Personen mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr

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Personen mit Migrationshintergrund bilden einen Teil des militärischen Personals der Bundeswehr.

Zahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Definitionen, die der Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ zugrunde liegen, haben sich in Deutschland in 2005, 2011 und 2016 jeweils geändert. Insoweit nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben in diesem Artikel auf die Definition von 2016, laut der eine Person einen Migrationshintergrund hat, wenn mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.

Über die genaue Anzahl der Soldaten mit migrantischer Familiengeschichte gibt es unterschiedliche Angaben. Diese liegen zwischen 13 %[1] und 26 %[2]. Bei höheren Dienstgraden ist der Anteil niedriger.[2] Der Großteil der Soldaten mit Migrationshintergrund stammt aus russlanddeutschen Familien.[1] Zum Vergleich: In der Wohnbevölkerung Deutschlands haben 23 % einen Migrationshintergrund (Stand: 2018).[3]

Es wird davon ausgegangen, dass ein großer Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, die seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in die Bundeswehr eingetreten sind, muslimischen Glaubens sind.[4] Allerdings ist die Angabe nicht-christlicher Religionsangehörigkeit bei Eintritt in der Bundeswehr freiwillig, sodass hierzu keine genauen Zahlen bekannt sind.[5] Unter den insgesamt 180.000 Soldaten des Jahres 2019 wird die Anzahl der Muslime seitens des Verteidigungsministeriums auf circa 3000 geschätzt.[6][1] Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) schätzt ihre Zahl auf circa 1500.[7]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit den 1990er Jahren stieg aufgrund der Zuwanderung aus den GUS-Staaten der Anteil der Soldaten mit Migrationshintergrund (nach damaliger Definition) an.[8] Seit dieser Zeit stieg auch die Anzahl von Eingebürgerten, die sich als Zeitsoldaten verpflichteten und den Status von Ausbildern und Vorgesetzten erhielten.[4]

Nach der Reform des Einbürgerungsrechts erhielten in Deutschland geborene oder dort aufgewachsene Menschen die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Diese Deutschen mit Migrationshintergrund waren zu dieser Zeit, wie jeder männliche Deutsche, im Rahmen der Wehrpflicht zum „Dienst an der Waffe“ verpflichtet. Ausschlaggebend war die deutsche Staatsangehörigkeit, unabhängig davon, ob eine weitere Staatsangehörigkeit vorlag.

Im Jahr 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt.

Mitte der 2000er Jahre hatten die Bundesrepublik und die Türkei vereinbart, dass ein junger Mann, der als Wehrpflichtiger in Deutschland diente, nicht mehr in die türkischen Armee eingezogen wurde. Diese Regelung wurde mit der Abschaffung der Wehrpflicht wirkungslos. Um mehr Deutsch-Türken für die Bundeswehr zu gewinnen, wollte Verteidigungsminister Thomas de Maizière die türkische Regierung in Ankara dazu bewegen, auch freiwillig dienenden Bundeswehrsoldaten mit doppelter Staatsbürgerschaft den Wehrdienst in der Türkei zu erlassen.[9]

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte 2019 die Beteiligung von Soldaten mit muslimischem Hintergrund bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr unverzichtbar: „Mit ihren Sprach- und Kulturkenntnissen erleichtern sie uns den Zugang zur jeweiligen Bevölkerung.“ Laut von der Leyen hatten 15 % aller Beschäftigten bei der Bundeswehr einen Migrationshintergrund, darunter mit türkischer, afrikanischer, arabischer und insbesondere russisch-deutscher Abstammung.[10]

Verein Deutscher Soldat e.V.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 2010 gegründete Verein Deutscher Soldat e.V. (Eigenschreibweise Deutscher.Soldat) will sich für ein positives Selbstverständnis von Migration und Integration einsetzen.[11] Hintergrund der Vereinsgründung waren kontroverse Äußerungen Thilo Sarazins über eine "Integrationsunwilligkeit oder -fähigkeit" von Zuwanderern.[12][13] Man wolle zeigen, dass dieses Bild "nicht der Wirklichkeit entspricht".[12] Der Verein sieht die Bundeswehr als Ort, an dem aktiv Integration gelebt wird und fordert eine muslimische Militärseelsorge.[14][15]

Der Verein hat 130 Mitglieder deutschlandweit und ist Mitglied des Netzwerks "Neue Deutsche Organisationen". Der Verein gewann 2015 den ersten Preis beim Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz.[16] Die Vorstandsvorsitzende Nariman Hammouti-Reinke nahm am 10. Nationalen Integrationsgipfel am 13. Juni 2018 im Bundeskanzleramt teil.[17][18]

Pläne für eine Rekrutierung von Bundeswehrsoldaten ohne deutsche Staatsangehörigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 SG darf „in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit […] nur berufen werden, wer Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes (GG) ist.“ Zwar kann nach Art. 37 Abs. 2 SG das Bundesministerium der Verteidigung in Einzelfällen Ausnahmen von dieser Regel zulassen, wenn dafür ein dienstliches Bedürfnis besteht, doch wurde fast nie eine solche Ausnahme gemacht. Im Jahr 2014 wurde erstmals ein Nichtdeutscher rekrutiert: ein Rumäne und promovierter Mediziner wurde Soldat auf Zeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr.[19] Faktisch dienen in der Bundeswehr somit fast nur Deutsche. Im Gegensatz zu Deutschland ist es in manchen anderen Ländern gängige Praxis, Ausländer in die Streitkräfte zu rekrutieren.[20][21]

