Reboxetin

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Strukturformel
(R,R)-Form (links) und (S,S)-Form (rechts), 1:1-Stereoisomerengemisch (Racemat)
Allgemeines
Freiname Reboxetin
Andere Namen
  • (R*,R*)-2-[(2-Ethoxy-phenoxy)-phenyl-methyl]morpholin (IUPAC)
  • (R,R)-rel-2-[(2-Ethoxy-phenoxy)-phenyl-methyl]morpholin
Summenformel C19H23NO3
Kurzbeschreibung

Feststoff, weiß bis ocker (Reboxetinmesilat) [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 65856
ChemSpider 2289101
DrugBank DB00234
Wikidata Q418970
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AX18

Wirkstoffklasse

Antidepressiva

Wirkmechanismus

Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Eigenschaften
Molare Masse 313,39 g·mol−1
Schmelzpunkt

170–171 °C[2]

Löslichkeit

schwer in Wasser (> 5 g·l−1 bei ≤ 60 °C, Mesilat)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Reboxetin ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI), der Mitte der 1960er Jahre erstmals synthetisiert[3] und von Farmitalia (2002 von Pfizer übernommen) patentiert wurde.

Er wurde 1997 in mehreren europäischen Ländern (darunter in Deutschland und Österreich) zur Behandlung von Depressionen zugelassen. In den USA versagte die FDA 2001 die Zulassung aufgrund eines unzureichenden Wirksamkeitsnachweises. In der Schweiz kam es 2013 aufgrund einer erneuten Analyse des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu Indikationseinschränkungen.

Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reboxetin ähnelt von seiner chemischen Struktur Viloxazin (NARI) und unterscheidet sich von diesem durch eine zusätzliche Phenylgruppe.

Stereoisomerie

Reboxetin ist chiral und enthält zwei Stereozentren. Es gibt somit prinzipiell die folgenden vier Stereoisomere: Die (R,R)-Form und die dazu enantiomere (S,S)-Form sowie die Diastereomeren mit (R,S)- und (S,R)-Konfiguration. Die Handelspräparate enthalten den Arzneistoff als Racemat [1:1-Gemisch der (R,R)-Form und der (S,S)-Form].

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine vielstufige Synthese für Reboxetin, ausgehend von Zimtalkohol, ist in der Literatur beschrieben.[4]

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reboxetin hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin, im schwächeren Maße auch von Serotonin. Dadurch soll es vorwiegend antriebssteigernd und konzentrationsfördernd wirken. In einigen verfügbaren Studien lässt sich ein über die Placebowirkung hinausgehender Effekt zur Behandlung akuter Major Depression jedoch nicht nachweisen.[5]

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außer in dem zugelassenen Anwendungsgebiet wird Reboxetin auch im so genannten Off-Label-Gebrauch bei Panikstörungen[6] und bei der Aufmerksamkeits­defizit-/Hyperaktivitäts­störung[7] eingesetzt.

Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Häufigste Nebenwirkungen sind: Mundtrockenheit, Verstopfungen, Blutdruckerniedrigung, Übelkeit, Kopfschmerzen, vermehrtes Schwitzen, Schlafstörungen und Störungen beim Wasserlassen (Miktionsstörungen), verminderte Libido, erektile Dysfunktion, Veränderungen am Penis wie z. B. Penisretraktion, Penisschwellung oder Hodenschmerzen, abnormale Ejakulation (z. B. verzögerte oder schmerzhafte Ejakulation).[8]

Reboxetin ist schlechter verträglich als Fluoxetin.[5]

Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Menschen liegen bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Reboxetin in der Schwangerschaft vor. Deshalb ist eine Anwendung während der Schwangerschaft zu vermeiden. Daten zur Ausscheidung von Reboxetin in die Muttermilch beim Menschen liegen nicht vor.

Die Verabreichung von Reboxetin an stillende Frauen wird nicht empfohlen.[8] Bei den Nachkommen von Ratten, denen während der Zeit ihrer Trächtigkeit Reboxetin verabreicht wurde, traten Wachstums- und Entwicklungsstörungen sowie langfristige Verhaltensstörungen auf. Es ist unklar, welche Relevanz dieser Befund für den Menschen hat.[9]

Nutzenbewertung in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des gemeinsamen Bundesausschusses durchgeführte Meta-Analyse führte im November 2009 zu der Einschätzung, dass ein Nutzen des Medikaments nicht nachgewiesen werden könne.[10][11] Reboxetinhaltige Arzneimittel werden infolgedessen in Deutschland seit dem 1. April 2011 nicht mehr von der GKV erstattet.[12] Der pharmazeutische Unternehmer Pfizer hatte die Herausgabe von Studiendaten zur Bewertung an das IQWiG zunächst verweigert[13] und erst später verfügbar gemacht.

Präklinik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Vitro verursacht Reboxetin keine Genmutationen bei Bakterien- oder Säugetierzellen. Es führte jedoch in vitro zu Chromosomenaberrationen in menschlichen Lymphozyten. Es verursachte in vivo keine Chromosomenschäden bei Mäusen im Micronukleus-Test. Zudem konnten in vitro keine DNS-Schäden in Hefezellen oder in Hepatozyten von Ratten festgestellt werden. In Kanzerogenitätsstudien mit Mäusen und Ratten konnte kein erhöhtes Auftreten von Tumoren festgestellt werden.[9]

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate: Edronax, Tabletten (A, CH, D), Solvex (D)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur und Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Datenblatt Reboxetine mesylate hydrate bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 16. Juni 2011 (PDF).
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1399, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. Pharma Kritik: Reboxetin. infomed.ch In: pharma-kritik, Jahrgang 23, Nummer 03, PK260. Redaktionsschluss 14. Juli 2001; abgerufen am 30. März 2014.
  4. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher, Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances. 4. Auflage. Thieme-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 978-1-58890-031-9.
  5. a b D Eyding, M Lelgemann, U Grouven, M Härter, M Kromp, T Kaiser, MF Kerekes, M Gerken, B Wieseler: Reboxetine for acute treatment of major depression: systematic review and meta-analysis of published and unpublished placebo and selective serotonin reuptake inhibitor controlled trials. In: BMJ. 341. Jahrgang, 2010, S. c4737, doi:10.1136/bmj.c4737, PMID 20940209.
  6. Angstambulanz (Memento vom 19. April 2015 im Internet Archive) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – Charité-Universitätsmedizin; abgerufen am 17. Mai 2014.
  7. ADS – ADHS. (PDF; 185 kB) Neurolab; abgerufen am 17. Mai 2014.
  8. a b Deutsche Fachinformation: Edronax, Stand: Januar 2007.
  9. a b Schweizer Fachinformation „Edronax“; Stand: August 2009.
  10. Antidepressiva: Nutzen von Reboxetin ist nicht belegt. 24. November 2009.
  11. Abschlussbericht A05-20C Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin bei der Behandlung der Depression. (Version 1.1). IQWiG. Kurzfassung zum Abschlussbericht A05-20C Version 1.1. (PDF; 879 kB)
  12. Beschluss des G-BA über Änderung der Arzneimittelrichtlinie (PDF; 237 kB) vom 16. September 2010.
  13. Pfizer hält Studien unter Verschluss. (Memento des Originals vom 13. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iqwig.de IQWiG, 10. Juni 2009.