Elisabethanisches Theater

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William Shakespeare, Dramatiker (1564–1616)

Als Elisabethanisches Theater bezeichnet man gemeinhin das Theater der englischen Renaissance unter Königin Elisabeth I. (reg. 1558–1603) und ihrem Nachfolger Jakob I. (reg. 1603–1625).

Eine allgemeine kulturelle Blüte Englands führte im 16. Jahrhundert zur Entstehung eines Theaterwesens, das in seinen Ausmaßen wohl nur mit antiken Vorbildern zu vergleichen ist: Erstmals seit über tausend Jahren existierten wieder professionelle Schauspieltruppen. Das Theater avancierte – bis zum Verbot aller Theateraufführungen unter puritanischer Herrschaft im Jahr 1642 – zum Raum für die Begegnung der gesellschaftlichen Schichten. Schlagartig wuchs die Produktion dramatischer Werke an, es entstanden vielfältige (und neue) theatrale Formen. Die Werke, die in diesen wenigen Jahrzehnten zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert für die Londoner Bühnen verfasst wurden, gehören seit langem zu den faszinierendsten literarischen Produktionen in dem gesamten europäischen Theaterwesen. Auch William Shakespeares Schaffen fällt in diese Zeit.[1]

Historische und soziale Voraussetzungen

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Gesellschaftlicher Wandel im 16. Jahrhundert

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Porträt Königin Elisabeths I. von Nicholas Hilliard, ca. 1585

Die Herrschaft Elisabeths I. war geprägt durch einen Interessenausgleich zwischen Bürgertum und Adel: Feudale Strukturen verloren nach und nach an Bedeutung, die Verwaltung des Landes wurde reformiert und das Parlament in seiner Bedeutung aufgewertet. Durch den Weltmachtstatus Englands und den damit verbundenen wirtschaftlichen Aufstieg war bereits Mitte des Jahrhunderts eine breite bürgerliche Schicht entstanden, die schon aufgrund ihres materiellen Wohlstands Mitsprache beanspruchen konnte; zudem führten humanistische Bildungsbestrebungen zu einem einheitlich hohen Bildungsniveau. Damit eröffnete sich die Möglichkeit sozialen Aufstiegs – eine entscheidende Veränderung dem Mittelalter gegenüber. Die lateinische Bildung vieler Bürger stellte den Nährboden für eine Dramatik dar, die sich auf klassische Autoren wie z. B. Seneca, Plautus oder Terenz berufen konnte. Deren Texte wurden in Schulaufführungen verbreitet.

Jakobs I. Regierungszeit wurde zwar durch zahlreiche innenpolitische Krisen (infolge religiöser Konflikte) erschüttert, doch brachte sie auch die Vision nationaler Einheit Britanniens hervor: Die Beschäftigung mit englischer Geschichte und englischer Sprache schuf wichtige Voraussetzungen für das Theater eines William Shakespeare.

Die elisabethanische Theaterpraxis entspricht exakt den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen: Das Publikum der großen Londoner Theater rekrutierte sich gleichermaßen aus Handwerkern und Händlern, Gelehrten und Angehörigen des Adels – dank niedriger Eintrittspreise. Ohne die enorme Bevölkerungsexpansion in der Großstadt London – der Hauptstadt eines Weltreichs – wäre die Existenz vieler Theater undenkbar gewesen. Auf der so genannten Bankside entstand dort ein regelrechtes Vergnügungsviertel.

Säkularisierung

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Nachdem Heinrich VIII. 1534 die englische Nationalkirche geschaffen hatte, brachte die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem die Abwendung von römisch-katholischen Glaubensgrundsätzen mit sich. Die englische Sprache hielt verstärkt Einzug in Gottesdienst und Bibelübersetzungen, ersetzte das Lateinische – diese Entwicklung bildete den Nährboden für eine volkssprachliche Literatur, die zudem durch den Buchdruck weite Verbreitung fand. So konnte ein literarischer Markt entstehen, an dem auch Theaterautoren wie Christopher Marlowe oder William Shakespeare partizipierten, deren Stücke im 17. Jahrhundert in Gesamtausgaben erschienen.

