Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs

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Banner im Sommer 1934 an einem Schulhaus in Fürth:
„JA“ dem Führer!

Die Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs fand am 19. August 1934 statt. Der damalige Reichskanzler Adolf Hitler ließ sich im Nachhinein von der deutschen Bevölkerung die Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf seine Person als Führer und Reichskanzler bestätigen. Die Abstimmung ergab eine deutliche Zustimmung, diese blieb aber hinter den Erwartungen zurück und war geringer als 1933.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reichsgesetzblatt vom 2. August 1934: Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs.

Am 14. Juli 1933 erließ die Regierung Hitler das Gesetz über Volksabstimmung. Damit war es möglich, neben Gesetzen nun auch über sonstige „Maßnahmen der Regierung“ (einschließlich verfassungsändernde Vorschriften) abzustimmen. Es war eine einfache Mehrheit der abgegebenen und gültigen Stimmen für eine Zustimmung ausreichend.[1] Weggefallen waren somit jegliche Schranken, die einem demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgan unterliegen und der nationalsozialistischen Reichsregierung auf Grund des Ermächtigungsgesetzes auferlegt worden waren. Volksabstimmungen sollten durchgeführt werden, um letztlich die scheinbare oder tatsächliche Einheit zwischen der Staatsführung der NSDAP und der von ihr propagierten Volksgemeinschaft zu zeigen.[2]

Bereits am 1. August 1934, einen Tag vor dem Tod des parteilosen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August, schuf Adolf Hitler die gesetzliche Grundlage für die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers, das er seit dem 30. Januar 1933 innehatte, und des Reichspräsidenten. Dieses Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs trat mit dem Tod Hindenburgs in Kraft.[3] So gab es nach der letzten Wahl von 1932 keine Neuwahl, sondern das Volk sollte nachträglich per Volksentscheid abstimmen. Das Kabinett Hitler setzte die Volksabstimmung über die Zusammenlegung per Verordnung für den 19. August 1934 an.[4]

Abstimmung und Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abdruck des Stimmzettels (RGBl. I, S. 758)

Die Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel war:

„‚Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter.‘ […] Stimmst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, der in diesem Gesetz getroffenen Regelung zu?“[5]

Das amtliche Endergebnis lautete:

Stimmen %
Ja 38.394.848 89,93
Nein 4.300.370 10,07
ungültig/leer 873.668
Summe 43.568.886 100
Registrierte Wähler/Wahlbeteiligung 45.552.059 95,65
Quelle: Nohlen & Stöver (Hg.): Elections in Europe. A Data Handbook, 2010, S. 762

Teils war es nachträglich feststellbar, wer mit Nein gestimmt hatte. So wurden in Bad Dirsdorf im Kreis Nimptsch in Schlesien am Tag nach der Abstimmung die Nein-Wähler bekannt gemacht.[6] Nach Karl Dietrich Bracher waren die Ergebnisse aber trotz aller Einschränkungen aussagekräftig, er sah in den unterschiedlichen Ergebnissen den Ausdruck des Fortwirkens traditioneller Milieus, vor allem des Katholizismus und der Arbeiterbewegung.[7]

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Erlass zum Vollzug des Gesetzes heißt es, dass Hitler auf die Amtsbezeichnung des VerfassungsorgansReichspräsident“ verzichte, weil sie unzertrennlich mit dem Namen Hindenburgs verbunden sei. Er führte fortan die Bezeichnung Führer und Reichskanzler.[8] Das durch Volkswahl legitimierte Amt des Reichspräsidenten beinhaltete gemäß der Verfassung der Weimarer Republik unter anderem die oberste militärische Kommandogewalt über die Gesamtstreitkräfte einschließlich der Generalität, die somit auf Hitler überging. Denn das Amt des Reichspräsidenten wurde nicht neu besetzt, sondern der Reichskanzler Hitler erhielt dessen Befugnisse. Er konnte fortan Reichsminister ernennen und entlassen, den Reichstag auflösen und wurde zum Oberbefehlshaber der gesamten Streitkräfte.

