Weinberg-Winkel

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Der Weinberg-Winkel, nach Steven Weinberg, oder elektroschwache Mischungswinkel ist eine Größe in der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung, die dort in verschiedenen Zusammenhängen auftritt. Er ist eine der Größen, die im Standardmodell nicht vorhergesagt werden, sondern experimentell bestimmt werden müssen.

Der Kosinus des Weinberg-Winkels tritt als Quotient der Massen des W- und des Z-Bosons auf:

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lagrangedichte der elektroschwachen Wechselwirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der elektroschwachen Wechselwirkung sind elektromagnetische und schwache Wechselwirkung vereinigt. Mathematisch wird sie durch eine Yang-Mills-Theorie beschrieben und die ihr zugrunde liegende Symmetriegruppe ist . Die Indices stehen dabei für "left" ("links") und die schwache Hyperladung . Die Dimension der ist drei, die der eins, sodass es drei masselose Eichbosonen der und eines der gibt. Die drei Bosonen heißen und das der wird als bezeichnet. Die Lagrangedichte dieses Modells lautet

Darin sind

  • der Feldstärketensor der mit
  • der Feldstärketensor der ,
  • der linkshändige Anteil und der rechtshändige Anteil des fermionischen Feldes ,
  • die Dirac-Matrizen,
  • die linkshändige kovariante Ableitung mit
    • den Generatoren der , die proportional zu den Pauli-Matrizen sind,
    • dem Generator der , der proportional zur Einheitsmatrix ist, und
    • der Kopplungskonstante der und
  • die rechtshändige kovariante Ableitung.

Die Lagrangedichte ist so konstruiert, dass sie invariant unter den Eichtransformationen

und

ist. Die Parameter und sind beliebige reelle Funktionen der Raumzeit. Die lateinischen Indices laufen von 1 bis 3, die griechischen von 0 bis 3 und es wird Einsteinsche Summenkonvention verwendet. Diese Lagrangedichte ist, bis auf totale Ableitungen, die die Bewegungsgleichungen nicht ändern, maximal in dem Sinne, dass ihr kein Term bestehend aus und hinzugefügt werden kann, der die Eichinvarianz und Renormierbarkeit erhält.

Higgs-Mechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Teilchen der elektroschwachen Wechselwirkung sind masselos, da die Lagrangedichte insbesondere keine Masseterme enthält. In der Realität bricht der Higgs-Mechanismus die spontan. Für ein skalares Feld in der Lagrangedichte, das Higgs-Feld, ist ein Masseterm erlaubt. Die Lagrangedichte wird erweitert durch die Terme

,

wobei die ersten Auslassungszeichen die weiter oben bereits erwähnte Lagrangedichte umfassen und die zweiten Auslassungszeichen für Interaktionen des -Feldes mit den Fermionen umfassen. Im Higgs-Mechanismus ist die Masse des -Teilchens imaginär, das heißt . Dadurch liegt der Grundzustand des Higgs-Feldes nicht bei , sondern bei ; man sagt, das Feld hat einen von null verschiedenen Vakuumerwartungswert. Um die physikalisch beobachtbaren Teilchen zu beschreiben muss daher das Higgs-Feld um diesen Grundzustand herum entwickelt werden und nicht um das falsche Vakuum bei . Da die Eichbosonen an das -Feld koppeln, werden sie durch die spontane Symmetriebrechung beeinflusst. Mit der Abkürzung gilt

Massen- und Ladungseigenzustände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Masse und elektrische Ladung zwei unabhängig messbare Größen sind, ist es möglich, einen Satz gemeinsamer Eigenzustände zu finden. Der Ladungsoperator der elektrischen Ladung ist

wobei so normiert wurde, dass das Higgs-Teilchen die schwache Hyperladung hat und die Generatoren der so, dass ihre Strukturkonstante gleich dem Levi-Civita-Symbol, , ist. Da die Eichbosonen in der adjungierten Darstellung transformieren, muss also eine Linearkombination der Generatoren gefunden werden, für die

gilt.