Francis Bacon (1561–1626)

Mit Francis Bacons Empirismus setzte sich zudem ein Weltbild durch, welches nicht mehr auf (kirchlichen) Dogmen, sondern auf Empirie basierte. Enorme wissenschaftliche Fortschritte auf fast allen Gebieten prägten die Epoche, begleitet von der Erforschung der Neuen Welt, deren Entdeckung allein eine große kulturgeschichtliche Umwälzung bedeutete. Nichtsdestoweniger glaubte ein Großteil der Bevölkerung Englands weiter an übersinnliche Ereignisse, an Magier und Hexen; auch Königin Elisabeth ließ sich regelmäßig Horoskope erstellen. In Shakespeares Stücken findet sich dementsprechend häufig ein Nebeneinander von Wissenschaft und Aberglaube, bevölkern Hexen (Macbeth) und Feen (Ein Sommernachtstraum) die Bühne.

Anthropozentrisches Weltbild

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Ausgehend von Italien griff die Renaissance Mitte des 16. Jahrhunderts auch auf England über: Der Humanismus wandte sich antiken Traditionen zu und betonte die Freiheit des einzelnen Menschen, den die Vernunft über das Tierreich erhebt. Die Entstehung eines modernen Subjektbegriffs begünstigte Stücke, die sich aus dem Typhaften emanzipierten und statt des Schicksals das menschliche Handeln und dessen Folgen in den Vordergrund rückten. An die Stelle allegorischer Darstellung traten nun Prototypen individueller Psychologie. Dabei kann die Freiheit stets auch ins Negative umschlagen: Dass der Zerfall sozialer Hierarchien und das Wegbrechen eindeutiger metaphysischer Erklärungsmuster auch als Bedrohung erfahren werden konnte, belegt die Figur Hamlets eindrucksvoll – die Last der Verantwortung für das eigene Tun führt hier zu einer Lähmung, zum resignativen Nichtstun.

Der Melancholiker ist eine paradigmatische Figur des Zeitalters, die in vielen Texten auftritt, stets auf Basis der Humoralpathologie, der wichtigsten anthropologischen Theorie der Zeit (so auch in Hamlet). Ihm gegenüber steht der rücksichtslose Aufsteiger, der sich selbst zu inszenieren weiß – Niccolò Machiavellis Il Prinicipe wurde (obgleich offiziell verboten) auch in England rezipiert. Christopher Marlowes Doctor Faustus (ca. 1589) zeigt die Folgen großer Machtbesessenheit, ebenso wie sein Tamburlaine the Great (1587), welches den Aufstieg und Tod eines mongolischen Fürsten (Timur) vorführt.

Detail einer Stadtansicht Londons aus dem Jahr 1616, im Bild u. a. das Globe Theatre

Während zahlreiche Dokumente zu den sozialen Auswirkungen der Blüte der englischen Theaterlandschaft im 16. und 17. Jahrhundert existieren (inklusive puritanischer Kampfschriften und städtischer Erlasse), sind Hinweise auf die zeitgenössische Aufführungspraxis weitaus seltener – sieht man von den Theaterstücken selbst einmal ab. Insbesondere Bildmaterial ist kaum überliefert. Eine wichtige Basis für die Rekonstruktion der Theatersituation sind deshalb die Berichte ausländischer Handelsreisender und fürstlicher Diplomaten, die London besuchten: Die Observationes Londinienses des holländischen Kaufmanns Johannes de Witt enthalten z. B. eine Zeichnung des Swan Theatre um 1596, während der Basler Arzt Thomas Platter seinen Landsleuten detailliert den Besuch einer Theateraufführung schildert.

