Sexualität Adolf Hitlers

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Eva Braun und Adolf Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg, 14. Juni 1942

Die Sexualität Adolf Hitlers ist Gegenstand geschichtswissenschaftlicher und psychologischer Debatten und auch nach heutigem Wissensstand nicht vollständig ergründet. Hitler traf seine langjährige Lebensgefährtin Eva Braun 1929 und heiratete sie am 29. April 1945, einen Tag vor dem gemeinsamen Suizid.

Wissenschaftliche Untersuchung

Allgemeines

Über das Sexualleben Hitlers gibt es bis heute keine vollständige Untersuchung (die sexuellen Aktivitäten zahlreicher Personen aus Hitlers Umfeld gelten hingegen als recht gut dokumentiert). Es gibt Hinweise, dass Hitler einige teils erheblich jüngere Frauen verehrte. Hitler lehnte Homosexualität strikt ab, für homosexuelle Neigungen Hitlers gibt es keine Belege.[1] Adolf Hitlers Monorchie gilt durch eine 1923 durchgeführte Untersuchung des Gefängnisarztes von Landsberg als weitgehend sicher belegt.[2]

Während des Zweiten Weltkrieges wurden Falschinformationen zur Diskreditierung Hitlers verbreitet, die ihm stigmatisierte Sexualpraktiken unterstellten.

Viele Informationen über Hitlers Privatleben stammen von Personen aus Hitlers näherem Umfeld wie z. B. von Albert Speer, diversen Adjutanten und Sekretärinnen sowie der Familie Richard Wagners. Es wird über eine Beziehung zwischen ihm und seiner Halbnichte Angela Raubal, genannt „Geli“, spekuliert. Diese zog im Oktober 1929 zu Hitler in dessen Münchner Wohnung; dort erschoss sie sich einen Tag nach einem Streit mit Hitler am 18. September 1931.

Hitler lernte 1929 Eva Braun kennen. Braun war Mitarbeiterin seines Fotografen Heinrich Hoffmann. Nach Geli Raubals Tod intensivierte sich entweder noch 1931 oder wahrscheinlicher 1932 die Beziehung von Eva Braun zu Hitler.[3]

Bis zu ihrem Tod unterhielten Hitler und Braun eine langjährige Beziehung; diese war nur Hitlers nächstem Umfeld bekannt. Gegenüber diesem Umfeld lebten Hitler und Braun in Berchtesgaden offen als Paar. Hitler hatte ein hohes Interesse an Braun und sorgte sich laut Berichten sehr um sie, wenn sie Sport trieb oder zu spät nach Hause kam.[4] Hitler und Braun heirateten vor ihrem gemeinsamen Suizid.[5] (→ Hitlers Geliebte).

Ernst Hanfstaengl, ein Angehöriger von Hitlers innerem Kreis, dessen Berichte häufig als Beleg für Untersuchungen über Hitlers Sexualleben angeführt werden, schrieb über Hitlers Sexualität:

“I felt Hitler was a case of a man who was neither fish, flesh nor fowl, neither fully homosexual nor fully heterosexual. […] I had formed the firm conviction that he was impotent, the repressed, masturbating type.”

„Ich glaubte, Hitler sei ein Fall eines Mannes, der weder Fisch, noch Fleisch, noch Geflügel, weder gänzlich homosexuell noch gänzlich heterosexuell war […] Ich war zum festen Glauben gekommen, dass er impotent sei, der unterdrückte, masturbierende Typ.“

Ernst Hanfstaengl: Zitiert nach Hitler: The Missing Years[6]

Ungeachtet dieses Eindrucks versuchte Hanfstaengl (erfolglos), eine Beziehung zwischen Hitler und der Tochter des amerikanischen Botschafters Martha Dodd zu arrangieren.[7]

