Rafael Chirbes

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Rafael Chirbes (in der Kulturkirche Köln, 28. September 2008)

Rafael Chirbes [rafaˈel ˈtʃiɾβes] (* 27. Juni 1949 in Tavernes de la Valldigna, Valencianische Gemeinschaft; † 15. August 2015[1] ebenda) war ein spanischer Schriftsteller. Er lebte zuletzt in Beniarbeig/Alicante[2] als freier Publizist.

Themen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinen Romanen setzte sich Rafael Chirbes mit der Ära des Franquismus und der spanischen Gegenwart auseinander. Er beschrieb die Stagnation während der mehr als eine Generation dauernden Diktatur, die kleinbürgerliche, phantasielose Enge. In seinem Roman Der lange Marsch wird generationenübergreifend vom Schicksal von sieben Familien in der Zeitspanne von 1940 bis 1970 erzählt.

Erfolgreich war darüber hinaus sein Roman Der Fall von Madrid, der an einem einzigen Tag spielt, dem 19. November 1975, dem Tag vor dem Tod Francos. Geschildert wird dieser Tag des Umbruchs im Leben mehrerer Personen: einer Unternehmerfamilie, Professoren, Arbeiter, Studenten, Oppositionelle usw. Die Darstellung der Charaktere und ihrer Beweggründe soll dabei nicht nur den Vortag des Machtwechsels beschreiben, sie gibt auch einen Einblick in die spanische Gesellschaft der Gegenwart.

Auch in seinem Roman Der Schuss des Jägers thematisiert er die Franco-Gesellschaft, indem er den Lebenslauf eines Mitläufers schildert.

Alte Freunde, Chirbes’ Roman aus dem Jahr 2003, setzt sich mit dem Werdegang der Demokratie nach Francos Tod auseinander und zieht eine bittere Bilanz. Die im Titel genannten „Freunde“ sind ehemalige Kämpfer gegen Franco und Protagonisten des politischen Aufbruchs nach 1975, die zwischen Anpassung und Rebellion die Ideale der Vergangenheit verraten haben.

Sein Roman Krematorium aus dem Jahr 2007 schildert in langen inneren Monologen die Geschichte einer spanischen Familie vor dem Hintergrund des Immobilien- und Tourismusbooms an der spanischen Mittelmeerküste um die Jahrtausendwende. Für dieses Sittengemälde erhielt Chirbes mehrere Literaturpreise.

In dem Roman Am Ufer aus dem Jahr 2013 geißelt Chirbes angesichts der Immobilien-, Finanz- und Wirtschaftskrise Spaniens die widerlegten „Wohlstandsmärchen“.[3][4] Er erreicht mit diesen Themen mehr Leser als je zuvor.[5]

Immer wieder erinnerte Rafael Chirbes in seinem Werk an den Bürgerkrieg und an dessen „schreckliches Übermaß an materieller Gewalt und emotionaler Verwüstung“ (Claus-Ulrich Bielefeld).[6]

Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chirbes, der noch im März 2015 den Deutschen Hispanistentag in Heidelberg besucht hatte, starb am 15. August 2015 im Alter von 66 Jahren in seinem Geburtsort Tavernes de la Valldigna bei Valencia an den Folgen eines langjährigen Bronchialkarzinoms.[7]

Zitat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„[…] Wir Romanschreiber von heute streunen gleichsam scheu und allein herum, erschnüffeln den verwirrenden Geruch der Zeit, jagen etwas nach, von dem wir nicht einmal wissen, was es sein könnte. Poesie wird nicht verkündet, sie wird versucht […]. Jeder kaut an seinem eigenen Roman, so wie jeder an seinem eigenen Tod kaut – die Tabletten und das Wasserglas auf dem Nachttisch. Unser Anspruch geht allenfalls so weit, Chronisten unseres eigenen Lebens zu sein, unseren Weg durch die Welt auf dem Block zu notieren, den uns – für eine wahrlich kurze Zeitspanne – der Tod zur Verfügung stellt. […]“

Rafael Chirbes[8]

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romane

Erzählungen und Essays

  • Am Mittelmeer. („Mediterráneos“, 1997, übersetzt von Thomas Brovot). Kunstmann, München 2001, ISBN 3-88897-260-4.
  • Der sesshafte Reisende. Städtebilder; literarischer Spaziergang durch 42 Städte. („El viajero sedentario. Ciudades“, 2005, übersetzt von Dagmar Ploetz und Willi Zurbrüggen). Kunstmann, München 2006, ISBN 3-88897-428-3.
  • Por cuenta propia. Leer y escribir. Editorial Anagrama, Barcelona 2010, ISBN 978-84-339-6304-8.

