Tabakmosaikvirus

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Tabakmosaikvirus

Tabakmosaikvirus

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Riboviria[3]
Reich: Orthornavirae[2]
Phylum: Kitrinoviricota[2]
Klasse: Alsuviricetes[2]
Ordnung: Martellivirales[2]
Familie: Virgaviridae
Gattung: Tobamovirus[1]
Art: Tobacco mosaic virus
Taxonomische Merkmale
Genom: (+)ssRNA
Baltimore: Gruppe 4
Wissenschaftlicher Name
Tobacco mosaic virus
Kurzbezeichnung
TMV
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Das Tabakmosaikvirus (englisch Tobacco mosaic virus, Akronym TMV) ist ein ca. 300 nm langes und 18 nm dickes röhrenförmiges Virus, das aus einsträngiger Ribonukleinsäure von ca. 6400 Basen und aus ca. 2100 identischen Hüllproteinen besteht. Es infiziert ausschließlich Pflanzen, unter anderem Tabak, aber auch Paprika sowie Tomaten. Das TMV erlangte geschichtliche Bedeutung, da mit ihm erstmals eine Krankheitsübertragung ohne eine Beteiligung von Bakterien nachgewiesen werden konnte.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als älteste Quellen über die Erkrankung an diesem Virus werden der Deutsche Adolf Mayer (1882) in den Niederlanden und Dimitri Iwanowski (1892) in Russland genannt. Mayer und Iwanowski wiesen nach, dass sich die Mosaikkrankheit von Tabakpflanzen durch einen bakterienfreien Extrakt aus kranken Tabakblättern auf gesunde Pflanzen übertragen lässt (horizontale Transmission). Sechs Jahre später wurde der Befund durch den Holländer Martinus Willem Beijerinck bestätigt.

1935 wurde das Virus erstmals isoliert und kristallisiert. In seinen wässrigen Lösungen fand ein Team um John Desmond Bernal 1936 flüssigkristalline Zustände, in denen die stäbchenförmigen Viren weitgehend parallel liegen. Im Jahr 1938 wiesen Gustav Adolf Kausche, Eduard Pfankuch und Helmut Ruska das Virus erstmals mit einem Elektronenmikroskop (damals Übermikroskop genannt) als sichtbares Makromolekül nach.[4] Die Entdeckung der Proteindoppelscheibe des TMV sowie die weitere Strukturaufklärung derartiger Nukleinsäure-Protein-Komplexe durch Aaron Klug mit der von ihm weiterentwickelten kristallographischen Elektronenmikroskopie wurde 1982 durch den Nobelpreis gewürdigt. In den 1950er Jahren zeigte Heinz Fraenkel-Conrat, dass die Virus-Nukleinsäure (RNA) und nicht das Hüllprotein die Erbinformation trägt, und 1960 gelang ihm mit seiner Arbeitsgruppe die komplette Sequenzierung des 158-Aminosäuren-TMV-Hüllproteins, das damals das größte Protein war, dessen Sequenz bekannt war.

Wirte und Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Tabakmosaikvirus verursacht die ökonomisch bedeutsame Mosaik-Krankheit des Tabaks. Es infiziert aber darüber hinaus eine große Zahl von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen und Zierpflanzen aus mehr als neun Pflanzenfamilien. Es wird sehr leicht übertragen, z. B. durch direkten Kontakt zwischen Pflanzen, durch Pflanzensaft, bei einigen Pflanzen durch Saatgut und vor allem durch landwirtschaftliche Kulturpraktiken bei der Handhabung infizierter Pflanzen. Es ist im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzenviren äußerst hitzestabil. Aufgrund dieser Eigenschaften ist es vermutlich eines der am weitesten verbreiteten Viren weltweit und nicht zufällig das erste beschriebene Virus überhaupt.

Virusbildung durch Selbstassemblierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

TMV wurde unter anderem wegen seiner Fähigkeit zur Selbstassemblierung bekannt. Wenn man die RNA des Virus mit dessen Proteinen mischt, bildet sich auch im Reagenzglas („in vitro“) ein komplettes Virus aus. Interessanterweise ist auch das Hüllprotein ohne die RNA in der Lage, sich zu einem Virus-ähnlichen Partikel zu assemblieren. Die Zusammenlagerung der Protein-Untereinheiten hängt dabei wesentlich vom pH-Wert der Lösung und deren Ionenstärke (Salzkonzentration) ab.[5]

Nutzung als Biotransistor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In aktuellen Forschungsarbeiten wird das Tabakmosaikvirus als Werkzeug für neuartige elektronische Bauteile in der Nanotechnologie zur Entwicklung eines Feldeffekttransistors eingesetzt. Hierbei entsteht durch einen Biomineralisationsprozess eine Halbleiterschicht auf dem Tabakmosaikvirus.[6][7]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. SIB: Tobamovirus, auf: ViralZone
  2. a b c d ICTV: ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  3. ICTV Master Species List 2018b v1 MSL #34, Feb. 2019
  4. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 63.
  5. Butler, J. P., Klug, A.: Wie bildet sich ein Virus? Spektrum der Wissenschaft, Januar 1979, S. 4–14
  6. Atanasova, P., Rothenstein, D., Schneider, J. J., Hoffmann, R. C., Dilfer, S., Eiben, S., Wege, C., Jeske, H. & Bill, J. (2011): Virus-templated synthesis of ZnO nanostructures and formation of field-effect transistors, Adv. Mat. , 23, S. 4918–4922.
  7. Andrea Mayer-Grenu: Weltweit erster Feldeffekt-Transistor auf Virenbasis. Universität Stuttgart, Pressemitteilung vom 10. Juli 2012 beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de), abgerufen am 15. September 2015.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Iwanowski, D. (1892): Izv. imp. Akad. Nauk. 35, 67.
  • Mayer, A. (1886): Ueber die Mosaikkrankheit des Tabaks. Die landwirtschaftlichen Versuchs-Stationen 32, S. 451–467.
  • Bawden, F. C., Pirie, N. W., Bernal, J. D., Fankuchen, I. (1936): Liquid Crystalline Substances from Virus-infected Plants. Nature 138, S. 1051f. Mit ausführlichem Kommentar in: Crystals that Flow. Classic papers from the history of liqid crystals. Compiled with translation and commentary by T. J. Sluckin et al.; Taylor & Francis, London and New York 2004. ISBN 0-415-25789-1
  • Klug, A. (1983): Vom Makromolekül zum biologischen Molekülverband. (Nobelvortrag Stockholm 1982.) Angewandte Chemie 95, S. 579–596.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]