Avitall Gerstetter

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Avitall Gerstetter, 2019

Avitall Gerstetter (* 11. Mai 1972 in Berlin)[1] ist eine deutsche liberal-jüdische[2] Kantorin (Chasanit).

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Avitall Gerstetter wuchs in West-Berlin auf. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren in den 1930er Jahren aus Österreich und Ungarn nach Palästina geflüchtet. Ihre Mutter kam als junge Frau aus Haifa nach West-Berlin, wo sie Avitalls Vater traf. Ihr Vater, der Banknoten-Designer Reinhold Gerstetter, konvertierte zum Judentum.[3][4]

Durch ihre Mutter, die Musik- und Bat-Mizwa-Lehrerin Chava Gerstetter, wurde sie an die Musik herangeführt. Nach dem Abitur studierte Gerstetter als Hauptfach Gesang bei Rudolf Riemer, sowie Klavier, Klarinette und Tanz an der Universität der Künste Berlin. Als Zweitfach studierte sie Englisch an der Technischen Universität Berlin. Schon früh fiel ihr besonderes Gesangstalent als Sopran[5] auf, das sie unter anderem im Chor der Jüdischen Gemeinde der Synagoge Pestalozzistraße bewies. Von Oberkantor Estrongo Nachama wurde sie ermutigt, Kantorin zu werden.

Am 24. Juli 2002 erhielt Gerstetter nach einem Fernstudium im Aleph-Programm von Jewish Renewal ihre Ordination als Kantorin in New York[6] und amtierte seither regelmäßig in der Synagoge Oranienburger Straße, zeitweise auch in der Synagoge Hüttenweg,[7] wobei es anfangs in orthodoxen Kreisen der Berliner Gemeinde Vorbehalte gegen eine weibliche Kantorin gab.[8][9]

Um Menschen unterschiedlicher Religion zusammenzubringen, organisierte Avitall Gerstetter 2005 in Zusammenarbeit mit haGalil erstmals das interkonfessionelle Fußballturnier Avitallscup. Bei der zweiten Austragung im Juni 2006 spielten je eine atheistische, christliche, jüdische und muslimische Mannschaft. Diese wurden von Prominenten wie Petra Pau und Ulla Meinecke unterstützt, als Schiedsrichter fungierte Hans-Christian Ströbele.[10]

Zusammen mit Konstantin Wecker nahm Gerstetter 2005 eine Benefiz-CD zugunsten von haGalil auf.

Als ihr 2005 die Jüdische Gemeinde zu Berlin kündigte, klagte sie gegen diese und siegte vor Gericht mit ihrer Wiedereinstellungsklage.[3]

Im Vorfeld eines Konzerts im September 2006 in Trier kam es zu einem Eklat, als die Geschäftsführerin des Kulturzentrums Tuchfabrik ihre Raumzusage angesichts der Ereignisse des Libanonkrieges zunächst zurückzog. Nach Protesten der Jüdischen Gemeinde wurde die Absage zurückgenommen.[11]

Am 9. August 2022 erschien auf der Website der Welt ein Artikel von Gerstetter mit dem Titel „Warum die wachsende Zahl der Konvertiten ein Problem für das Judentum ist“.[12] Eine Woche später, am 16. August 2022, stellte sie die Jüdische Gemeinde zu Berlin ohne weitere Angabe von Gründen frei.[13]

Gerstetter gab und gibt zahlreiche Konzerte in Deutschland, England, Italien und in den USA. Ihr Programm umfasst Klassik, Lieder in Jiddisch sowie synagogale Musik.

  • Die jüdische Stimme (2000)
  • Avitall in Concert (2003)
  • Sage nein zu Antisemitismus (2005, zusammen mit Konstantin Wecker)
  • Walking the corniche (2007)
  • we will remember them (2008, zusammen mit Dominic Miller und Mike Lindup)
  • Live in Berlin (2011)
Commons: Avitall Gerstetter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. 3. Kulturprogramm des Zentralrats für die jüdischen Gemeinden, Februar – Dezember 2005, S. 11
  2. Home. In: Avitall. Abgerufen am 29. Oktober 2022 (deutsch).
  3. a b Michael Sontheimer: Der Seelengesang. In: Der Spiegel. 6. Mai 2013, abgerufen am 19. August 2022.
  4. Nachtigall mit viel Seele – Die Kantorin Avitall Gerstetter (Memento vom 6. Oktober 2015 im Internet Archive). Video im Ersten am 28. September 2015; abgerufen am 11. Oktober 2015.
  5. Sybille Nitsche: Unter Männern – Avitall Gerstetter ist Deutschlands erste jüdische Kantorin. (Artikel in parTU 10/2005, S. 19. PDF; 1,08 MB), abgerufen am 7. August 2017.
  6. Marcia Prager: List of Renewal Rabbbis. In: ALEPH Alliance for Jewish Renewal. alephalumni.files.wordpress.com, Dezember 2016, abgerufen am 19. August 2022 (englisch).
  7. Sie will Deutschlands erste jüdische Kantorin werden – Avitall Gerstetter singt in der Neuen Synagoge. (Memento des Originals vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berliner-zeitung.de In: Berliner Zeitung, 31. Juli 2000
  8. „Musik ist transzendental“. Interview in der taz, 6. Juni 2005
  9. Mit Gottes Stimme gegen Rechts. In: Welt am Sonntag, 4. Dezember 2005
  10. Coaching von Ulla Meinecke. In: Der Tagesspiegel, 24. Juni 2006.
    Halbmond führt 1:0 gegen Judas. In: taz, 26. Juni 2006.
  11. Jüdische Lieder unerwünscht. In: taz, 5. August 2006
  12. Warum die wachsende Zahl der Konvertiten ein Problem für das Judentum ist, auf welt.de
  13. Jan Alexander Casper: Kantorin verliert Job nach WELT-Artikel über jüdische Konvertiten. In: Welt Online,zitiert nach MSN. 19. August 2022;.