Soldatenmord von Lebach

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Als Soldatenmord von Lebach gingen die im Jahre 1969 begangenen Morde an vier Soldaten am Bundeswehrstandort Lebach in die bundesdeutsche Geschichte ein. Ermordet wurden die Gefreiten Dieter Horn und Ewald Marx, der Obergefreite Arno Bales und der Unteroffizier Erwin Poh.

Nachträgliche juristische Bedeutung wurde dem Kriminalfall durch das sogenannte Lebach-Urteil zuteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht dem ZDF die Ausstrahlung eines Dokumentarspiels über den Fall untersagte. Seit diesem Grundsatzurteil werden in bundesdeutschen Medien Namen und Gesichter von Strafgefangenen anonymisiert.

Tat und Tatmotiv[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen 2:50 Uhr in der Nacht zum 20. Januar 1969 drangen zwei bewaffnete Männer in die Standortmunitionsniederlage 461/1 Landsweiler bei Lebach ein, die von Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 261 bewacht wurde. Dort töteten sie drei der fünf diensthabenden Wachsoldaten im Schlaf und verletzten zwei schwer. Einer der überlebenden schwerverletzten Soldaten, Ewald Marx, erlag seinen Schussverletzungen im Februar 1969.

Die beiden Täter hatten, wie sich später herausstellte, vier der zwölf Munitionsbunker gewaltsam geöffnet und anschließend 1000 Schuss Gewehrmunition, 50 Schuss Pistolenmunition, zwei Pistolen Walther P1 sowie drei Sturmgewehre vom Typ HK G3 entwendet.[1]

Ermittlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das durch die Tat offensichtlich gewordene Defizit bei der Sicherung von Militäreinrichtungen traf die Verantwortlichen der Bundeswehr, das deutsche Parlament und die Öffentlichkeit schwer. Konservative Kreise um den CDU-Abgeordneten Werner Marx aus Kaiserslautern vermuteten zeitnah einen Anschlag aus den Reihen der Außerparlamentarischen Opposition, ohne einen Beweis vorlegen zu können. Grund dafür war unter anderem ein Flugblatt, das angeblich an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken verteilt worden sein soll.

Die von Oberstaatsanwalt Siegfried Buback geleiteten Ermittlungen, verbunden mit einer der größten Fahndungsaktionen der deutschen Nachkriegsgeschichte, ergaben allerdings einen anderen Sachverhalt: Drei homosexuelle junge Männer aus Landau in der Pfalz wollten sich durch bewaffnete Erpressungen Geld beschaffen, um damit ins Ausland zu gehen. Dort wollten sie ein gemeinsames Leben führen. Die Männer, die sich in Erpresserbriefen „Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung der Mafia“ benannten, wurden nach einem im Rahmen der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst ausgestrahlten Fahndungsaufruf durch einen Hinweis aus dem Hause der Wahrsagerin Madame Buchela am 25. April 1969 in Landau in der Pfalz festgenommen.[2]

Einer der Täter hatte sich der Wahrsagerin mit dem Falschnamen Dr. Sardo vorgestellt, den sie auch in anderem Zusammenhang verwendeten und der in der Fernsehsendung genannt worden war.[3] Da ihr die Männer verdächtig vorkamen, hatte sie deren Kfz-Kennzeichen notiert, aber bis zur Sendung niemanden darüber informiert. Die Täter hatten geplant, Madame Buchela zu entführen und zum Verrat von intimen Details aus dem Privatleben ihrer Kunden zu zwingen; dieses Wissen wollten die Täter dann als Grundlage für weitere Erpressungen benutzen.[4] Nach anderen Quellen wurden bei ihr größere Bargeldbeträge und Gold vermutet, da sie als „Zigeunerin“ ihr Geld keiner Bank anvertrauen würde.[5][6]

Gerichtsverhandlung und Urteil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 29. Juni 1970 begann die Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Saarbrücken in der für diesen Strafprozess genutzten Saarbrücker Congresshalle. Die Verhandlung stand unter großem Interesse der Bevölkerung und wurde zuweilen auch als Schauprozess bezeichnet. In der öffentlichen Wahrnehmung spielten auch die homosexuellen Beziehungen zwischen den Tätern eine Rolle.[7] Im öffentlichen Raum ließ der Fall den Ruf nach der Todesstrafe laut werden.

Das Urteil vom 7. August 1970 lautete: lebenslange Freiheitsstrafe für die beiden Hauptangeklagten Hans-Jürgen Fuchs und Wolfgang Ditz, sechs Jahre Freiheitsstrafe für den Drittbeteiligten Gernot Wenzel wegen Beihilfe zum Mord.

