Symbolische Kommunikation

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Symbolische Kommunikation bezeichnet in der Geschichtswissenschaft ein breites Spektrum von kommunikativen Handlungen, um unter Berücksichtigung der jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dies kann unter anderem durch öffentlich inszenierte Akte und ritualisierte Handlungen zumeist in nonverbaler Form erfolgen. Die Entwicklung der historischen Ritualforschung steht im Zusammenhang mit der in den letzten Jahrzehnten verstärkten Rezeption neuer kulturanthropologischer Ansätze in der Geschichtswissenschaft.

Gerd Althoff beschrieb symbolische Kommunikation als „kommunikative[n] Aktivitäten, bei denen Zeichen mit bestimmten Bedeutungsfunktionen benutzt wurden“.[1] In den Quellen erwähnte Gesten, Gebärden und Rituale haben demzufolge oftmals eine symbolische Qualität. Dieser Aspekt spielt nach Ansicht der neueren historischen Forschung vor allem, aber nicht nur, in der vormodernen Gesellschaft im Rahmen der öffentlichen Interaktion eine wichtige Rolle (siehe auch Symbolischer Interaktionismus). Entscheidend dabei ist eine „symbolische Zeichensprache“, die von beiden Seiten verstanden werden muss: Dem Handelnden und dem Betrachter. Die symbolische Handlung ist also kein Selbstzweck, sondern zweckgebunden.

Durch öffentliche Bitten, öffentliche Scherze oder durch öffentliche Unterwerfungsakte konnten demonstrative und rituelle Verhaltensmuster symbolisch kommuniziert und dadurch Höherrangigkeit, Bitte um Vergebung oder Herrschaftsansprüche ausgedrückt werden. Der Bittende brachte durch eine demütige Körperhaltung oder gar nur durch einen wortlosen Fußfall seine Bitte demonstrativ zum Ausdruck. Selbst Könige nutzten das Mittel der Bitte, um ihre Forderungen durchzusetzen.[2] Heinrich II. konnte durch wiederholte Niederwerfung (Prostratio) vor den versammelten Bischöfen die Gründung des Bistums Bamberg durchsetzen. Bei Mählern und Gelagen bestand eine rituelle Verpflichtung zum Scherzen. Damit wurde eine positive Gesinnung zum Ausdruck gebracht. König Konrad I. scherzte mit den Mönchen St. Gallens, als er ihr Bruder wurde. Dagegen wurde gegen Heinrich IV. der Vorwurf erhoben, er habe beim Versöhnungsmahl mit Gregor VII. in Canossa keine Speisen angerührt, geschwiegen und stattdessen die Tischplatte mit dem Fingernagel zerkratzt.[3] Des Weiteren kann auch eine bildliche Darstellung der symbolischen Kommunikation dienen, beispielsweise Memorialbauten.

Die ältere Forschung hat die demonstrativ-rituellen und symbolischen Handlungen noch weitgehend ignoriert. Seit den 1980er Jahren entwickelte sich die symbolische Kommunikation neben den Memorialquellen und einer neuen Lesart der schriftlichen Überlieferung zum zentralen Bestandteil einer Neubewertung des 10. Jahrhunderts.[4] Die Ritualisierung als Etablierung und Aufrechterhaltung der Ordnung im ottonischen Reich des 10. Jahrhunderts wurde vielfach untersucht.[5] In der historischen Forschung der letzten Jahre wurden diese Forschungen zunehmend über das gesamte Mittelalter und die Frühe Neuzeit ausgedehnt.[6] Das Mittelalter wurde sogar als „Zeitalter der Zeichen“ bezeichnet.[7]

Speziell in der oralen Gesellschaft des Frühmittelalters, aber auch der folgenden Zeit, kam demnach Ritualen eine wichtige Funktion zu, sie wirkten innerhalb einer politischen Ordnung. Eine symbolische öffentliche Geste konnte beispielsweise die Akzeptanz der bestehenden Verhältnisse ausdrücken, indem der höhere Rang einer anderen Person herausgestellt wurde. Ebenso konnte Gleichrangigkeit symbolisiert werden. In einem anderen Fall konnte ein Besiegter seine Niederlage im Rahmen einer öffentlich vollzogenen deditio (Unterwerfung) eingestehen und um Milde bitten.[8] Im Rahmen der symbolischen Forschung werden derartige Handlungen auf mögliche intendierte Zielabsichten untersucht und teilweise neu gedeutet, so etwa der Aspekt des Honor Imperii im mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich, speziell im Zeitalter der Staufer.[9] Hagen Keller hat gezeigt, dass die Urkunde in der symbolischen Kommunikation des Königs mit seinen Getreuen eingesetzt wurde und ihre Funktion nicht nur auf die Beschließung eines Rechtsgeschäftes begrenzt war.[10] In der deutschen Frühneuzeitforschung hat besonders Barbara Stollberg-Rilinger die symbolische Kommunikation für die frühneuzeitliche Verfassung des römisch-deutschen Reiches fruchtbar gemacht. Die politischen Rituale hat sie nachdrücklich als einen konstitutiven Bestandteil der frühneuzeitlichen Verfassung des Heiligen Römischen Reiches hervorgehoben.[11]

