Differenzielle Objektmarkierung

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Unter dem Begriff differenzielle Objektmarkierung (DOM) versteht man das Phänomen, dass viele Sprachen der Welt direkte Objekte nur unter bestimmten Bedingungen formal (morphologisch) kennzeichnen. Je nachdem, wie genau diese Bedingungen in einer bestimmten Sprache gestaltet sind, werden also bestimmte direkte Objekte markiert, wenn diese Bedingungen vorliegen oder nicht markiert, wenn diese Bedingungen nicht vorliegen.

Semantische bzw. pragmatische Merkmale der betreffenden Substantive, wie Belebtheit und Definitheit, aber auch Merkmale des Verbs, wie z. B. der Aspekt, können je nach Sprache dieses Phänomen bedingen. Bekannte Auslöser sind die Belebtheit des direkten Objekts, die Definitheit des direkten Objekts (oder seine Spezifität) oder wie sehr das Objekt durch die vom Verb beschriebene Handlung affektiert wird. In manchen Sprachen führt nur einer dieser Faktoren zur differenziellen Objektmarkierung (eine Sprache fordert z. B. eine Markierung des Objekts, wenn dieses definit ist, Belebtheit spielt aber keine Rolle) und in anderen Sprachen spielt eine Kombination dieser Faktoren eine Rolle. In der Abbildung „Auslöser der differenziellen Objektmarkierung“ ist dargestellt, dass die differenzielle Objektmarkeriung wahrscheinlicher wird, je belebter, je definiter und je affizierter das direkte Objekt ist.

Auslöser der differenziellen Objektmarkierung

Als Beispiel seien die folgenden Sätze aus dem Iwrit angeführt, wo der Objekt-Marker et nur bei definiten Substantiven gesetzt wird:[1]

  • ani xotev mixtav „ich schreibe (einen) Brief“
  • ani xotev et ha-mixtav „ich schreibe MARKER den Brief“

Im Iwrit lautet die Bedingung unter der differenzielle Objektmarkierung auftritt also, dass das direkte Objekt definit sein muss. Ist das direkte Objekt definit, wird eine Markierung eingefügt, ist das direkte Objekt indefinit, wird keine Markierung vorgenommen.

Sprachen mit differenzieller Objektmarkierung (DOM)

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Dazu gehören u. a. einige romanische Sprachen, wie z. B. das Spanische (hier betrifft es den Marker a der auch als präpositionaler Akkusativ bezeichnet wird), oder das Rumänische. Sprachen ohne eine solche Differenzierung sind – unter den Sprachen, die überhaupt direkte Objekte markieren – weltweit sogar in der Minderheit.[2] – Beispiele:

* La madre busca al granuja. Die Mutter sie sucht zu dem Bengel. Belebt, spezifisch; * La madre busca la pantufla. Die Mutter sucht die Schlappen. Unbelebt, spezifisch; * La madre busca a un granuja. Die Mutter sucht einen bestimmten Straßenjungen. Belebt, spezifisch, allgemein; * La madre busca un granuja. Die Mutter sucht einen Straßenjungen. Belebt (auch für Unbelebt), unspezifisch.[3] 

Grammatikalisch falsch wäre der Satz „La madre busca a una pantufla“ hier ein unbelebtes Objekt (unbelebt, spezifisch, allgemein) mit dem präpositionalen Akkusativ bzw. Marker a.

Differenzielle Objektmarkierung existiert nicht nur Lautsprachen, sondern auch in Gebärdensprachen, wie z. B. der Deutschen Gebärdensprache (DGS). In der DGS werden belebte direkte Objekte mit einer speziellen Gebärde markiert (die Gebärde wird i. d. R. als AUF bezeichnet) während unbelebte direkte Objekte diese Markierung nicht erhalten.[4]

Sprachen ohne differenzielle Objektmarkierung (DOM)

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Sprachen ohne DOM, wie z. B. Latein, Deutsch oder Altgriechisch, müssen hingegen den Akkusativ beim direkten Objekt obligatorisch anwenden.

  • Judith Aissen: Differential object marking: iconicity vs. economy. In: Natural Language and Linguistic Theory. Bd. 21, 2003, S. 435–448.
  • Barry J. Blake: Case. 2. Auflage. Cambridge University Press, 2001.
  • Georg Bossong: Empirische Universalienforschung. Differentielle Objektmarkierung in den neuiranischen Sprachen. Narr, Tübingen 1985.
  • Georg Bossong: Markierung von Aktantenfunktionen im Guaraní. Zur Frage der differentiellen Objektmarkierung in nicht-akkusativischen Sprachen. In: Frans Plank (Hrsg.): Relational typology. Mouton, Berlin 1985, S. 1–29.
  • Georg Bossong: Differential object marking in Romance and beyond. In: Dieter Wanner u. Douglas A. Kibbee (Hrsg.): New analyses in Romance linguistics. Benjamins, Amsterdam u. Philadelphia 1991, S. 143–170.
  • Georg Bossong: Le marquage différentiel de l’objet dans les langues d’Europe. In: Jack Feuillet (Hrsg.): Actance et valence dans les langues de l’Europe. Mouton de Gruyter, Berlin u. New York 1998, S. 193–258.
  • Bernard Comrie: Subjects and direct objects in Uralic languages. A functional explanation of case-marking systems. In: Études finno-ougriennes. Bd. 12 (1975), 1977, S. 5–17.
  • Bernard Comrie: Definite and animate direct objects: a natural class. In: Linguistica Silesiana. Bd. 3, 1979, S. 13–21.

Einzelnachweise

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  1. aus Heinrich Simon: Lehrbuch der modernen hebräischen Sprache. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1970, S. 31.
  2. Horst Isenberg: Das direkte Objekt im Spanischen. Studia Grammatica 9. Akademie-Verlag, Berlin 1968.
  3. Bernard Comrie: Language universals and linguistic typology. Syntax and morphology. Blackwell, Oxford 1981, ISBN 0-631-12971-5, S. 120 f.
  4. Bross, F. (2020): Object marking in German Sign Language (Deutsche Gebärdensprache): Differential object marking and object shift in the visual modality. In: Glossa. A Journal of General Linguistics, 5(1), 63.