Eine weitere Quelle sind einschlägige schriftliche Dokumente wie überlieferte Aufzeichnungen in Tagebüchern oder Briefen sowie juristischen Texten wie Akten von Rechtsstreitigkeiten und Kontrakten zur Errichtung von Theatergebäuden: So sind zwei Bauverträge für das Hope und vor allem für das Fortune Theatre aus der Zeit kurz nach 1600 erhalten, die detailliertere Anweisungen an Handwerker zum Bau eines Theaters geben. Insbesondere der Kontrakt zwischen dem wohlhabenden Schauspieler und Bühnenentrepreneur Edward Alleyn und dem kapitalkräftigen Schauspielunternehmer Philip Henslowe aus dem Jahre 1600 über die Errichtung des Fortune Theatre liefert genauere Aufschlüsse über das Aussehen, die Außen- und Innendimensionen des Theaters sowie die Größe, Anordnung oder Form der Bühne und Galerien. Dieser Vertragswerk enthält jedoch zahlreiche Verweise auf die Bauverhältnisse des ein Jahr zuvor errichteten Globe Theatre, die nicht weiter ausgeführt werden, so dass zahlreiche Unklarheiten oder widersprüchliche Interpretationsmöglichkeiten für eine Rekonstruktion des Aussehens des ehemaligen Gebäudes bestehen bleiben. Henslowe hat außerdem in der Zeit von 1592 bis 1603 ausführlich seine Transaktionen in Tagebüchern festgehalten. Aus historischen Stadtansichten kann man die Lage und Anzahl der Aufführungsstätten rekonstruieren und gewinnt so einen zeitlichen Überblick.[2]

1989 wurden Überreste eines Theaters südlich der Themse entdeckt; es handelt sich dabei um das Rose Theatre, ebenfalls von Philip Henslowe, eine der ersten großen Spielstätten auf der Bankside. Mit den Mitteln der Archäologie konnten seither zahlreiche Theorien zum elisabethanischen Theaterbau im Grundsatz verifiziert werden, obgleich die Bühne des Rose Theatre mit (mindestens) zwei gleichwertigen Spielebenen eher atypisch für das Theater der Zeit sein dürfte. Die Fundamente können heute besichtigt werden.

Jedermann kämpft mit Tod, Holzschnitt

Mittelalterliche Formen

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Insbesondere die mittelalterlichen Moralitäten, allegorische Darstellung des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse, sowie die – seit dem 14. Jahrhundert belegten – Mystery Plays, dramatische Fassungen biblischer Ereignisse, häufig in liturgische Zusammenhänge integriert, scheinen großen Einfluss auf das Elisabethanische Theater ausgeübt zu haben – dort vermischten sich verschiedene Stilebenen, wurden Anspielungen auf den Alltag in die religiöse Handlungen integriert. Die Publikumsnähe vieler Shakespearescher Figuren kann als ein Überbleibsel der so genannten Vice-Figur gedeutet werden: In den Moralitäten kämpfte dieses personifizierte Laster mit rhetorischem Geschick um die Seele des Menschen.

Fahrende Schauspieltruppen

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Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden die so genannten innyard-plays: Fahrende Schauspielertruppen bespielten die Innhöfe von Pubs, wo sie hölzerne Gerüste errichteten. Eine (mittlerweile eher unpopuläre) Theorie macht hier den Ursprung der Theaterarchitektur der Zeit (Shakespearebühne) aus: Offensichtlich standen die Zuschauer auf Galerien um den Hof. Die ersten spezifischen Theaterbauten (errichtet in den 1570er Jahren) trugen tatsächlich noch Merkmale der Wanderbühnen, hatten eher provisorischen Charakter.

Auch die Tierkampf-Arenen, die sich seit mindestens 1546 auf der Londoner Bankside befanden, hatten ihren Einfluss – zumindest insofern, als sie die Infrastruktur für den späteren Boom des Theaters bereitstellten; das Londoner Publikum war es gewohnt, sich außerhalb der City of London zu amüsieren.

Lateinische Dramatik

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Antike Stücke waren durch den Humanismus einem großen Publikum bekannt; oft wurden diese in der Volkssprache imitiert. Handlungsmuster der Komödien von Plautus und Terenz finden sich noch bei Shakespeare, z. B. das Motiv der Brautentführung aus dem Haus des bösartigen Vaters (Der Kaufmann von Venedig). Die römische Tragödie Senecas kann hingegen als Vorbild gelten für zahlreiche Texte Christopher Marlowes und Thomas Kyds, den wichtigsten Autoren der 1580er Jahre.