Untersuchung des OSS

1943 erhielt das Office of Strategic Services (OSS) der USA A Psychological Analysis of Adolf Hitler: His Life and Legend, verfasst von Walter C. Langer mit Unterstützung mehrerer Psychoanalytiker, eine Untersuchung, die ein besseres Verständnis Hitlers ermöglichen sollte.[8] Teile des Textes flossen in The Mind of Adolf Hitler: The Secret Wartime Report ein, in dem der ursprüngliche Text mit einem Vorwort von Langers Bruder William L. Langer, einer Einführung von Langer selbst und einem Nachwort des Psychoanalytikers und Historikers Robert G. L. Waite ergänzt wird.[9] Ziel der Autoren war eine „psychologische Analyse […] die versucht, Hitler als Person und die seinen Handlungen zugrunde liegenden Motivationen verständlich zu machen“. Der Bericht des OSS bezeichnet Hitler als impotent und koprophil.[9] Die Autoren stellen an Hitler mögliche homosexuelle Tendenzen fest, die jedoch zu wenig ausgeprägt seien, um einen Einfluss auf Hitlers Entscheidungsvermögen auszuüben. Otto Strasser, ein Rivale Hitlers in der NSDAP, behauptete, dass Hitler seine Nichte Geli Raubal gezwungen habe, auf ihn zu defäkieren und zu urinieren.[10] Langer nahm unter Berufung auf Ernst Hanfstaengl an, dass Helene Bechstein, die Ehefrau des Berliner Klavierfabrikanten Edwin Bechstein, versuchte, eine Ehe zwischen Hitler und ihrer unattraktiven Tochter Lottie zu arrangieren. Eine Anfrage Hitlers wurde von Lottie abgelehnt.[11]

Der Psychologe Henry Murray verfasste 1943 unter dem Titel Analysis of the Personality of Adolph Hitler: With Predictions of His Future Behavior and Suggestions for Dealing with Him Now and After Germany’s Surrender einen weiteren psychoanalytischen Bericht für das OSS,[12] in dem er Hitlers angenommene Koprophilie untersuchte, hauptsächlich jedoch eine schizophrene Erkrankung bei Hitler diagnostizierte. Murray stützte seinen Bericht auf W. H. D. Vernons 1942 erschienenen Essay Hitler, the man: Notes for a case history.[13]

Untersuchung nach 1945

In den Jahren nach Hitlers Tod wurden zahlreiche Thesen über Hitlers Sexualität aufgestellt, darunter die Annahmen, dass Hitler homo-, bi- oder asexuell gewesen sei oder nur einen Hoden gehabt habe.

Der Historiker Lothar Machtan gibt in Hitlers Geheimnis an, dass Hitler homosexuell gewesen sei. Seine Spekulationen stützen sich auf Berichte über Hitlers Kontakte zu Freunden in Wien, zu Ernst Röhm, Hanfstaengl und Emil Maurice und das Mend-Protokoll, eine Niederschrift von Angaben, die Hans Mend, ein ehemaliger Soldat, der mit Hitler während des Ersten Weltkrieges in Kontakt kam, gegenüber der Münchner Polizei in den frühen 1920er Jahren machte. 2004 produzierte HBO unter dem Titel Hidden Fuhrer: Debating the Enigma of Hitlers Sexuality einen Dokumentarfilm auf Basis von Machtans Thesen. Mend war ein verurteilter Betrüger, der Historiker Anton Joachimsthaler bezeichnet das Protokoll als unzuverlässig. Ron Rosenbaum kritisiert Machtans Arbeit mit dem Argument, seine Belege seien nicht schlüssig und oft weit davon entfernt, überhaupt Belege zu sein.[14]

Das 1995 erschienene Buch Das pinke Hakenkreuz von Scott Lively und Kevin Abrams befasst sich mit ähnlichen Themen. Das pinke Hakenkreuz und ähnliche Bücher werden häufig wegen Ungenauigkeiten und der Manipulation von Fakten kritisiert und ihre Thesen daher von den meisten Historikern nicht anerkannt.[15][16] Bob Moser schrieb in einer Arbeit für das Southern Poverty Law Center über Das pinke Hakenkreuz, dass das Buch von homosexuellenfeindlichen Gruppen propagiert werde und die Grundthese des Buches, laut dem die meisten hochrangigen Nazis homosexuell gewesen seien und dies ein Beispiel für die Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit Homosexueller sei, von nahezu allen Historikern abgelehnt werde.[17]

Jack Nusan Porter, an der University of Massachusetts Lowell tätig, schrieb:

“Did Hitler despise homosexuals? Was he ashamed of his own homosexual identity? These are areas of psychohistory that are beyond known knowledge. My own feelings are that Hitler was asexual in the traditional sense and had bizarre sexual fetishes.”

