Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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Die Wiener Straßenverkehrskonvention bzw. das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, offiziell nur Übereinkommen über den Straßenverkehr (schweizerisch Übereinkommen über den Strassenverkehr geschrieben), englisch Convention on Road Traffic, französisch Convention sur la circulation routière, von 1968 ist ein internationaler Vertrag, der den Straßenverkehr durch Standardisierung der Verkehrsregeln sicherer machen soll.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem stetig wachsenden Fahrzeugbestand und dem Ansteigen des internationalen Handels- und Reiseverkehrs auf den europäischen Straßen mussten bereits sehr früh staatenübergreifende Regelungen zur Sicherung des Straßenverkehrs getroffen werden. Daher wurden bereits 1909 die Pariser Konvention über den Kraftfahrzeugverkehr, 1926 die Pariser Übereinkommen über den Kraftfahrzeugverkehr und über den Straßenverkehr[1] und 1949 das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr abgeschlossen.

Wegen der weiteren starken Ausdehnung des Straßenverkehrs beschloss der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen 1964, Entwürfe neuer Übereinkommen auszuarbeiten, die das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr und das Genfer Protokoll über Straßenverkehrszeichen ersetzen sollten.[2] Das neue Übereinkommen über den Straßenverkehr wurde bei der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über den Straßenverkehr, die vom 7. Oktober bis 8. November 1968 in Wien stattfand und vom Generalsekretär der Vereinten Nationen gemäß den Resolutionen 1129 (XLI)[3] und 1203 (XLII)[4] des Wirtschafts- und Sozialrates einberufen worden war, vorbereitet und zur Unterzeichnung aufgelegt. Die Konferenz bereitete auch das Wiener Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen vor und legte es zur Unterzeichnung auf und verabschiedete die Schlussakte.[5][6]

Das Übereinkommen trat am 21. Mai 1977 in Kraft und ersetzt gemäß seinem Artikel 48 im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien frühere Übereinkommen über den Straßenverkehr, insbesondere das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr.

Vertragsparteien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr
 Unterzeichnung und Ratifikation
 Beitritt oder Staatennachfolge
 Nur Unterzeichnung

Das Übereinkommen wurde bisher (Stand Januar 2023) von 88 Staaten ratifiziert.[5]

Folgende Staaten haben das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert: Chile, Costa Rica, Ecuador, Ghana, Heiliger Stuhl (Vatikan), Indonesien, Mexiko, Republik Korea, Spanien, Taiwan (Republik China) und Venezuela.[5]

Nicht Vertragsparteien des Übereinkommens sind unter anderem Argentinien, Australien, die Volksrepublik China, Indien, Kanada und die Vereinigten Staaten von Amerika.[5]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vertragsparteien verpflichten sich dazu, den internationalen Straßenverkehr zu erleichtern und die Sicherheit auf den Straßen durch die Annahme einheitlicher Verkehrsregeln zu erhöhen.[5] Dazu gehört auch die Anerkennung der Zulassung der Fahrzeuge der jeweils anderen Staaten. Dies ist jedoch darauf beschränkt, dass die Zulassung durch eine Behörde auf ein behördlich geprüftes Fahrzeug vergeben wurde. Garagenschilder (in Deutschland rot; in der Schweiz mit einem U) sind nicht anerkennungspflichtig, da diese nicht durch die Behörden, sondern durch Garagisten (temporär) vergeben werden.

Nationales[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete das Übereinkommen 1968, ratifizierte es jedoch erst 1978 (Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates 1977, Inkrafttreten 3. August 1979). Bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklärte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter Bezugnahme auf die bei der Unterzeichnung erfolgte Anmeldung des Kennzeichens „D“ durch die Bundesrepublik Deutschland, dass diese Anmeldung für den gesamten Bereich erfolgt ist, der durch die Ratifikation des Übereinkommens durch die Bundesrepublik Deutschland in dessen Geltungsbereich einbezogen wird.[7]

Die Deutsche Demokratische Republik trat dem Übereinkommen 1973 (nach Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO und der damit einhergehenden internationalen Anerkennung der Eigenstaatlichkeit) bei und wählte „DDR“ als Unterscheidungszeichen.

Österreich folgte 1982 (Genehmigung durch den Nationalrat und Ratifikation 1981, Inkrafttreten 11. August 1982), die Schweiz 1992 (Genehmigung durch die Bundesversammlung 1978, Ratifikation 1991, Inkrafttreten 11. Dezember 1992) und Liechtenstein erst 2021 (Zustimmung des Landtags 2019, Ratifikation 2020, Inkrafttreten 2. März 2021).