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachträgliche juristische Bedeutung wurde dem Kriminalfall dadurch zuteil, dass ein 1972 vom ZDF produziertes zweiteiliges Dokumentarspiel zum Thema auf Ersuchen der Täter durch das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Lebach-Urteil ein Sendeverbot erhielt, um u. a. eine Resozialisierung zu ermöglichen. Die Produktion wurde bis zum heutigen Tage nicht öffentlich gesendet. Seit diesem Grundsatzurteil werden in bundesdeutschen Medien Namen und Gesichter von Strafgefangenen anonymisiert.

Die Bundeswehr reagierte und verbesserte die Sicherheitsvorkehrungen der Liegenschaften, insbesondere die der Wachlokale.

Eine 1996 von Sat.1 produzierte Dokumentation wurde nach längerem juristischem Tauziehen am 13. Januar 2005 zum ersten Mal ausgestrahlt.[8]

In der Dokumentation Soldatenmord – Die Schüsse von Lebach von Inge Plettenberg, die die ARD erstmals 2001 im Rahmen der Reihe Die großen Kriminalfälle ausstrahlte und in der auch Zeitzeugen aus dem Umfeld der Täter zu Wort kommen, wird die Geschichte vor allem aus der Perspektive der damals beteiligten Kriminalisten und Prozess-Berichterstatter erzählt. Die Verurteilten selbst wollten nicht über ihre Tat sprechen.[9]

Der Saarländische Rundfunk strahlte am 14. Mai 2020 die Dokumentation Der Soldatenmord von Lebach aus.

Stand 2019 saß einer der Täter noch in Haft, obwohl er seit Mitte der 1990er-Jahre das Recht auf eine Haftprüfung hatte. Der zu diesem Zeitpunkt über 75-Jährige hatte jedoch nie einen Antrag gestellt, weil er sich ungerecht verurteilt fühlt.[10][11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jürgen Neven-DuMont, Karl Schütz, Rainer Söhnlein: Kleinstadtmörder. Spur 1081. Hintergründe zum Fall Lebach. Hoffmann und Campe, Hamburg 1971, ISBN 3-455-05610-5.
  • Kerstin Rech: Spektakuläre Kriminalfälle im Saarland. Geistkirch Verlag, Saarbrücken 2015, ISBN 3-946036-43-0.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wolfgang Ihl: Lebacher Soldaten-Mord jährt sich heute zum 40. Mal (Memento vom 26. Juli 2016 im Internet Archive). In: Saarbrücker Zeitung, 19. Januar 2009.
  2. Das Trio. In: Der Spiegel. Nr. 19, 1970, S. 62–67 (online).
  3. Die Morde von Lebach. In: ZDFinfo. ZDF-Mediathek, 12. Oktober 2020, abgerufen am 2. Januar 2023.
  4. Eduard Zimmermann: Das unsichtbare Netz. München 1969, S. 227–234.
  5. Crime Nr. 28
  6. @1@2Vorlage:Toter Link/www.youtube.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  7. Vgl. die Prozessberichterstattung: Gerhard Mauz: Ein Ausbruch aus der „europäischen Ordnung“. In: Der Spiegel. Nr. 28, 1970, S. 69–70 (online). Gerhard Mauz: „Warum so und später anders …?“ In: Der Spiegel. Nr. 29, 1970, S. 74–75 (online). Hans-Joachim Noack: Nicht Apo und nicht Mafia: Der Lebach-Prozeß begann wie ein Kriminalroman. In: Die Zeit, Nr. 27/1970. Hans-Joachim Noack: Gekicher im Saal: Ditz und Wenzel flüchten sich in Schweigen. In: Die Zeit, Nr. 28/1970. Hans-Joachim Noack: Das Unbegreifliche blieb ohne Erklärung: Urteile im Lebach-Prozeß: Das Gericht fand nur Allgemeinplätze. In: Die Zeit, Nr. 33/1970.
  8. Christian Bommarius: Die unerzählten Geschichten: Sat.1 zeigt nach neun Jahren den „Fall Lebach“. Es ist ein gut gemachter Krimi – mehr nicht. In: Berliner Zeitung, 13. Januar 2005 (Hintergrundinformationen zum Fall und zur Verzögerung der Sendeerlaubnis der Sat1-Doku)
  9. Der Soldatenmord – Die Schüsse von Lebach. Pressetext zur ARD-Ausstrahlung, 7. Juni 2001.
  10. Udo Lorenz: 50 Jahre nach dem Soldatenmord: Die unvergessene Bluttat von Lebach. In: Saarbrücker Zeitung, 18. Januar 2019.
  11. Antonia Kleikamp: Der Tod kam nachts um drei. In: Die Welt, 20. Januar 2019.