Tagebücher

  • Von Zeit zu Zeit. Tagebücher 1984–2005. Übersetzt von Dagmar Ploetz, Carsten Reling. Kunstmann, München 2022, ISBN 978-3-95614-512-4.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufsätze

  • Helmut C. Jacobs: Entrevista con Rafael Chirbes. In: Iberoamericana, Bd. 23 (1999), Heft 3/4, S. 182–187, ISSN 0342-1864.
  • Augusta López Bernasocchi: Un apunte sobre la recepción de „La larga marcha“ de Rafael Chirbes, en el ámbito lingüístico alemán. In: Manuel López de Abiada (Hrsg.): Entre el ocio y el negocio. Industria editorial y literatura en la España de los 90. Editorial Verbum, Madrid 2001, S. 119–124, ISBN 84-7962-190-7.
  • Horst Rien: Biographie und Geschichte als Projekt. Analysen zum Romanwerk von Rafael Chirbes. In: Iberoromania. Revista dedicada a las lenguas, Bd. 65 (2007), S. 73–89, ISSN 0019-0993.
  • Sabine Witt: Rafael Chirbes. Vom Privaten zum Politischen. In: Hispanorama. Zeitschrift des Deutschen Spanisch-Lehrer-Verbandes, Bd. 103 (2004), S. 53–56, ISSN 0720-1168.
  • Jonas Nesselhauf: „Es la crisis“. Rafael Chirbes’ „En la orilla“ und die Poetik der Krise. In: Ibero-amerikanisches Jahrbuch für Germanistik, Nr. 8 (2014), S. 217–233, ISSN 1865-5319.
  • Rita Nierich, Peter B. Schumann: Spanien im Bausumpf. Autoren über die staatsgefährdende Krise ihres Landes. In: Romanische Studien, Nr. 1 (2015), S. 253–266, online: http://www.romanischestudien.de/index.php/rst/article/view/7.

Monographien

  • María-Teresa Ibáñez: Ensayos sobre Rafael Chirbes. Iberoamericana, Madrid 2006, ISBN 84-8489-269-7.
  • María J. Navarro Escudero: Spanien im Erzählwerk von Rafael Chirbes. Magisterarbeit, Universität Frankfurt/M. 2002.
  • Eva Hecht: Die Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur. Die „Memoria-Literatur“ in der spanischen Gegenwartsliteratur unter besonderer Berücksichtigung des exemplarischen Werkes „La larga marcha“ von Rafael Chirbes. GRIN-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-640-89261-7.
  • Augusta López Bernasocchi u. a.: La constancia de un testigo. Ensayos sobre Rafael Chirbes. Editorial Verbum, Madrid 2011, ISBN 978-84-7962-705-8.
  • Simone Stengele: Erinnerung und Identität in Rafael Chirbes’ Romanen „La caída de Madrid“ und „Los viejos amigos“. Magisterarbeit, Universität Frankfurt/M. 2006.
  • Julia Wichmann: Von politischer Geschichte zu alltäglichen Geschichten. Die Darstellung Franco-Spaniens in Rafael Chirbes’ Roman „La larga marcha“. Magisterarbeit, Universität Frankfurt/M. 2001.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rafael Chirbes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Spanischer Schriftsteller Rafael Chirbes gestorben
  2. Pessimist und Feinschmecker. Bericht von Martin Oehlen über einen Besuch bei Rafael Chirbes
  3. Jede Wirtschaft schafft sich ihre Abfallgrube. Rezension von Paul Ingendaay in der FAZ vom 24. Januar 2014, abgerufen 28. Januar 2014.
  4. Buchbesprechung in der Sendung 52 beste Bücher des Schweizer Radios.
  5. Victoria Eglau: Die Rückkehr des Politischen auf DLF Kultur, 14. Oktober 2022.
  6. Claus-Ulrich Bielefeld: In Spaniens Hölle die Ruinen der Gier. (Buchbesprechung) welt.de, 29. Januar 2014, abgerufen am 15. August 2015.
  7. Die Sittengemälde eines Sozialkritikers. Nachruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 16. August 2015. Abgerufen am 16. August 2015.
  8. Rafael Chirbes: Der Roman auf dem Nachttisch. In Kölner Stadt-Anzeiger, Nr. 261 vom 10./11. November 2007, Seite 31, aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz.
  9. Preis der SWR Bestenliste 1999
  10. als Hörbuch: Die schöne Schrift. Kunstmann, München 2007, ISBN 978-3-88897-497-7; 2 CDs, gelesen von Kornelia Boje.