Situation der Schauspielertruppen

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Richard Burbage, einer der Teilhaber der Lord Chamberlain’s Men

Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelten sich die ersten professionellen Schauspielertruppen, zusammengesetzt aus fahrenden Schaustellern und einer wachsenden Zahl an Arbeitslosen. Offensichtlich sahen gerade sozial schlecht gestellte Personengruppen in der Schauspielerei eine gute Verdienstmöglichkeit; die Zahl der Kompanien stieg nach 1550 jedenfalls stark an. Als Reaktion darauf erlaubte das Vagabundengesetz von 1572 in London nurmehr Auftritte von Schauspielern, die unter der Patronage eines Adligen oder zweier Friedensrichter standen. Die erste Patentverleihung erfolgte 1574 an die Leicester’s Men, die Truppe des Earl of Leicester. 1583 dann wurden – mit den besten Darstellern der Zeit – die Queen Elizabeth’s Men gegründet.

Mit einer weiteren Verordnung von 1598 wurde die Patronatsfähigkeit auf Mitglieder des Hochadels beschränkt und sonstigen amtlichen Würdenträgern entzogen. Dadurch bedingt nahm die Zahl der Schauspieltruppen in der Gunst des Hofes beständig zu.

Das Patronagesystem brachte enorme Vorteile für die Schauspielertruppen mit sich: Während in anderen europäischen Ländern noch im 18. Jahrhundert der Beruf des Darstellers als moralisch bedenklich eingestuft wurde, häufig auf eine Ebene gestellt mit der Prostitution, waren Schauspieler in England gesellschaftlich angesehen. Von Shakespeare und Richard Burbage ist sogar bekannt, dass sie Ehrenämter bei Hofe bekleideten. Zudem konnten die adligen Schutzherren ihren Kompanien im Notfall auch finanziell unter die Arme greifen – ob regelmäßig Zuschüsse flossen, ist nicht bekannt, aber wohl eher unwahrscheinlich: Die Truppen handelten als eigenständige Geschäftsunternehmen und keinesfalls als Dienstleistungsunternehmen für das Vergnügen einzelner Adliger. Sie waren auf die Sicherung und Erweiterung ihres Geschäftsbetriebs ausgerichtet und erwirtschafteten in der Regel Gewinn.

Als einzige Großstadt der Insel bot London das größte Potential an Zuschauern; die Schauspielgruppen versuchten daher zielstrebig, sich möglichst in dieser Stadt niederzulassen.

Der Tod Königin Elisabeths brachte viele Veränderungen mit sich: Hatten schon 1597 nurmehr zwei Schauspieltruppen, die Lord Chamberlain’s Men und die Admiral’s Men, die Lizenz zum Spiel in London inne, so übernahm nun der Hof alle Kompanien: Aus den Lord Chamberlain’s Men wurden so die King’s Men. In einem Dekret von 1598 legte der Privy Council fest, dass in London nur noch zwei Theatergruppen bestehen sollten.[3]

Wichtige Truppen

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  • Leicester’s Men: Die erste lizenzierte Schauspielertruppe spielte in den 1570er Jahren in James Burbages Theatre.
  • Derby’s Men: Die Kompanie ist bereits in den 1560er Jahren nachweisbar. Ab 1594 trug sie den Namen Lord Chamberlain’s Men. Unter Burbage und Shakespeare avancierte sie zur wichtigsten Schauspieltruppe, hatte zahlreiche Auftritte bei Hof. 1603 wurde sie umbenannt in King’s Men – der König war der neue Patron, man spielte im Globe Theatre und im Blackfriars Theatre.
  • Admiral’s Men: Philip Henslowes Truppe wurde 1603 umbenannt in Prince Henry’s Men; sie spielte im Fortune.