Zuletzt wurde an der Ritualforschung aber auch Kritik geübt, da sie bestimmte Handlungen (so Emotionsäußerungen) überbewerte und als kalkulierte Handlungen interpretiere, was sie nicht seien.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-14749-9.
  • Gerd Althoff: Inszenierte Herrschaft. Geschichtsschreibung und politisches Handeln im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-17247-7.
  • Gerd Althoff: Rituale – symbolische Kommunikation. Zu einem Feld der historischen Mittelalterforschung. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50, 1999, S. 140–154 (online).
  • Gerd Althoff: Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des Mittelalters. In: Frühmittelalterliche Studien 31, 1997, S. 370–389.
  • Edgar Bierende, Sven Bretfeld, Klaus Oschema (Hrsg.): Riten, Gesten, Zeremonien. Gesellschaftliche Symbolik in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Trends in medieval philology. Bd. 14). de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-020802-3.
  • Geoffrey Koziol: Begging Pardon and Favor. Ritual and Political Order in Early Medieval France. Cornell University Press, Ithaca, NY 1992, ISBN 0-8014-2369-4.
  • Geoffrey Koziol: The Dangers of Polemic: Is Ritual Still an Interesting Topic of Historical Study? In: Early Medieval Europe 11, 2002, S. 367–388.
  • Ulrich Meier, Gabriela Signori, Gerd Schwerhoff: Rituale, Zeichen, Bilder. Formen und Funktionen symbolischer Kommunikation im Mittelalter (= Norm und Struktur. Bd. 40). Böhlau, Köln u. a. 2011, ISBN 978-3-412-20737-3.
  • Barbara Stollberg-Rilinger, Matthias Puhle, Jutta Götzmann, Gerd Althoff (Hrsg.): Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800–1800. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-21346-7.
  • Barbara Stollberg-Rilinger, Tim Neu, Christina Brauner (Hrsg.): Alles nur symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation (= Symbolische Kommunikation in der Vormoderne). Böhlau, Köln u. a. 2013, ISBN 3-412-21061-7.
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale. Campus, Frankfurt am Main 2013.
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Forschungsperspektiven – Thesen. In: Zeitschrift für historische Forschung 31, 2004, S. 489–527.
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. In: Zeitschrift für historische Forschung 27, 2000, S. 389–405.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gerd Althoff: Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des Mittelalters. In: Frühmittelalterliche Studien 31, 1997, S. 370–389, hier S. 373.
  2. Gerd Althoff: Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des Mittelalters. In: Frühmittelalterliche Studien 31, 1997, S. 370–389, hier S. 375.
  3. Gerd Althoff: Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des Mittelalters. In: Frühmittelalterliche Studien 31, 1997, S. 370–389, hier S. 380.
  4. Gerd Althoff: Memoria, Schriftlichkeit, symbolische Kommunikation. Zur Neubewertung des 10. Jahrhunderts. In: Christoph Dartmann/Thomas Scharff/Christoph F. Weber (Hrsg.): Zwischen Pragmatik und Performanz – Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Turnhout 2011, S. 85–101.
  5. Karl Leyser: Ritual, Zeremonie und Gestik: Das ottonische Reich. In: Frühmittelalterliche Studien 27, 1993, S. 1–26; Hagen Keller: Ritual, Symbolik und Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches. In: Frühmittelalterliche Studien 35, 2001, S. 23–59; Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde. Darmstadt 1997; Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter. Darmstadt 2003, S. 68ff.
  6. In Deutschland ist hier vor allem der Münsteraner Sonderforschungsbereich 496 zu nennen, der bis Ende 2011 gefördert wurde.
  7. Vgl. Klaus Schreiner: Rituale, Zeichen, Bilder: Formen und Funktionen symbolischer Kommunikation im Mittelalter. Köln u. a. 2011, S. 7. Das Zitat geht auf Percy Ernst Schramm zurück.
  8. Ausgesuchte Beispiele etwa bei Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter. Darmstadt 2003.
  9. Knut Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert. Darmstadt 2001.
  10. Hagen Keller: Zu den Siegeln der Karolinger und der Ottonen. Urkunden als „Hoheitszeichen“ in der Kommunikation des Königs mit seinen Getreuen. In: Frühmittelalterliche Studien, Bd. 32 (1998), S. 400–441, insbesondere S. 425f. Wilfried Treseler: Lothar III. und die Privilegien des Klosters Montecassino. Symbolische Kommunikation während des Konfliktes zwischen Kaiser und Papst im Jahr 1137. In: Frühmittelalterliche Studien, Bd. 35 (2001), S. 313–328.
  11. Grundlegend Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München 2008.
  12. Teils recht polemisch zugespitzt Peter Dinzelbacher: Warum weint der König: Eine Kritik des mediävistischen Panritualismus. Badenweiler 2009. Vgl. auch Philippe Buc: The dangers of ritual. Between early medieval texts and social scientific theory. Princeton 2001; Philippe Buc: The monster and the critics: A ritual reply. In: Early Medieval Europe 15, 2007, S. 441–452.