Thioharnstoff

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Strukturformel
Struktur von Thioharnstoff
Allgemeines
Name Thioharnstoff
Andere Namen
  • Thiocarbamid
  • Sulfoharnstoff
  • Sulfocarbamid
  • Thiourea
  • TH
Summenformel CH4N2S
Kurzbeschreibung

weißer geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 62-56-6
EG-Nummer 200-543-5
ECHA-InfoCard 100.000.494
PubChem 2723790
Wikidata Q528995
Eigenschaften
Molare Masse 76,12 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,41 g·cm−3 bei 20 °C[1]

Schmelzpunkt

176–178 °C[1]

Siedepunkt

Zersetzung[1]

Löslichkeit

137 g·l−1 bei 20 °C[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[2] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​351​‐​361d​‐​411
P: 201​‐​280​‐​301+310​‐​304+340​‐​310​‐​273[1]
MAK

nicht festgelegt[1]

Toxikologische Daten

125 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−89,1 kJ/mol[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Thioharnstoff ist ein Derivat des Harnstoffs, dessen Sauerstoffatom durch ein Schwefelatom ersetzt ist.

Gewinnung und Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thioharnstoff kann aus Ammoniumthiocyanat gewonnen werden, wobei die Auftrennung von Produkt und Edukt in der Gleichgewichtsreaktion schwierig ist.[4]

Gleichgewicht Ammoniumthiocyanat – Thioharnstoff
Gleichgewicht Ammoniumthiocyanat – Thioharnstoff

Die technische Synthese erfolgt durch das Einleiten von Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid in eine wässrige Suspension von Calciumcyanamid.[4]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Physikalische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thioharnstoff bildet farblose und geruchlose Kristalle. Die Verbindung zeigt keinen scharfen Schmelzpunkt, da ab 153 °C eine Umlagerung zum Ammoniumthiocyanat erfolgt.[4] Die Literatur gibt Schmelzpunkte zwischen 167 °C und 182 °C an.[4] Thioharnstoff hat bei Raumtemperatur eine orthorhombische Kristallstruktur mit Raumgruppe Pnma (Raumgruppen-Nr. 62)Vorlage:Raumgruppe/62.[5] Das Kohlenstoff- und das Schwefelatom liegen auf einer Spiegelebene, sodass das Molekül die Punktgruppensymmetrie CS besitzt. Es ist beinahe planar und die Symmetrie somit näherungsweise C2v. Beim Abkühlen des Kristalls[6] oder bei hohem Druck[7] entstehen durch Fest-fest-Phasenübergänge Kristallstrukturen mit anderer Symmetrie.

Chemische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thioharnstoff ist eine organische Verbindung und ein Komplexbildner. Er tritt in zwei tautomeren Formen auf. In wässrigen Lösungen dominiert die Thionform:

Thion- und Thiolform von Thioharnstoff

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1993 betrug die weltweite jährliche Produktion 10.000 Tonnen.[8] Als reine Verbindung wird Thioharnstoff hauptsächlich (25 % der Produktion) zur Extraktion von Metallen wie Gold und Silber aus Erzen eingesetzt. Außerdem wird er als Hilfsstoff in Diazo-Papier (16 % der Produktion) und als Katalysator zur Isomerisierung von Maleinsäure in Fumarsäure verwendet (12 % der Produktion). Als Reaktant dient Thioharnstoff vor allem zur Herstellung von Thioharnstoffdioxid (27,5 % der Produktion.[9]) Weitere wichtige Anwendungen sind:

Biologische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thioharnstoff kann die Enzyme Tyrosinase und Urease hemmen.

Sicherheitshinweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thioharnstoff ist als krebserregend, Kategorie 2 (Verdacht auf karzinogene Wirkung beim Menschen) und reproduktionstoxisch, Kategorie 2 (Kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen) eingestuft.[1] Er kann nur sehr schwer mit normalen Abwasserreinigungsmethoden aus Abwässern entfernt werden.

Abgeleitete Verbindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Thiourea – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k Eintrag zu Thioharnstoff in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu Thioharnstoff im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-20.
  4. a b c d Mertschenk, B.; Knott, A.; Bauer, W.: Thiourea and Thiourea Derivatives, in: Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2013; doi:10.1002/14356007.a26_803.pub3.
  5. M. R. Truter: Comparison of photographic and counter observations for the X-ray crystal structure analysis of thiourea. In: Acta Crystallographica. Band 22, Nr. 4, 1967, S. 556–559, doi:10.1107/S0365110X67001124.
  6. I. Takahashi, A. Onodera, Y. Shiozaki: Structural changes of thiourea in connection with its phase transitions: reappraisal of rigidity and libration of the molecule. In: Acta Crystallographica Section B. Band 46, Nr. 5, 1990, S. 661–664, doi:10.1107/S0108768190006012.
  7. T. Asahi, K. Hasebe, A. Onodera: Crystal Structure of the High Pressure Phase VI of Thiourea. In: Journal of the Physical Society of Japan. Band 69, 2000, S. 2895–2899, doi:10.1143/JPSJ.69.2895.
  8. a b c d e f g Concise International Chemical Assessment Document (CICAD) für Thiourea, abgerufen am 9. Dezember 2014.
  9. Herwig Hulpke, Herbert A. Koch, Reinhard Nießner: RÖMPP Lexikon Umwelt, 2. Auflage, 2000. Georg Thieme Verlag, 2014, ISBN 3-13-179342-2, S. 795 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Ullmanns Enzyklopädie: Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, Wiley Verlag.
  11. Jander/Blasius: Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie, S. Hirzel-Verlag Stuttgart, 1985.
  12. Friedrich Asinger: Chemie und Technologie der Paraffinkohlenwasserstoffe. Akademie Verlag, 1956, S. 53–59.