Die Kompanien waren finanziell als eine Form von Beteiligungsgesellschaften organisiert. Teilhaber (sharers) waren in der Regel die Schauspieler selbst, die dann Bühnenarbeiter und Statisten anstellten und alle Entscheidungen über die Geschäftspolitik trafen. Teilweise standen sie in enger Verbindung mit einem Impresario, der als Geldgeber und Bühnenverleiher fungierte und an den Einspielgewinnen beteiligt war. Durch den Erwerb einer Teilhaberschaft mit einem Anteil zwischen 50 und 70 Pfund um die Jahrhundertwende wurde nicht nur das Stammkapital der Theatergruppe gebildet, sondern zugleich versucht, die Anteilseigner fest an die Truppe zu binden. So wurde der jeweilige Anteil nur im Falle einer gütlichen Trennung ausgezahlt; bei einer nicht gütlichen Trennung ging der Anteil verloren. Verschiedene schriftliche Vereinbarungen sahen später zudem eine feste Vertragsdauer und Vertragsstrafen für unpünktliches Erscheinen oder Trunkenheit bei Aufführungen und Ähnliches vor. Sofern eine Truppe kein eigenes Theater besaß, musste sie die Miete für eine Spielstätte aufbringen – Philip Henslowe wurde reich durch den Bau von Theaterhäusern. Shakespeare hielt ab 1599 immerhin zehn Prozent an den Lord Chamberlain’s Men und war auch beteiligt am Bau des Globe Theatre, wodurch er zu einem gewissen Wohlstand gelangte. Sofern der Truppe das Geld für die erforderliche Bühnenausstattung oder den Ankauf von Textbüchern fehlte, gewährte vor allem der Theaterbesitzer neben dem Impressario einen Kredit für diese Kosten und behielt einen zusätzlichen Teil der Spieleinnahmen für die Rückzahlung. Den Theatereignern war zur damaligen Zeit durchaus daran gelegen, die Schauspieltruppen langfristig an sich zu binden, was durch deren Verschuldung erleichtert wurde. Unter den bedeutenderen Schauspieltruppe des elisabethanischen Theaters blieben wahrscheinlich nur die King’s Men finanziell unabhängig. Einer der Gründe dafür war, dass die Burbages einige der Schauspielkollegen, darunter Shakespeare, an der Finanzierung und damit dem Eigentum und den Einnahmen des neu errichteten Globe Theatre beteiligten.[4]

Die Truppen bestanden aus jeweils ca. zehn bis zwölf Schauspielern sowie den so genannten boy actors, den Darstellern der weiblichen Rollen (denn Frauen auf der Bühne waren unerwünscht). Man hatte ein großes Repertoire, spielte häufig über 30 Stücke gleichzeitig – nur zu schaffen durch das Rollenfachsystem, d. h. der Besetzung nach bestimmten Typenmustern.[5]

Eine zentrale Rolle spielte der book-keeper, der das Manuskript des Autors zu einzelnen Rollenbüchern (parts) verarbeitete, für die Organisation sowie den präzisen Ablauf der Aufführung sorgte und daneben auch als Souffleur tätig war. Keiner der Schauspieler erhielt den Text des gesamten Stückes, denn die Dramatiker fürchteten Raubdrucke und die damit verbundenen finanziellen Einbußen. Die Preise für neue Stücke stellten für die Schauspieltruppen eine hohe Belastung dar; neben einem Ankauf der Manuskripte durch die Theatergruppen selbst wurden diese auch von Henslowe als Mittelsmann aufgekauft und den Truppen gegen Entgelt überlassen. 1598 zahlte Henslowe fünf Pfund für ein Stück (ein Handwerker verdiente zu der Zeit im Vergleich einen Shilling pro Tag); 1615 war der Preis bereits auf 20 Pfund gestiegen. Da etwa alle 14 Tage ein neues Stück benötigt wurde, verschlangen die Kosten für den Ankauf neuer Manuskripte einen hohen Teil der Einnahmen. Erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts fiel der Ankauf von neuen Stücken erheblich auf etwa vier Stücke pro Jahr, da mittlerweile auf einen umfangreichen Bestand im Repertoire zurückgegriffen werden konnte. Die Schauspielgruppen waren zur damaligen Zeit demgemäß blühende Wirtschaftsunternehmen, die für den Lebensunterhalt und Wohlstand einer Gruppe von rund 40 bis 50 Personen, die am gesamten Spielbetrieb beteiligt waren, sorgten. Proben für neue Aufführungen dauerten vermutlich nicht länger als zwei bis drei Wochen. Regisseure waren dem Elisabethanischen Theater unbekannt; die überarbeiteten Abschriften der Autorenmanuskripte (foul papers) für Aufführungszwecke (sogenannte prompt books) enthielten in der Regel aber nachträglich eingefügte Bühnen- oder Regieanweisungen. Die Autoren der Stücke hatten in der Regel nach dem Verkauf des Manuskriptes keinen weiteren Anteil mehr an den Aufführungen.[6]

Eine Besonderheit stellten die reinen Kindertruppen dar, die vornehmlich in den private playhouses wie z. B. dem Blackfriars spielten. Sie rekrutierten sich aus Lateinschülern und den Sängern von Kirchenchören und wurden – wie zeitgenössische Dokumente belegen – von den erwachsenen Schauspielern als große Konkurrenz wahrgenommen. Häufig wechselten die Kinderschauspieler im Laufe ihres Heranwachsens zu den großen Kompanien, um dort als Boy Actors weibliche Rollen zu übernehmen.