Das Vereinigte Königreich ratifizierte das Übereinkommen am 28. März 2018 im Rahmen der Vorbereitungen der Regierung auf den Brexit.[8] Die Ratifikation erfolgte, um eine weitere Anerkennung von vom Vereinigten Königreich ausgestellten Führerscheinen in jenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicherzustellen, die nur Vertragsparteien des Übereinkommens, nicht aber des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr sind (Deutschland, Estland, Kroatien, Lettland und Litauen).[9] Auf Basis der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein wird ein vom Vereinigten Königreich ausgestellter Führerschein seit dem Ende des Übergangszeitraums nicht mehr anerkannt.[10][11] Die Ratifikation erstreckt sich auch auf die Gebiete von Gibraltar, Guernsey und Jersey.[5]

Europäisches Zusatzübereinkommen und Änderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Text des Europäischen Zusatzübereinkommens zum Übereinkommen (vollständiger Titel: Europäisches Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über den Straßenverkehr, das in Wien am 8. November 1968 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde) wurde vom Inlandtransportkomitee der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) am 1. Mai 1971 in seiner 30. Sitzung in Genf angenommen. Das Europäische Zusatzübereinkommen wurde am selben Tag zur Unterzeichnung aufgelegt und trat am 7. Juni 1979 in Kraft. Es wurde bisher (Stand April 2022) von 37 Staaten ratifiziert; das Vereinigte Königreich hat es zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.[12]

Das Übereinkommen und das Europäische Zusatzübereinkommen sind seit ihrem Inkrafttreten wiederholt geändert worden.[5][12] Die Änderungen erfolgen in einem vertraglich vorgesehenen, besonderen Verfahren.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsquellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nationale Fassungen:

  • Bundesrepublik Deutschland: BGBl. 1977 II S. 809 (Text S. 811, dreisprachig; pdf).
  • Deutsche Demokratische Republik: GBl. 1976 II S. 280, 1980 S. 53
  • Österreich: BGBl. 289/1982 (StF; i.d.g.F. online, ris.bka; diverse Abbildung nur im pdf) – mit einer Gesamtübersicht der Vorbehalte und Erklärungen (auch Deutschland, Anfang und Ende des Dokuments).
  • Schweiz: SR 0.741.10 (i.d.g.F. online, admin.ch) – mit einer Vergleichstabelle zur deutschen und schweizerischen Terminologie.

Europäisches Zusatzübereinkommen:

Pariser Abkommen (Übereinkommen) über den Kraftfahrzeugverkehr 1926:

Pariser Übereinkommen über den Straßenverkehr 1926 (außer Kraft):

Genfer Abkommen über den Straßenverkehr 1949:

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Herwig Hauenschild: Straßenverkehr und Kompetenzverteilung (= Dissertationen der Universität Wien 89); WUV Universitätsverlag, Wien 2002, ISBN 3-85114-741-3. S. 235–236.
  2. Res 1034 (XXXVII) Question of Procedures for the Revision of the Convention on Road Traffic and of the Protocol on Road Signs and Signals, done at Geneva, 19 September 1949. United Nations Digital Library, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  3. Res 1129 (XLI) Arrangements for the convening of an international conference to replace the Convention on Road and Traffic and the Protocol on Road Signs and Signals done at Geneva, 19 September 1949. United Nations Digital Library, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  4. Res 1203 (XLII) Arrangements for the convening of an international conference to replace the Convention on Road and Traffic and the Protocol on Road Signs and Signals, done at Geneva, 19 September 1949. United Nations Digital Library, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  5. a b c d e f g 19 . Convention on Road Traffic. United Nations Treaty Collection, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  6. UNITED NATIONS CONFERENCE ON ROAD TRAFFIC Vienna, 7 October - 8 November 1968. International Automobile Drivers Center, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  7. BGBl. 1979 II S. 932 (Text S. 933; pdf)
  8. Convention on Road Traffic as amended [MS No.1/2018]. Abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  9. EXPLANATORY MEMORANDUM TO THE MOTOR VEHICLES (INTERNATIONAL CIRCULATION) (AMENDMENT) (EU EXIT) ORDER 2019, 2019 No. 563. (PDF) Abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  10. NOTICE TO STAKEHOLDERS WITHDRAWAL OF THE UNITED KINGDOM AND EU RULES IN THE FIELD OF ROAD TRANSPORT. (PDF) Abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  11. No-deal Brexit would trigger wave of red tape for UK drivers and hauliers. In: The Guardian. 8. Februar 2018, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  12. a b 23. European Agreement supplementing the Convention on road traffic opened for signature at Vienna on 8 November 1968. United Nations Treaty Collection, abgerufen am 7. April 2022 (englisch).
  13. Siehe zu einer Änderung des Übereinkommens näher https://www.bundestag.de/resource/blob/478076/17128cdc1e877496a454de411b27a8af/wd-2-131-16-pdf-data.pdf. Die Arbeitsgruppe Straßenverkehrssicherheit (Working Party on Road Traffic Safety (WP.1)) hat ihren Namen 2017 in Globales Forum für Straßenverkehrssicherheit (Global Forum for Road Traffic Safety (WP.1)) geändert.