William Lindley

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William Lindley (1879)

William Lindley (* 7. September 1808 in London; † 22. Mai 1900 in Blackheath) war ein britischer Ingenieur, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgreich auf den Gebieten der Ver- und Entsorgungstechnik, des Eisenbahn- und Wasserbaus, des Strom- und Hafenbaus und der Stadtplanung tätig war. In der Zeit seines Aufenthalts in Hamburg zwischen 1838 und 1860 trug er maßgeblich zur Modernisierung der Stadt bei, vor allem auf dem Gebiet der Wasserversorgung und Kanalisation sowie des Eisenbahnbaus. In den Jahren nach seinem Weggang aus Hamburg plante er, zunehmend unterstützt von seinen Söhnen, Wasserver- und Entsorgungssysteme zahlreicher weiterer europäischer Städte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn von Joseph Lindley besuchte die Schule in Croydon, im Süden Londons, ging mit 16 Jahren beim Wandsbeker Pastor Arnold Dietrich Schröder für zehn Monate in Pension und war dann kurz in einem Londoner Bankhaus tätig. Ab 1827 bekam er in England im Büro des Ingenieurs Francis Giles eine Ausbildung und arbeitete lange Zeit als dessen Assistent. Dann wandte er sich einer selbstständigen Ingenieurstätigkeit zu.

Hamburger Bauplanungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eröffnung der Eisenbahnlinie nach Bergedorf 1842
Versorgungsnetz der Hamburger Stadtwasserkunst 1864, entworfen und ausgeführt von W. Lindley
Turm der von Lindley entworfenen „Stadtwasserkunst“ im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort (1848)
Wasch- und Badeanstalt am Schweinemarkt in Hamburg (1855)

Nachdem er bereits 1833 an der Planung einer nie realisierten Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Lübeck mitgewirkt hatte, wurde er 1838 beauftragt, die Hamburg-Bergedorfer Eisenbahnlinie zu realisieren. Deren feierliche Eröffnung musste wegen des Großen Brandes 1842 abgesagt werden. Diese erste Hamburger Bahnstrecke in das nur 19 Kilometer entfernte Bergedorf bewährte sich jedoch und wurde 1846 in die damals neugeschaffene Strecke Berlin-Hamburg eingegliedert.

In der Zeit vor dem Großen Brand wurde der Wasserbedarf größtenteils noch aus Fleeten und der Elbe gedeckt, in die jedoch auch die Abwässer eingeleitet wurden. Um der unhygienischen Situation Herr zu werden, hatte Lindley zum Zeitpunkt des Brandes bereits den Auftrag für den Bau der Hamburger „Stadtwasserkunst“ erhalten. Die großflächige Zerstörung der Innenstadt bot nun ungeahnte Möglichkeiten einer grundlegenden Neuerung der Wasserver- und -entsorgung.

Seine Entwürfe, beeinflusst vom englischen Sozialreformer und Gesundheitsinspektor Edwin Chadwick, beinhalteten die ersten unterirdischen Abwasserkanäle der Neuzeit auf dem europäischen Festland. Die Siele hatten auf einer Länge von drei Kilometern nur einen Meter Gefälle, waren aus Ziegelsteinen gemauert und begehbar. Unter den kleinen Sielen für die Abwässer und Regenwasser verlaufen die größeren Stammsiele. Die Siele haben Rückstauklappen zum Schutz vor Hochwasser und Notausläufe in die städtischen Gewässer.[1] Innerhalb von drei Jahren waren elf Kilometer Abwasserkanäle gebaut. Die zentrale Wasserversorgung mit Elbwasser, dessen Klärung in Ablagerungsbecken und Hochpumpen in einen Wasserturm vom Hamburger Stadtteil Rothenburgsort aus nahm er in Angriff. Zum Konzept gehörten auch öffentliche Badehäuser für die ärmere Bevölkerung, denn „körperliche Unreinlichkeit erzeugt sehr bald Mangel an Selbstachtung, Rohheit und Laster. […] Können einzelne Feierabendstunden zur Erfrischung im Bade verwandt werden, dann zieht es in den meisten Fällen auch so lange vom Wirtshause ab.“ Eine Wasch- und Badeanstalt wurde bis 1855 am Schweinemarkt realisiert.

Lindley entwarf und baute in den folgenden Jahren Wasserversorgungssysteme in weiteren deutschen Städten wie Kiel, Stralsund, Stettin, Leipzig und Düsseldorf. Der Erfolg von Lindleys Entwürfen wird unter anderem am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main – für die er ab 1863 tätig war – sichtbar, in der die Todesrate durch Typhus von 1868 bis 1883 von 80 auf zehn je 100.000 Einwohner sank.

Neben der Wasserver- und -entsorgung plante Lindley 1845 in Hamburg auch ein modernes Gaswerk zur Beleuchtung der Straßen und der Haushalte. Die Anlagen ersetzten die erste Hamburger Gasfabrik, die nach wenigen Wochen nach ihrer Inbetriebnahme durch eine Sturmflut zerstört worden war. Wenig beachtet wurde, dass Lindley als „technischer Consulent“ städtischer Gremien in Hamburg einen so großen Einfluss auf die Bautätigkeit in der Stadt Hamburg gewann, dass er quasi die Rolle eines heutigen Oberbaudirektors ausfüllte. Er wurde in den 1850er Jahren zu fast jedem größeren Bauprojekt in der Stadt angehört.