Staatliche Überwachung des Theaterbetriebs

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Die Zuständigkeit für das gesamte Theaterwesen lag bei dem Lord Chamberlain, dem die Verantwortung für diesen Bereich vom Privy Council als dem höchsten Regierungsorgan übertragen worden war. Ausgeübt wurde die Aufsicht über den Theaterbetrieb durch das Office of the Revels unter Leitung eines Master of the Revels, der mit großer Eigenständigkeit sein Amt führen konnte. Ursprünglich war er für die Ausrichtung von Bühnendarbietungen und sonstigen festlichen Veranstaltungen zuständig; nach der Niederlassung der Schauspielgruppen in London wurden seine Kompetenzen erweitert und ihm 1581 auch die Zensur der aufgeführten Stücke übertragen.

Der Inhaber dieses Amtes musste für die Wahrnehmung seines Amtes jährlich 150 Pfund zahlen, hatte jedoch durch die Lizenzabgaben und Zensurgebühren, die von zunächst sieben Shilling auf letztlich zwei Pfund je Stück stiegen, bei der Vielzahl der gespielten Stücke ein beträchtliches Einnahmemonopol. Neben der Aufgabe der Zensur war er auch dafür verantwortlich, die Einhaltung der gesundheitspolizeilichen und religiösen Auflagen für den Spielbetrieb zu überwachen. So waren insbesondere während der Fastenzeiten oder der Pestepidemien die Theater zu schließen. Dies gefährdete allerdings die ökonomische Existenzgrundlage der Schauspieltruppen und Theaterbesitzer, da bei fortlaufenden finanziellen Verpflichtungen die Einnahmen wegfielen.

Das Mittel der Schließung der Theater aus gesundheitspolizeilichen Gründen verschaffte zudem dem theaterfeindlichen Magistrat der Stadt London eine oft genutzte, wirkungsvolle Möglichkeit, den Theaterbetrieb zu behindern.

Da das Verbot, während der Fastenzeit zu spielen, häufig nicht beachtet wurde und der Master of the Revels solche Verstöße oftmals tolerierte, möglicherweise zum Teil durch einen käuflich zu erwerbenden Dispens, wurde die Zuständigkeit für die Kontrolle des Theaterwesens ihm schließlich entzogen und 1642 mit der Schließung der Theater vom Parlament selbst wahrgenommen.[7]

Ben Jonson, Dramatiker (1572–1637)
Christopher Marlowe, Dramatiker (1564–1593)

Grundsätzlich ordnete sich die Dramatik der antiken Aufteilung in Komödie und Tragödie unter, obgleich Mischformen immer beliebter wurden. Eine Besonderheit der Elisabethanischen Dramatik sind die history plays. Mit einigen Ausnahmen (Ben Jonsons Werke etwa) lässt sich eine Abkehr von der strengen aristotelischen Poetik zugunsten möglichst spektakulärer Plots beobachten: Gerade die Komödien zeigen oft Helden, die durch zahlreiche exotische Länder reisen und dabei verschiedene Abenteuer bestehen müssen (z. B. Sir Clyomon and Sir Clamydes, um 1580).

Großen Anklang beim Publikum fanden Rachedramen nach dem Vorbild Senecas; zu nennen wären hier z. B. Thomas Kyds Spanish Tragedy oder John Websters Duchess of Malfi – blutige Inszenierungen der verschiedensten Gewalttaten. Aus der Antike wurden dabei vor allem Geisterauftritte als dramaturgisches Element übernommen, welche die Handlung motivieren: Der Verstorbene fordert den Helden in der Regel dazu auf, seinen Tod zu rächen. Besonderes Interesse bei der Handlungsführung gilt dann dem Kampf gegen gesellschaftliche Widerstände (auch moralischer Art). Eine weitere Form, die sich großer Beliebtheit erfreute, ist die Ehetragödie, wie sie etwa in Othello noch fortlebt: Hier wird ein Ehebruch mit physischer und seelischer Bestrafung bedacht, ehe im Tod die Versöhnung der handelnden Figuren erfolgen kann.

