Thwaites-Gletscher

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Thwaites-Gletscher
Zunge des Thwaites-Gletschers
Zunge des Thwaites-Gletschers

Zunge des Thwaites-Gletschers

Lage Marie-Byrd-Land, Westantarktika
Fläche 192.000 km² (2010)
Koordinaten 75° 30′ S, 106° 45′ WKoordinaten: 75° 30′ S, 106° 45′ W
Thwaites-Gletscher (Antarktis)
Thwaites-Gletscher (Antarktis)
Entwässerung Amundsensee

Der Thwaites-Gletscher (inoffiziell auch englisch Doomsday Glacier ‚Gletscher des Jüngsten Gerichts oder Weltuntergangsgletscher‘)[1][2][3] ist ein großer Gletscher im westantarktischen Marie-Byrd-Land. 2010 wies er eine Ausdehnung von rund 192.000 km² auf – eine Fläche, die größer ist als Florida.[4][5]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Thwaites fließt rund 50 km östlich des Mount Murphy zur Amundsen-See, in die er etwa 30 km nordöstlich der Bear-Halbinsel an der Walgreen-Küste in Form einer über 160 km langen und 30 km breiten Gletscherzunge mündet. 60 km der Zunge sind aufschwimmend und behindern die Schifffahrt in Ost-West-Richtung. Der Gletscher liegt in einer Gegend mit erhöhter vulkanischer Aktivität.[6]

Die Geografie der Landschaft unter dem Gletscher wurde kartographiert (Veröffentlichung April 2024). Unter dem Gletscher befinden sich unter anderem auch Subglaziale Seen mit einer Tiefe bis zu 100 m.[7]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der United States Geological Survey kartierte den gesamten Gletscher anhand eigener Vermessungen und Luftaufnahmen der United States Navy aus den Jahren von 1959 bis 1966. Das Advisory Committee on Antarctic Names benannte ihn 1967 in Ehren an dem Glaziologen Fredrik T. Thwaites (1883–1961) von der University of Wisconsin. Aufgrund seiner Eigenschaften wird dieser massive Gletscher für wissenschaftliche Szenarien des menschengemachten Klimawandels bis heute durch die NASA und Wissenschaftler genau beobachtet und analysiert.[8]

Bedeutung als Klimaindikator[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thwaites-Gletscher am 2. Dezember 2001 vor Abbruch des Eisbergs B-22 im Jahr 2002
Thwaites-Gletscher am 28. Dezember 2019

Der Gletscher hat eine wichtige Funktion. Zusammen mit dem Pine-Island-Gletscher wirkt er als stabiler „Bremsklotz“ für den viel größeren westantarktischen Eisschild. Sollte dieser eines Tages schmelzen, abbrechen oder gar zusammenbrechen, könnten zahlreiche Küstenstädte wegen eines Meeresspiegelanstiegs von mehr als einem Meter überflutet werden.[4] Im Jahr 2020 bezeichnete die British Broadcasting Corporation (BBC) den Thwaites aufgrund dieser globalen Bedeutung als Doomsday Glacier, was Weltuntergangsgletscher oder Gletscher des Jüngsten Gerichts bedeutet.[9][10]

In der Region dieses Gletschers verändern sich die atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen besonders deutlich: Rasche Eisverluste sind die Folge (siehe Folgen der globalen Erwärmung in der Antarktis), da auch das schützende Schelfeis als natürliche Schutzbarriere des Gletschers durch die Erhöhung der Wassertemperaturen rascher schmilzt.

Die Stabilität des Gletschers ist durch die Marine Ice Sheet Instability gefährdet, da er eine diesbezügliche Topologie aufweist und sich die warme Meeresströmung immer mehr unter den Gletscher fressen kann (da das Festland in der Westantarktis abfallend unter der Meeresoberfläche liegt).

Anfang 2020 nahmen Forscher der International Thwaites Glacier Collaboration (ITGC) Messungen vor, um Szenarien für die Zukunft des Gletschers zu entwickeln und den Zeitraum für einen möglichen Zusammenbruch zu prognostizieren:[11][3] Die Erosion des Gletschers durch erwärmtes Ozeanwasser scheint stärker als erwartet. Die Forscher stellten besorgt fest, dass die Wassertemperatur an der Grundlinie des Gletschers bereits mehr als zwei Grad über dem Gefrierpunkt liege.[4][5][9] Ein Auslöser der Expedition waren u. a. Geo-Erkundungen der NASA.[8]