Aus der Lagrangedichte ist offensichtlich, dass und bereits Masseneigenzustände sind. Weiterhin sind und , sodass und bereits Ladungseigenzustände sind. Definiert man

nebst

sowie

nebst

dann lautet die Lagrangedichte

Die Lagrangedichte ist also diagonal in allen vier Feldern . Weiterhin gilt

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammenhang der verschiedenen Kopplungs­konstanten und des elektroschwachen Mischungswinkels

Betrachtet man die Transformation zwischen den zwei Basen und , ist dies eine orthogonale Transformation, was als Drehung in zwei Dimensionen aufgefasst werden kann. In Matrixschreibweise ist

mit

Dieser Drehwinkel ist der Weinberg-Winkel.

Folgen der elektroschwachen Symmetriebrechung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Resultat der elektroschwachen Symmetriebrechung existieren

  • zwei massive elektrisch geladene Bosonen, die ,
  • ein massives elektrisch neutrales Boson, das und
  • ein masseloses elektrisch neutrales Boson, das .

Die kovarianten Ableitungen können als

und

geschrieben werden. Damit das -Boson als Photon idenfiziert werden kann, muss

definiert werden. Damit gilt ebenfalls

Die Theorie der elektroschwachen Symmetriebrechung sagt ebenfalls einen Unterschied in den Massen der - und -Bosonen vorher. Das ist um einen Faktor schwerer als die :

.

Die Schwäche der schwachen Wechselwirkung gegenüber der elektromagnetischen bei niedrigen Energien erklärt sich somit nicht – wie früher angenommen – über eine kleine Kopplungskonstante (e und g bzw. g' liegen jeweils in derselben Größenordnung). Sie stammt stattdessen aus dem Propagatorterm, in dessen Nenner die große Masse der W- bzw. Z-Bosonen quadratisch eingeht, während die Masse des Photons Null ist.

Experimentelle Bestimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der elektroschwache Mischungswinkel ist nicht direkt messbar, kann aber auf verschiedene Weise indirekt bestimmt werden. Da er in verschiedenen Zusammenhängen auftritt, ist die unabhängige Messung des Weinberg-Winkels ein wichtiger Präzisionstest für die Gültigkeit des Standardmodells.

Eine Möglichkeit ist beispielsweise, die Massen der W- und Z-Bosonen zu messen und daraus den Mischungswinkel zu berechnen. Präziser sind hingegen Streuexperimente, die sich die Mischung der Z-Bosonen und des Photons zunutze machen und die eine Asymmetrie im differentiellen Wirkungsquerschnitt messen.

Da die Kopplungskonstanten laufen, ist auch der Weinberg-Winkel abhängig von der betrachteten Energieskala. Des Weiteren ist aufgrund von Effekten höherer Ordnung in quantenfeldtheoretischer Störungstheorie der Weinberg-Winkel abhängig vom verwendeten Renormierungsschema.

Der aktuelle Wert für den effektiven Weinberg-Winkel beträgt nach der Particle Data Group im MS-bar-Schema[1]

und nach CODATA im On-shell-Schema[2]

.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mattew D. Schwartz: Quantum Field Theory and the Standard Model. Cambridge University Press, Cambridge 2014, ISBN 978-1-107-03473-0 (englisch).
  • The ALEPH, DELPHI, L3, OPAL, SLD Collaborations, the LEP Electroweak Working Group und the SLD Electroweak and Heavy Flavour Groups: Precision Electroweak Measurements on the Z Resonance. In: Phys. Rept. Band 427, Nr. 5 – 6, 2006, S. 257 – 451, doi:10.1016/j.physrep.2005.12.006, arxiv:hep-ex/0509008 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Particle Data Group: Particle Physics Booklet. 15. November 2018, S. 7.
  2. CODATA Recommended Values. NIST, abgerufen am 4. Februar 2023 (englisch).