Lindleys „Plan zur Verbesserung des Hammerbrooks“ (1844)

Lindley gelang es mit Erfolg, gerade auch auf die städtebauliche Entwicklung Hamburgs Einfluss zu nehmen: 1842 legte er den ersten Wiederaufbauplan nach dem Großen Brand vor und konnte in Zusammenarbeit mit der Technischen Kommission die zukünftige Stadtgestalt im Innenstadtbereich bestimmen. Lindley sorgte darüber hinaus für bedeutende Weichenstellungen, die die Erschließung der Gebiete außerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns betrafen. Bereits 1840 hatte er einen Plan zur Entwässerung des Hammerbrooks vorgelegt, der die Schaffung eines strengen Kanal- und Straßenrasters vorsah und damit die Voraussetzungen für die Bildung einer ersten modernen, allerdings gewerblich geprägten Stadterweiterung (realisiert bis 1847). Weitere Planungen wie der höchst fortschrittliche Gesamtplan einer Stadterweiterung für St. Pauli und Harvestehude konnten nicht verwirklicht werden. Auch der Plan von Hübbe, Walker und Lindley zum Bau eines Dockhafens auf dem Grasbrook wurde nur in geringen Teilen umgesetzt.

Angesehene Hamburger ehrten Lindleys Leistungen, Blatt des Lindley-Albums von Hermann Wilhelm Soltau

William Lindley hatte in Hamburg jedoch gegen zahlreiche Widerstände zu kämpfen,[2] darunter die Kritik von Baubeamten wie dem Wasserbaudirektor Heinrich Hübbe. So wurden dem Briten neben mangelnder Fachkenntnis eine zu große Nähe zum Senat und den Unternehmern der Stadt unterstellt. Nachdem sich durch eine Verfassungsänderung 1860 die Machtverhältnisse in der Stadt geändert hatten, versagte ihm die Bürgerschaft schließlich die beabsichtigte Anstellung als Oberbaurat und damit die endgültige Regelung seines Dienstverhältnisses. Er verlor die Aufsicht über die Hamburger Stadtwasserkunst und kehrte mit seiner Familie, seiner aus Hamburg stammenden Frau Julia Lindley geb. Heerlein, den drei Söhnen William Heerlein Lindley (1853–1917), Robert Searles Lindley (* 1854), Joseph Lindley (* 1859) und einer Tochter nach London zurück.

Europäische Bauplanungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von London aus führte er seine Arbeit fort, für die es Anfragen aus ganz Europa gab, zunächst in Frankfurt am Main. Den Auftrag der Stadt Sydney, den er 1876 erhalten sollte, musste er ablehnen, weil er bereits der Stadt Warschau zugesagt hatte. Die Entwürfe für Warschau entstanden bis 1878, den Bau der Anlagen – einschließlich der Lindley’schen Filter – übernahm im Anschluss sein Sohn William Heerlein Lindley.

1879 zog sich Lindley aus dem Geschäftsleben zurück, übergab sein Frankfurter Ingenieurbüro an seine drei Söhne und füllte die Jahre bis zu seinem Tod 1900 mit gesellschaftlichen Verpflichtungen und ausgiebigen Reisen.

Gedenken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lindley-Denkmal in Hamburg

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Percy Ernst Schramm: Hamburg, Deutschland und die Welt. Leistung und Grenzen hanseatischen Bürgertums in der Zeit zwischen Napoleon I. und Bismarck. Ein Kapitel deutscher Geschichte. Callwey, München 1943.
  • Gustav Leo: William Lindley. Ein Pionier der technischen Hygiene. Hamburg 1969. (Manuskript von 1936)
  • Franz Lerner: Lindley, Sir William. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 605 f. (Digitalisat). (im Original von 1985 irrtümlich Sir Walter Lindley)
  • Norbert Wierecky: Ingenieurportrait von William Lindley. Pionier der technischen Hygiene. In: Deutsche Bauzeitung, ISSN 0721-1902, 137. Jahrgang 2003, Heft 6, S. 84–90 (online. In: yumpu.com. Abgerufen am 10. April 2021.)
  • Harro Albrecht: Baumeister der Hygiene. William Lindley löst im 19. Jahrhundert eine Sauberkeitsrevolution in Europa aus. In: Die Zeit, Nr. 52/2008 vom 17. Dezember 2008, S. 40. (online)
  • Ortwin Pelc, Susanne Grötz (Hrsg.): Konstrukteur der modernen Stadt. William Lindley in Hamburg und Europa 1808–1900. (Katalog zur Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte vom 1. Oktober 2008 bis 22. Februar 2009) (= Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs, Bd. 23.) Dölling und Galitz, Hamburg 2008, ISBN 978-3-937904-77-1.
  • Ortwin Pelc: Lindley, William. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 6. Wallstein, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8353-1025-4, S. 191.
  • Ortwin Pelc: William Lindley (1808–1900) Ingenieur und Stadtplaner: eine Biografie. Wallstein Verlag, Göttingen 2021 (Hamburgische Lebensbilder; 26), ISBN 978-3-8353-3969-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: William Lindley – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Alexandra Grossmann: Neue Wege. In: Hamburger Abendblatt vom 15. Januar 2011, Magazin S. VII
  2. Im weiteren Verlauf des Artikels Börsenbau wird die Meinung von C.G. Abendroth wiedergegeben, (Hamburger Nachrichten vom 20. Oktober 1856, Seite 4, Digitalisat)
  3. KNIGHTS AND DAMES. Abgerufen am 9. April 2021 (William Lindley ist hier nicht aufgeführt).
  4. Preisträger William-Lindley-Ring. In: dwa.de. Abgerufen am 30. Januar 2018.