„Verachtete Hitler Homosexuelle? Schämte er sich seiner eigenen homosexuellen Identität? Das sind Bereiche der Psychohistorie, die jenseits unseres Wissens liegen. Ich glaube, dass Hitler im traditionellen Sinn asexuell war und bizarre sexuelle Fetische hatte.“

Jack Nusan Porter: Genocide of Homosexuals.[18]

Nach dem Tod von Winifred Wagners Ehemann Siegfried im Jahre 1930 intensivierte sich der Kontakt Wagners zu Hitler. 1933 kursierten Gerüchte, eine Eheschließung zwischen Hitler und Winifred Wagner stehe bevor.

Leni Riefenstahl war mit Hitler zwölf Jahre lang befreundet, einzelne Berichte weisen auf eine sexuelle Beziehung zwischen Hitler und Riefenstahl hin.[19] Laut Ernst Hanfstaengl, einem engen Freund Hitlers während der 1920er und der frühen 1930er Jahre, versuchte Riefenstahl in frühen Jahren, eine Beziehung mit Hitler zu beginnen, was dieser ablehnte.[20] Riefenstahl dementierte, ein amouröses oder sexuelles Interesse an Hitler gehabt zu haben. In ihren 1987 veröffentlichten Memoiren beschreibt sie eine Szene, in der Hitler versucht haben soll, sie zu küssen.[21]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Aussagen über die sexuellen Vorlieben Adolf Hitlers über Vermutungen kaum hinausgehen. Die wissenschaftlichen Erörterungen sind mehr oder weniger plausible Thesen. Sogenannte „Enthüllungsberichte“ haben häufig eher den Charakter von Klatsch- und Tratschgeschichten. In der politischen Auseinandersetzung deuten Verlautbarungen über „abweichendes“ Sexualverhalten Hitlers eher auf eine Instrumentalisierung hin, die als Ausdruck eines hilflosen Widerstands gewertet werden kann. Dieser kam auch in den Flüsterwitzen und Spottgedichten des Dritten Reiches auf Hitler und seinen Umkreis deutlich zum Ausdruck. Homosexualität und Impotenz gehörten zu den bevorzugten Bereichen, wenn über das Intimleben von Hitler und anderen Nazigrößen gewitzelt wurde.[22]

Beziehungen zu Frauen

Name Lebenszeit Alter zum Todeszeitpunkt Todesursache Erster Kontakt mit Hitler Beziehung Quellen
Charlotte Lobjoie 1898–1951 53 Trafen sich mutmaßlich 1917 Laut diversen strittigen Behauptungen entstammte der Beziehung der Sohn Jean Loret. [23]
Erna Hanfstaengl 1885–1981 96 Natürliche Ursachen Traf Hitler in den 1920ern Mutmaßliche Beziehung [24]
Geli Raubal 4. Januar 1908–
18. September 1931
23 Suizid Besuchte Hitler 1924 in Festungshaft Nichte, mutmaßliche Beziehung, lebte 1929 bis 1931 bei ihm
Maria Reiter 23. Dezember 1911–1992 81 Natürliche Ursachen, erfolgloser Suizidversuch 1927 Traf Hitler 1927 Mutmaßliche Beziehung [25][26]
Eva Braun 6. Februar 1912–
30. April 1945
33 Doppelsuizid mit Hitler im Alter von 33 Jahren Traf Hitler 1929 Ehefrau 29.–30.04.1945
Unity Mitford 8. August 1914–
28. Mai 1948
33 Starb an den Folgen eines acht Jahre zurückliegenden Suizidversuches. Traf Hitler 1934 Bekanntschaft, mögliche Beziehung [27]

