Urbanus Rhegius

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Urbanus Rhegius (* Mai 1489 in Langenargen; † 23. Mai 1541 in Celle; eigentlich Urban Rieger) war ein Reformator, der ungewöhnlicherweise sowohl in Süd- als auch in Norddeutschland aktiv war. Obgleich er sich im Austausch mit anderen Reformatoren stets für eine „evangelische Einheit“ und einen religiösen Ausgleich im Heiligen Römischen Reich einsetzte, waren seine Hoffnungen auf eine solche Einigung gering. Er selbst sah als Zeichen der „wahren“ Kirche zunehmend die lutherische Deutung des Evangeliums.

Urbanus Rhegius

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn des Priesters Konrad Rieger besuchte zunächst die Lateinschule in Lindau und studierte später in Freiburg im Breisgau, Ingolstadt, Tübingen und Basel, unter anderem bei Johannes Eck. 1519 wurde er in Konstanz zum Priester geweiht und erhielt 1520 eine Stelle als Domprediger in Augsburg.

Nach seinem Amtsantritt verkündete er noch pflichtgemäß die päpstliche Bulle Exsurge Domine gegen Martin Luther, geriet jedoch durch seine kritische Haltung gegen den Ablasshandel bald selbst in Konflikt mit den kirchlichen Autoritäten. Er wurde 1521 entlassen, nachdem er eine Verteidigungsschrift für Luther verfasst hatte, in welcher er deutlich antirömische Positionen vertrat. Er arbeitete einige Zeit als Kaplan in Hall in Tirol und kehrte 1524 als evangelischer Pfarrer zurück nach Augsburg.

Wirken in Augsburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den folgenden Jahren verfasste Rhegius unter anderem eine Schrift gegen Andreas Karlstadt und eine Arbeit gegen die Leibeigenschaft, die Luther im Bauernkrieg als vorbildlich herausstellte. Im Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli bemühte er sich um Vermittlung und beteiligte sich auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 an der Formulierung der Confessio Augustana.

Lüneburger Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1530 folgte Rhegius einer Einladung des Herzogs Ernst I. von Lüneburg nach Celle, wo er sich als Superintendent der Ausbildung von Pastoren und insbesondere der Abfassung von Lehrbüchern[1] sowie von Prüfungs- und Kirchenordnungen widmete. Neben Lüneburg trug er damit auch in Hannover maßgeblich zum Durchbruch der Reformation bei.

Durch Briefwechsel, Gutachten, aber auch persönliche Zusammentreffen mit anderen Reformatoren, etwa auf dem Religionsgespräch zu Hagenau, war Rhegius weit über seine Wirkungsstätte hinaus einflussreich. Unter anderem bezog er Stellung gegen die Täufer in Münster und setzte sich 1540 für die Juden in Braunschweig ein, die er auch für den christlichen Glauben zu gewinnen suchte.[2]

Rhegius stand in direktem Kontakt mit dem ersten Bürgermeister nach der Reformation in Hannover Anton von Berckhusen[3] und zugleich Diakon an der dortigen Marktkirche; der Superintendent in Celle hatte 1536 eine reformatorische Kirchenordnung für Hannover erarbeitet.[4]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1525 war Urbanus Rhegius mit der Augsburgerin Anna Weißbrugger verheiratet und wurde Vater von vier Söhnen und acht Töchtern. Ein dreizehntes Kind, dessen Geschlecht nicht bekannt ist, wurde nach seinem Tod geboren und ist bald verstorben.

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nova doctrina, 1526
  • Die new leer sambt jrer Verlegung, 1527
  • Seelenarznei, 1529 (Trostschrift, wurde später in zehn Sprachen veröffentlicht und erreichte 90 Auflagen)
  • Formulae quadam, 1535
  • Dialogus von der schönen Predigt, 1536
  • Gesamtausgabe der lateinischen Schrifen: Opera Urbani Regii latine edita, 3 Bde., Nürnberg 1562.

Benennungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Kirchenkreis Celle ist das Urbanius-Rhegius Haus nach ihm benannt. Dort halten die Kirchenkreissynode und andere Gremien ihre Treffen ab.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Werner Raupp (Hrsg.): Mission in Quellentexten. Geschichte der Deutschen Evangelischen Mission von der Reformation bis zur Weltmissionskonferenz Edinburgh 1910, Erlangen / Bad Liebenzell 1990 (ISBN 3-87214-238-0 / 3-88002-424-3), S. 46 f. (Übers. von: Urbanus Rhegius: Catechismus minor puerorum (Kinderkatechismus), 1535, in: Opera Urbani Regii latine edita, t.1, Nürnberg 1562, S. 121; Übers. von: Urbanus Rhegius: Epistola ad totam Judaeorum Synagogam Brunsvici habitantem (Sendschreiben an die gesamte Synagoge der Juden in Braunschweig), 1535, in: Opera Urbani Regii latine edita, t. 3, Nürnberg 1562, S. 92r-93r.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bibliografie

  • Anton G. Schlichthaber: Mindische Kirchengeschichte, Minden 1749–1755, hier in einem der 5 Bände: „Vita Urbani Rhegi“
  • Sebastian Ruf: Doctor Jacob Strauß und Doctor Urban Regius. In: Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols 2 (1865), S. 67–81
  • David Schönherr: Franz Schweygers Chronik der Stadt Hall 1303–1572 (= Tirolische Geschichtsquellen 1), Innsbruck 1867, S. 21 und 80–82
  • Maximilian Liebmann: Urbanus Rhegius und die Anfänge der Reformation. Beiträge zu seinem Leben, seiner Lehre und seinem Wirken bis zum Augsburger Reichstag von 1530; mit einer Bibliographie seiner Schriften. Aschendorff, Münster 1980
  • Hellmut Zschoch: Reformatorische Existenz und konfessionelle Identität. Urbanus Rhegius als evangelischer Theologe in den Jahren 1520 bis 1530 (= Beiträge zur historischen Theologie 88), Tübingen 1995
  • Heinz Moser: Waldaufstiftung Hall in Tirol. Urkunden aus den Jahren 1490–1856 (= Tiroler Geschichtsquellen 44), Innsbruck 2000, S. 42–46
  • Romedio Schmitz-Esser: Von entlaufenen Nonnen und charismatischen Predigern. Die Lehren Luthers und ihr Niederschlag in Hall in Tirol. In: Tiroler Heimatblätter 82/1 (2007), S. 12–18
  • Hellmut Zschoch: Rhegius, Urbanus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 8, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-053-0, Sp. 122–134.
  • Julius August WagenmannRhegius, Urbanus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 374–378.

Leben

  • Dietmar Lamprecht: Urbanus Rhegius: der vergessene Reformator der Lüneburger Heide; eine Erinnerung. Missionsbuchhandlung, Hermannsburg 1980. ISBN 3-87546-024-3
  • Eduard Hindelang (Hrsg.), Walter König: Der Reformator Urbanus Rhegius – Chronik einer Familie zwischen Langenargen und Finkenwerder. ISBN 3-00-019682-X
  • Jens Schmidt-Clausen: Rhegius (Rieger), Urbanus. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 269; teilweise online über Google-Bücher
  • Jens Schmidt-Clausen: Rhegius (Rieger), Urbanus. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 521.
  • Matthias Blazek: Eine Säule des Luthertums – Predigersohn Urbanus Rhegius brachte Reformation nach Celle. Sachsenspiegel 52, Cellesche Zeitung vom 31. Dezember 2016

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Urbanus Rhegius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Digitalisierte Werke im Internet:

Biographische Artikel

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. etwa seinen Kinderkatechismus; Auszug in: Werner Raupp (Hrsg.): Mission in Quellentexten, 1990 (w.o., Quellen), S. 46 f.
  2. Vgl. sein Sendschreiben an die Braunschweiger Synagoge, 1535; Auszug in: Werner Raupp (Hrsg.): Mission in Quellentexten, 1990 (w.o., Quellen), S. 57 f.
  3. Vergleiche die Übersetzung der Inschrift eines verlorenen Epitaphs in: Sabine Wehking: Bestand: DI 36 (Hannover) / Nr. 190† Marktkirche 1597, 1598, 1607, in: Inschriftenkatalog: Stadt Hannover auf Deutsche Inschriften Online.
  4. Jens Schmidt-Clausen: Rhegius (siehe Literatur).