Thomas Dekker (The Shoemaker’s Holiday) gilt (ebenso wie Thomas Middleton mit A Chaste Maid in Cheapside) als Vertreter der city comedy, die sich satirisch mit dem Stadtleben auseinandersetzt. Ben Jonsons Lustspiele (Volpone) thematisieren dagegen den Konflikt des Individuums mit der Gesellschaftsordnung, setzen sich auch mit antiker Regelpoetik auseinander. Jonson gilt als Autor, der vor allem für den höfischen Rahmen schrieb. Er sprach der Satire in Anlehnung an Cicero korrektive Fähigkeiten zu. John Lyly hingegen schuf vornehmlich Liebeskomödien, die sich in ihrem Handlungsaufbau an Romanen orientierten: Die komplexe Fabel zeigt hier ein Paar, das zahlreiche Hindernisse (= Peripetien). überwinden muss, ehe es zueinander kommen kann.

Mit dem zunehmenden Nationalbewusstsein der Engländer, was durch weltpolitische Erfolge, wie die Vernichtung der spanischen Armada, bedingt war, wuchs das Interesse an der Geschichte Englands und Europas. Das Theater griff dieses Interesse auf und so entstanden die Historien oder history plays. Dramen über englische Könige, wie „Richard III.“ oder „Henry V.“ von William Shakespeare, „Edward II“[8] von Christopher Marlowe oder „Edward I“[9] von George Peele fallen ebenso unter diese Kategorie wie das anonyme Werk „A Larum for London“[10] über die Spanische Furie in Antwerpen.

Maskenspiele (masques) sind eine höfische Form, die vor allem unter Jakob I. blühte – sie sollten die Macht des Königs darstellen. Es handelt sich dabei um Darbietungen auf der Bühne mit spektakulären Effekten und Tanzeinlagen. Häufig partizipierten Mitglieder des Hofes an den Aufführungen. Bekannte masques sind u. a. die Masque of Blackness (1605) und die Masque of Queens (1609).

Skizze einer Aufführung im Swan Theatre (aus Johannes de Witts Observationes Londinienses)
Rekonstruktion des Globe Theatre in London
Bühne
Zuschauerraum
Zeichnerische Rekonstruktion des ehemaligen Fortune Theatre von Walter H. Godfrey aus dem Jahre 1911 anhand der überlieferten vertraglichen Bauunterlagen von 1600

Theater auf dem Land

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Obgleich sich die Forschung in erster Linie auf die Situation in London konzentriert, waren wohl durchaus auch Aufführungen in kleineren Städten Englands üblich – feste Theaterbauten allerdings dürften hier kaum existiert haben. Überliefert ist, dass die großen Schauspieltruppen regelmäßige Tourneen durch die Provinz unternahmen und dort auf Plätzen, in Rat- und Zunfthäusern spielten, häufig in Personal und Ausstattung reduzierte Stückversionen. Shakespeare selbst hat wohl in seiner Jugend einige dieser Gastspiele gesehen – die Queen’s Men reisten mehrfach nach Stratford-upon-Avon.

Lage der Theater in London

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Aus den temporären Bühnen der fahrenden Truppen entwickelten sich früh feste Wirtshaustheater. In London wurde diese 1596 per Erlass verboten, da sich die Klagen der Anwohnern mehrten – als Reaktion darauf zogen die Ensembles in liberties, d. h. Gebiete außerhalb der städtischen Jurisdiktion. Darum befanden sich die klassischen public playhouses, die großen öffentlichen Theater, im Süden oder Norden der Innenstadt. Hier existierte eine passende Infrastruktur: Die Nachbarschaft der Spielstätten bildeten Bordelle und Tierkampfarenen.