Während Hitlers Zeit in Linz war Stefanie Rabatsch sein Jugendschwarm, zu der jedoch nie eine Beziehung zustande kam.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andrew Nagorski: Hitlerland: American Eyewitnesses to the Nazi Rise to Power. Simon and Schuster, New York, S. 81.
  2. Sven Felix Kellerhoff: Der wahre Grund für Hitlers gestörtes Sexleben. In: Die Welt, 18. Dezember 2015 (online (Memento vom 18. Dezember 2015 im Internet Archive), abgerufen am 18. Dezember 2015).
  3. Heike B. Görtemaker: Eva Braun: Leben mit Hitler. München 2010 S. 19, 51f.
  4. Albert Speer: Inside the Third Reich. Avon, New York 1971, ISBN 0-380-00071-7 (englisch).
  5. Anthony Beevor: Berlin: The Downfall 1945. Viking-Penguin Books, London 2002, ISBN 0-670-03041-4 (englisch).
  6. Ernst Hanfstaengl: Hitler: The Missing Years. Eyre & Spottiswoode, London 1957, S. 123.
  7. Eric Larson: In the Garden of Beasts: Love, Terror, and an American Family in Hitler’s Berlin. Crown Publishers, New York 2011.
  8. Walter C. Langer: A Psychological Profile of Adolph Hitler. His Life and Legend. Die Originalfassung ist online hier (Memento vom 28. August 2005 im Internet Archive) über das Nizkor Project verfügbar.
  9. a b Walter C. Langer: The Mind of Adolf Hitler: The Secret Wartime Report. Basic Books, New York 1972, ISBN 0-465-04620-7 (englisch).
  10. Oliver Cyriax: Crime: an encyclopedia. Andre Deutsch, 1993, S. 135.
  11. The Mind of Adolf Hitler. Walter C. Langer, New York 1972, S. 96.
  12. Entry for Dr. Henry A. Murray, Analysis of the Personality of Adolph Hitler (Memento vom 18. Juni 2012 im Internet Archive) at Cornell University Law Library
  13. W. H. D. Vernon: Hitler, the man – notes for a case history. In: The Journal of Abnormal and Social Psychology, Juli 1942, Band 37, Nr. 3, S. 295–308; siehe auch Medicus: A Psychiatrist Looks at Hitler. In: The New Republic, 26 April 1939, S. 326–327.
  14. Ron Rosenbaum: Queer as Volk. Slate, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. August 2012; abgerufen am 23. Juli 2012.
  15. Erik N. Jensen: The Pink Triangle and Political Consciousness: Gays, Lesbians, and the Memory of Nazi Persecution. In: Journal of the History of Sexuality. Vol. 11, Nr. 1/2, 2002, S. 319–349, hier S. 322–323 und N. 19, doi:10.1353/sex.2002.0008 (englisch).
  16. The Other Side of the Pink Triangle: Still a Pink Triangle. 24. Oktober 1994, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Oktober 2008; abgerufen am 8. November 2008 (englisch).
  17. Bob Moser: Making Myths. In: Intelligence Report. Nr. 117. Southern Poverty Law Center, 2005 (englisch, archive.org).
  18. Jack Nusan Porter: Genocide of Homosexuals. 10. Oktober 1998 (Memento vom 23. März 2015 im Internet Archive)
  19. Glenn B. Infield: Eva and Adolf. Grosset and Dunlap, New York 1974 (Interviews mit vormaligen SS-Offizieren, die Hitler und Braun nahestanden).
  20. Tom Mathews: Leni: The life and work of Leni Riefenstahl, by Steven Bach. In: The Independent. 29. April 2007, S. XX, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. September 2010; abgerufen am 23. Juli 2012.
  21. TV-Interview mit Sandra Maischberger: Leni Riefenstahl – The Immoderation of Me (2002), (Memento vom 19. Februar 2021 im Internet Archive) Passage bei 28:07, online abgerufen am 22. Dezember 2015.
  22. Friedrich Koch: Sexuelle Denunziation. Die Sexualität in der politischen Auseinandersetzung. 2. Auflage. Hamburg 1995, ISBN 3-434-46229-5, S. 96 ff.
  23. Peter Allen: Hitler had son with French teen. (Memento vom 21. Februar 2012 im Internet Archive) The Telegraph, 17. Februar 2012
  24. David Clay Large: Where Ghosts Walked: Munich’s Road to the Third Reich. W. W. Norton & Company, 1997, ISBN 0-393-03836-X, S. 191 (englisch).
  25. Ron Rosenbaum: Explaining Hitler: The Search for the Origins of his Evil. Macmillan, 1998, S. 114–116.
  26. Foreign News: Uneven Romance (Memento vom 13. Januar 2019 im Internet Archive) Time, 29. Juni 1959
  27. Unity Mitford and “Hitler’s Baby”. (Memento vom 29. Januar 2021 im Internet Archive) New Statesman, 13. Dezember 2007