Eine Studie aus dem Jahr 2021 kam zu der Erkenntnis, dass große Teile des aufschwimmenden Teils des Gletschers innerhalb weniger Jahre abbrechen könnten. Hierauf deuteten Anzeichen in Form von Rissen und Eisbewegungen hin.[12] Das Tauen des Thwaites-Gletschers ist bereits für etwa vier Prozent des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich.[13] Der Zusammenbruch dieses Gletschers würde den Pegel der Meere um etwa 65 Zentimeter anheben[4], was einige Forscher innerhalb weniger Jahrzehnte erwarten.[14] Ein vollständiges Abschmelzen des Gletschers könnte auch angrenzende Eismassen in den Prozess miteinbeziehen und den Meeresspiegel global um bis zu drei Meter ansteigen lassen.[15][16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Douglas Fox: Der Hochrisiko-Gletscher. In: Spektrum der Wissenschaft. Nr. 3, 2023, S. 38–49 (spektrum.de).
  • Christof Gertsch und Mikael Krogerus: Das Ende vom ewigen Eis. Ein einziger Gletscher in der Antarktis entscheidet darüber, wie wir in Zukunft leben werden – und wo. Sein Name: Thwaites, Das Magazin, N° 43, Zürich 29. Oktober 2022.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Thwaites-Gletscher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. John Vidal: Scientists watch giant ‘doomsday’ glacier in Antarctica with concern. In: The Guardian. 18. Dezember 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021 (englisch).
  2. Thwaites-Gletscher schmilzt rasant: Forschende warnen vor dramatischem Wandel. Abgerufen am 30. Dezember 2021.
  3. a b Angelika Jung-Hüttl: Klimawandel: Antarktis-Gletscher schmilzt. Abgerufen am 30. Dezember 2021.
  4. a b c d DER SPIEGEL: Ein Koloss taut auf - DER SPIEGEL - Wissenschaft. Abgerufen am 30. Januar 2020.
  5. a b Shola Lawal: Temperatures at a Florida-Size Glacier in Antarctica Alarm Scientists. In: The New York Times. 29. Januar 2020, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 30. Januar 2020]).
  6. Robin McKie: Scientists discover 91 volcanoes below Antarctic ice sheet. In: The Observer. 12. August 2017, ISSN 0029-7712 (theguardian.com [abgerufen am 10. Februar 2020]).
  7. Bericht bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU), 2024: New insights into the bed beneath remote Antarctic glacier. British Antarctic Survey (BAS), Presseveröffentlichung vom 16. April 2024 (englisch). Dazu:
  8. a b WELT: Antarktis: Forscher wegen Höhle im Thwaites-Gletscher in Sorge. In: DIE WELT. 31. Januar 2019 (welt.de [abgerufen am 30. Januar 2020]).
  9. a b Justin Rowlatt: Journey to the 'doomsday glacier'. In: BBC News. 28. Januar 2020 (bbc.com [abgerufen am 30. Januar 2020]).
  10. David Zauner: Westantarktis ist nicht mehr zu retten, in: klimareporter, 24. Oktober 2023
  11. ITGC: Scientists drill for first time on remote Antarctic Glacier. In: thwaitesglacier.org. 28. Januar 2020, abgerufen am 31. Januar 2020.
  12. Antarktis: Eisschild am Thwaites-Gletscher könnte innerhalb der nächsten Jahre zerbrechen. In: Der Spiegel. 14. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. Dezember 2021]).
  13. Pietro Milillo et al.: Heterogeneous retreat and ice melt of Thwaites Glacier, West Antarctica. In: Science Advances. Band 5, Nr. 1, 2019, eaau3433, doi:10.1126/sciadv.aau3433
    Forscher finden gigantischen Hohlraum in Antarktis-Gletscher. In: Spiegel Online vom 31. Januar 2019. Abgerufen am 2. Februar 2019.
  14. Paul Voosen: Ice shelf holding back keystone Antarctic glacier within years of failure. In: Science. 13. Dezember 2021, doi:10.1126/science.acz9821.
  15. Ian Joughin, Benjamin E. Smith und Brooke Medley: Marine Ice Sheet Collapse Potentially Under Way for the Thwaites Glacier Basin, West Antarctica. In: Science. März 2014, doi:10.1126/science.1249055.
  16. T. A. Scambos u. a.: How much, how fast?: A science review and outlook for research on the instability of Antarctica's Thwaites Glacier in the 21st century. In: Global and Planetary Change. Juni 2017, doi:10.1016/j.gloplacha.2017.04.008.