Da die Zeit für die Vorbereitung der Volksabstimmung sehr knapp bemessen war – vom Tod Hindenburgs bis zur Abstimmung vergingen gerade 17 Tage, darunter eine Woche Staatstrauer – wurde bei den folgenden Wahlgängen 1936 und 1938 zum Reichstag ein größerer Zeitraum für Propaganda eingeplant.[9]

Im Vergleich zur Volksabstimmung von 1933 erschien das Abstimmungsergebnis unbefriedigend, vor allem in größeren Städten,[10] wo im äußersten Fall weniger als 70 % der Bevölkerung mit Ja gestimmt hatte (Beispiel Aachen oder Bezirke von Berlin).[11] Dies führte dazu, dass das Instrument des Plebiszits nicht mehr wie ursprünglich beabsichtigt eingesetzt, sondern durch die sichereren „Entscheidungen“ des Einparteienreichstages ersetzt wurde.[12]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufrufe im Völkischen Beobachter zur Teilnahme an der Volksabstimmung:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Hubert: Uniformierter Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933–1945. Droste, Düsseldorf 1992, ISBN 3-7700-5167-X, S. 273–275 u. 281.
  • Otmar Jung: Plebiszit und Diktatur: die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten. Die Fälle „Austritt aus dem Völkerbund“ (1933), „Staatsoberhaupt“ (1934) und „Anschluß Österreichs“ (1938) (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Band 13). Mohr Siebeck, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146491-5.
  • Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998, ISBN 3-7632-4881-1, S. 661.
  • Dieter Nohlen, Philip Stöver (Hrsg.): Elections in Europe. A Data Handbook. 1. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2010, ISBN 978-3-8329-5609-7, S. 762 (englisch).
  • Gerhard Schulz: Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg 1918–1945 (= Deutsche Geschichte, Bd. 10; Kleine Vandenhoeck-Reihe 1419), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-33390-0.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gesetz über Volksabstimmung vom 14. Juli 1933. Im Reichsgesetzblatt, Teil I Nr. 81 vom 15. Juli 1933, S. 479, Digitalisat.:
    „§ 2. Bei der Volksabstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. […]“
  2. Wahlen 1933 bis 1938: „Du wählst mi nich Hitler!“ – Die Reichstagswahlen und Volksabstimmungen der NS-Diktatur (1933–1938). www.geschichte-s-h.de, 2018, abgerufen am 17. März 2018.
  3. Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs, 1. August 1934 (PDF; 51 kB):
    „§ 1. Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter.
    § 2. Dieses Gesetz tritt mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Ablebens des Reichspräsidenten von Hindenburg in Kraft.“
  4. Verordnung zur Durchführung der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs, 3. August 1934:
    „§ 2. Die Abstimmung findet am 19. August 1934 statt.“
  5. Abbild des Stimmzettels. In: Datenbank und Suchmaschine für direkte Demokratie. 2. Mai 2016, abgerufen am 8. Mai 2020.
  6. Ausdrücklich das Wort Nein, in: Der Spiegel 48/1949 vom 24. November 1949, abgerufen am 16. September 2017.
  7. Jung, S. 72.
  8. Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs und Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1. August 1934, 1. und 2. August 1934. (PDF; 17 kB) Frank Bajohr, abgerufen am 29. März 2013.
  9. Nationalsozialistische Reichstagswahlen und Volksabstimmungen 1933–1938, das Beispiel Schleswig-Holstein. (PDF; 81 kB) Frank Omland, Oktober 2009, abgerufen am 29. März 2013.
  10. Bernhard Röhl: 190.000 Stimmen gegen Hitler. In: die tageszeitung. (taz.de [abgerufen am 29. April 2017]).
  11. Jung, S. 69.
  12. Rainer Schröder: Otmar Jung, Plebiszit und Diktatur: Die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten. Die Fälle „Austritt aus dem Völkerbund“ (1933), „Staatsoberhaupt“ (1934) und „Anschluß Österreich“ (1938). In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Band 115, Nr. 1, 1. August 1998, ISSN 2304-4861, doi:10.7767/zrgga.1998.115.1.872 (degruyter.com [abgerufen am 29. April 2017]).