2018 wurden Pläne des Verteidigungsministeriums bekannt, EU-Ausländer für den Dienst in der Truppe zuzulassen, um den Mangel an qualifizierten Bewerbern auszugleichen. Erste Ideen dazu wurden schon im Weißbuch zur Sicherheitspolitik von 2016 niedergelegt.[22] Für eine politische Diskussion sorgte hierbei die Idee, ausländischen Rekruten im Gegenzug zum Eintritt in die Bundeswehr den deutschen Pass anzubieten. Begründet wird dies dadurch, dass aus dem deutschen Soldatengesetz ein besonderes Treueverhältnis zwischen Staat und Soldat vorausgesetzt wird. Kritisch wird angemerkt, dass Bewerber nicht wie in Söldnerarmeen (Fremdenlegion) den Dienst antreten sollten, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen.[23]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Jochen Gaugele und Miguel Sanches: CDU-Politiker Henning Otte warnt vor Ausländer-Aufnahme in Bundeswehr. 23. Juli 2018, abgerufen am 27. Juni 2019 (deutsch).
  2. a b FAZ: Jeder vierte einfache Soldat hat Migrationshintergrund. 3. Juli 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 28. Juni 2019]).
  3. BT-Drs. 19/10428 vom 23. Mai 2019, Multikulturelle und multireligiöse Identität der Bundeswehr 2019 . Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Dr. Tobias Lindner, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. S. 1.
  4. a b Fabian Virchow: Gegen den Zivilismus: Internationale Beziehungen und Militär in den politischen Konzeptionen der extremen Rechten. Springer-Verlag, 2008, ISBN 978-3-531-90365-1. S. 410.
  5. Said Aldailami: Muslime in der Bundeswehr. In: Havva Engin, Mathias Rohe, Mouhanad Khorchide, Ümer Öszoy, Hansjörg Schmid: Handbuch Christentum und Islam in Deutschland: Erfahrungen, Grundlagen und Perspektven im Zusammenleben, Verlag Herder, 2014, ISBN 978-3-451-80272-0.
  6. Militärrabbiner sollen Bundeswehr unterstützen, Der Spiegel, 2. April 2019. Abgerufen am 29. Juni 2019.
  7. BT-Drs. 19/10428 vom 23. Mai 2019, Multikulturelle und multireligiöse Identität der Bundeswehr 2019 . Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Dr. Tobias Lindner, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. S. 2.
  8. Hans-Joachim Reeb, Peter Többicke: Lexikon Innere Führung: Sämtliche Aspekte der Inneren Führung im Überblick. Walhalla Digital, 2014, ISBN 978-3-8029-0828-6. S. 236–237.
  9. De Maizière auf Mission in Ankara: Mehr Deutsch-Türken für die Bundeswehr. In: Focus online. 20. Juni 2012, abgerufen am 7. Juli 2019.
  10. Von der Leyen: Muslime in Bundeswehr bei Auslandseinsätzen unverzichtbar. In: www.dw.com. 17. September 2016, abgerufen am 7. Juli 2019.
  11. Deutscher.Soldat. e.V. - Home. Abgerufen am 28. Juni 2019.
  12. a b Deutscher.Soldat. e.V. - Entstehung. Abgerufen am 28. Juni 2019.
  13. Daniel Bax: Oberleutnant über Migranten in Uniform: „Die Bundeswehr ist heute bunt“. In: Die Tageszeitung: taz. 27. Februar 2013, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 27. Juni 2019]).
  14. Ronja von Wurmb-Seibel: Integration: Ein stolzer Deutscher. In: Die Zeit. 27. Dezember 2012, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 1. Oktober 2019]).
  15. Deutsche Welle (www.dw.com): Imame für die Bundeswehr? | DW | 10.02.2019. Abgerufen am 3. Oktober 2019 (deutsch).
  16. Die Preisträger 2015. Initiative Hauptstadt Berlin, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Juli 2016; abgerufen am 10. Juli 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ihb.berlin
  17. Teilnehmerliste für den 10. Nationalen Integrationsgipfel am 13. Juni 2018 im Bundeskanzleramt Berlin. Abgerufen am 3. Oktober 2019.
  18. neue deutsche organisationen: Das Netzwerk | Über uns. Abgerufen am 3. Oktober 2019.
  19. Zur Möglichkeit eines Militärdienstes von Ausländern und Ausländerinnen in den Streitkräften ausgewählter Staaten: Rechtliche Grundlagen, Einstellungsvoraussetzungen, Anzahl. In: WD 2 – 3000 – 115/16. Deutscher Bundestag, 2016, abgerufen am 1. Juni 2019. S. 4.
  20. Wer darf in den Armeen dieser Welt dienen? In: www.dw.com. 27. Dezember 2018, abgerufen am 1. Juli 2019.
  21. Zur Möglichkeit eines Militärdienstes von Ausländern und Ausländerinnen in den Streitkräften ausgewählter Staaten: Rechtliche Grundlagen, Einstellungsvoraussetzungen, Anzahl. In: WD 2 – 3000 – 115/16. Deutscher Bundestag, 2016, abgerufen am 1. Juni 2019. S. 23.
  22. Matthias Schiermeyer: Integration bei der Bundeswehr: Mehr Vielfalt für die Truppe. In: Stuttgarter-Zeitung.de. 6. August 2018, abgerufen am 27. Juni 2019.
  23. Soldatenmangel: Bundeswehr erwägt aus Personalnot Aufnahme von Ausländern. 21. Juli 2018, abgerufen am 7. Juli 2019.