlerbund.[3] Zu seinen Schülern gehörte unter anderem der Bauhäusler Emil Bartoschek und Walter Kalot.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(Auswahl)

Viele Werke der Künstler der Breslauer Akademie sind im Bestand des Schlesischen Museums in Görlitz. Sie konnten aus einer bedeutenden Privatsammlung erworben werden.

Ausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Museum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ein paar tausend Exponate umfassende Sammlung des Kunsthistorikers Hans-Dieter Mück gehören zum Kernbestand des am 11. Mai 2019 neu eröffneten Otto-Mueller-Museums im thüringischen Schmalkalden; weitere Sammlungen sind eingeladen dazuzukommen. Mück ist Vorsitzender der von ihm initiierten Otto-Mueller-Gesellschaft. Das Gebäude ist ein Fachwerkbau am Altmarkt 8 im Zentrum der Kleinstadt.[5]

Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Traue den Menschen nicht … Roh und herzlos sind sie alle.“ (zitiert nach Buchheim 1963, S. 11)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Johanna Brade: Zwischen Künstlerbohème und Wirtschaftskrise. Otto Mueller als Professor der Breslauer Akademie 1919–1930. Oettel, Görlitz 2004, ISBN 3-932693-84-1.
  • Lothar-Günther Buchheim: Otto Mueller. Leben und Werk. Buchheim, Feldafing 1963. Neuausgabe 2006, ISBN 3-7659-1052-X.
  • Marlene Decker: Gestaltungselemente im Bildwerk von Otto Mueller. Projekt, Dortmund 1993, ISBN 3-928861-13-1.
  • Johann Georg von Hohenzollern, Mario-Andreas von Lüttichau (Hrsg.): Otto Mueller. Eine Retrospektive. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung. Prestel, München 2003, ISBN 3-7913-2857-3 (mit CD-ROM).
  • Ulrich Klappstein: Faunische Bilderfluchten. Arno Schmidt und der Brücke-Maler Otto Mueller. Neisse, Dresden 2015, ISBN 978-3-86276-180-7.
  • Gerhard Leistner (Bearb.): Otto Mueller. Verlorenes Paradies. Werke aus der Sammlung Karsch. Ausst. Kat. Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 2006
  • Mario-Andreas von Lüttichau: Otto Mueller. Ein Romantiker unter den Expressionisten. DuMont, Köln 1993, ISBN 3-7701-2981-4.
  • Mario-Andreas von Lüttichau: Mueller, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 328 f. (Digitalisat).
  • Magdalena M. Moeller (Hrsg.): Otto Mueller. Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Druckgraphik aus dem Brücke-Museum Berlin. Hirmer Verlag, München 1996
  • Tanja Pirsig-Marshall, Mario-Andreas von Lüttichau: Otto Mueller – Werkverzeichnis der Gemälde und Arbeiten auf Papier. E. A. Seemann und VAN HAM Art Publications, Köln 2020, ISBN 978-3-86502-423-7.
  • Dieter W. Posselt: Otto Mueller ( 1874–1930 ) Zum 125. Jahrestag seiner Definition als eigenständiger Künstler mit dem Kapitel "Otto Muellers >Hybriden<:
  • Geliebt und gefälscht", Otto Mueller-Gesellschaft e.V. Weimar 2022, ISBN 3-935144-43-1.
  • Dieter Groß und Hans-Dieter Mück: Was man über Otto Mueller unbedingt noch wissen sollte. Otto Mueller-Gesellschaft e.V. Weimar 2022. ISBN 3-935144-44-X.
  • Hans-Dieter Mück und Dieter W. Posselt: Otto Mueller. Eine Hommage zum 90. Todestag 2020 des Vordenkers der „Künstlergruppe Brücke“, Sonderband I der Otto Mueller-Gesellschaft mit Beiträgen zur Rezeption, 2020, ISBN 3-935144-39-3.
  • Gerd Presler: Die Brücke. Rowohlt, Reinbek 2007, ISBN 978-3-499-50642-0.
  • Gerd Presler: Otto Mueller und die Maler der KG BRÜCKE. In: Otto Mueller. Von der Leichtigkeit des Seins. Band 1. Apolda 2008, ISBN 3-935144-19-9, S. 183–190.
  • Christian Saehrendt: Die „Brücke“ zwischen Staatskunst und Verfemung. Expressionistische Kunst als Politikum in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und im Kalten Krieg (= „Pallas Athene“. Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Band 13). Hrsg. von Rüdiger vom Bruch und Eckart Henning. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-51508614-1.
  • Dagmar Schmengler u. a. (Hrsg.): Maler – Mentor – Magier. Otto Mueller und sein Netzwerk in Breslau. Kehrer, Heidelberg u. a. 2018, ISBN 978-3-86828-873-5.
  • Eberhard Troeger: Otto Mueller. Crone, Freiburg 1949.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Otto Mueller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Er war ein Vetter von Carl und Gerhart Hauptmann und wurde eine Zeit lang von diesem gefördert. (Meisterwerke der Kunst. Malerei von A–Z. Chur 1994, S. 525). Carl Hauptmann lieh der Hauptfigur seines Romans Einhart, der Lächler seine Züge.
  2. Mario Andreas von Lüttichau, Otto Mueller. Ein Romantiker unter den Expressionisten. Köln 1993, S. 16 ff.
  3. kuenstlerbund.de: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Mueller, Otto (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (abgerufen am 19. November 2015).
  4. Abb. im Großformat bei Norbert Berghof (Red.): Bildmappe Kunst in der Verfolgung: Entartete Kunst (Ausstellung) 1937 in München. 18 Beispiele. und Beiheft: Lebensdaten und Selbstzeugnisse. beides Neckar, Villingen 1998, ohne ISBN.
  5. Kunst der Moderne: Die Sammlung des Kunstvereins Schmalkalden. Otto Mueller Museum der Moderne, abgerufen am 2. Oktober 2021.