Virgilkapelle

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Die unterirdische Virgilkapelle, mit bemaltem byzantinischem Radkreuz

Die Virgilkapelle, eine unterirdische Gruft neben dem Stephansdom in Wien, ist eine Krypta von rechteckiger Form (etwa 6 m × 10 m) mit sechs Nischen. Sie liegt heute etwa zwölf Meter unter dem Niveau des Stephansplatzes.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte der Kapelle ist nicht ganz klar: Ihre Architektur lässt sich auf das frühere 13. Jahrhundert datieren. Zu dieser Zeit war der letzte Herzog aus dem Hause Babenberg, Friedrich der Streitbare (1230–1246), Herr von Wien. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass der Herzog, der Wien gerne als Bistum gesehen hätte, eine Krypta für den heiligen Koloman als damaligen Schutzpatron der gewünschten Diözese errichten ließ. Die Achsen der Kapelle sind nach dem Sonnenstand am Namenstag des Heiligen ausgerichtet. Die Chroniken erwähnen den Bau jedenfalls nicht, was zu der Vermutung Anlass gibt, dass es sich um ein wie auch immer gescheitertes Projekt handelte.

Im Jahre 1307 wird eine Kapelle der bürgerlichen Familie Chrannest erwähnt. Die Kapelle soll mehrere Altäre gehabt haben, von denen einer zu Ehren des heiligen Virgilius von Salzburg errichtet worden war.

Im Mittelalter war der Stephansdom von einem großen Friedhof umgeben. Für die Einsegnungen und Totenmessen gab es eine eigene kleine Kapelle, die das Patrozinium der heiligen Maria Magdalena trug. Die Virgilkapelle lag genau unter dieser Kapelle. Ein Schacht führte nach oben in die Magdalena-Kapelle. Im Jahre 1473 vermachte Hans Viereck der Eisner testamentarisch für die Errichtung einer Eingangshalle zw dem furpaw vor der Grufft bey dem newen Korrner auf sand Steffannsfreythof … so man anhebt zepawen einen größeren Geldbetrag.[1] Die Pläne dieses von der Dombauhütte ausgeführten Vorbaus zeichnete Laurenz Spenning.

Im Jahre 1732 wurde der Friedhof um den Dom aufgelassen. Die Magdalena-Kapelle brannte im Jahr 1781 ab und wurde nicht wieder aufgebaut (vermutlich weil es ohne Friedhof keinen Bedarf für eine Friedhofskapelle gab). Die Virgilkapelle wurde zugeschüttet und geriet in Vergessenheit.

Im Jahr 1972 wurde im Zuge der Arbeiten an der Wiener U-Bahn die Kapelle wiederentdeckt. Der Innenraum war verfüllt. Nach dem Entfernen des Materials präsentiert sich die Kapelle heute in einem guten Zustand, die Westwand fiel allerdings dem U-Bahn-Bau zum Opfer. Die Virgilkapelle hatte ursprünglich weder Türen noch Fenster und war nur von oben über Leitern zugänglich. Durch das Entfernen der Westwand kann sie nun bequem erreicht werden; als Konsequenz wurde die Kapelle in die U-Bahn-Station Stephansplatz integriert.

Anlässlich der Wiedereröffnung der Virgilkapelle im Dezember 2015 komponierte der estnische Komponist Arvo Pärt eine „Kleine Litanei“.[2]

Die Grundrisse der Virgil- und Magdalena-Kapelle wurden im Pflaster des Stephansplatzes mit farbigen Steinen nachgebildet.

Zugang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Virgilkapelle ist heute eine Außenstelle des städtischen Wien Museums. Zunächst war die Kapelle über einen kleinen Seitengang von der U-Bahn-Station aus zugänglich. Ende der 1990er Jahre traten erhöhte Feuchtigkeitswerte und Wachstum von Flechten auf, weshalb die Kapelle Anfang der 2000er Jahre für den Besuch geschlossen wurde. Seit Dezember 2015 ist sie von der oberen Ebene der U-Bahn-Station Stephansplatz aus zugänglich.[2] In der Kapelle wurde ein leicht erhöhter Boden eingesetzt, ein diskretes Geländer hält Besucher vom direkten Zugang zu den Wänden fern. Zur Virgilkappe gehört ein Museum des Mittelalters mit Exponaten und ausführlicher Dokumentation der Kapelle und des Mittelalters in Wien.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michaela Kronberger (Hrsg.): Die Virgilkapelle in Wien. Baugeschichte und Nutzung. Phoibos-Verlag, Wien 2016, ISBN 978-3-85161-164-9.
  • Marina Kaltenegger, Patrick Schicht: Die „Virgilkapelle“. Bauhistorische Untersuchungen im Vorfeld der neuen musealen Präsentation. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie. Nr. 18, Wien 2015, S. 242–249 (PDF auf stadtarchaeologie.at).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Virgilkapelle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Walther Brauneis: Zur Topographie des Stephansplatzes. In: Wiener Geschichtsblätter. 26, 1971, S. 161–168.
  2. a b Wiedereröffnung Virgilkapelle. (PDF; 5 Seiten) In: wienmuseum.at. Dezember 2015, abgerufen am 6. Januar 2021.

Koordinaten: 48° 12′ 30″ N, 16° 22′ 20″ O