Grundsätzlich unterscheidet man die public playhouses auf der Bankside von den private playhouses – dabei handelt es sich um überdachte Aufführungsmöglichkeiten in zentraler Lage, die aufgrund ihrer Unabhängigkeit von Wetter- und Lichtverhältnissen auch im Winter bespielt werden konnten. Für das Theater bei Hof hingegen gelten eigene Gesetzmäßigkeiten.

public playhouses

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Als Ursprung der public playhouses wird von der neueren Forschung die Vereinigung dreier damals bereits vorhandener und bewährter Bau- und Gestaltungsformen des Theaters angenommen, die einerseits auf die mittelalterlichen Straßen- und Saalbühnen, andererseits auf die ovalen und runden Großarenen für Tierhatzen und Turniere oder Sportwettkämpfe zurückgehen. Die letzteren orientierten sich ihrerseits vermutlich am römischen Vorbild des Amphitheaters. Indem Bretterbühnen im Innenhof dieser Gebäude errichtet wurden, erweiterte man ihre Funktion. Der Vorteil einer solchen Konstruktion ist die große Anpassungsfähigkeit: Bei Bedarf kann das Theater wieder in eine Arena zurückverwandelt werden.[11]

Vom ersten permanenten Theatergebäude Londons ist nur sehr wenig bekannt: 1567 errichtete John Brayne das Red Lion in Whitechapel, also östlich der Innenstadt. Welche Truppe es bespielte, bleibt fraglich. 1576 ließ James Burbage im Norden Londons das Theatre erbauen, ein Jahr später entstand ganz in der Nähe The Curtain. 1599 baute sein Sohn Richard Burbage die Holzkonstruktion des Theatres ab – aus dem Baumaterial entstand das Globe auf der Bankside, d. h. am südlichen Ufer der Themse. Hier sollte sich eine unglaubliche Theaterdichte herausbilden: Bereits 1587 stand das Rose, 1595 kam das Swan hinzu. 1600 folgte als Konkurrenz zum Globe Theatre das Fortune und 1613 das Hope. 1613 brannte das Globe nieder – 1614 wurde an der gleichen Stelle das zweite Globe errichtet (mit wesentlich veränderter Architektur). Das konkurrierende Fortune Theatre brannte 1621 ab, wurde jedoch 1623 weitgehend in der ursprünglichen Form wiederaufgebaut. Nach der Schließung der öffentlichen Theater durch die Puritaner wurde das Fortune noch bis zu seinem endgültigen Abriss 1660 für gelegentliche heimliche Aufführungen genutzt.

Da keines der Theater aus der elisabethanischen Zeit erhalten geblieben ist, kann deren Bauweise und Gestalt nur aus zeitgenössischen Berichten, Beschreibungen und anderen Dokumenten wie Aufzeichnungen in Tagebüchern, Akten von Rechtsstreitigkeiten oder Verträgen und Briefen sowie aus Hinweisen in den Dramentexten selbst rekonstruiert werden. Trotz langwieriger Forschungsarbeit konnten bisher allerdings nicht alle baulichen Details zweifelsfrei geklärt werden; die überlieferten Dokumente sind keinesfalls ohne Widersprüche und zudem nicht immer eindeutig interpretierbar.[12]

Die Grundrisse der public playhouses waren rund bzw. polygonal (eine einzige Ausnahme bildete hier das Fortune mit seinem viereckigen Grundriss). Die Fachwerkkonstruktion dieser Gebäude bestand aus einem hölzernen Grundgerüst mit ausgemauerten Zwischenräumen, das Dach wurde entweder mit Stroh oder hölzernen Schindeln bedeckt (thatch- oder tile-roofing). In das Rund des Theaters integriert war das Bühnengebäude (tiring-house) mit Lagerräumen bzw. Umkleiden. Der offene Innenhof (yard), umgeben von drei Stockwerken an Galerien, beherbergte während der Aufführung die soziale Unterschicht (groundlings). Hier ragte die rechteckige bzw. deltaförmige Bühne hinein – eine hölzerne Plattform auf Säulenstümpfen, wahrscheinlich von einer Balustrade umgeben. Diese Plattform verfügte über bis zu vier Falltüren (traps), welche für Geisterauftritte genutzt wurden. Der Raum unter der Bühne wurde als hell bezeichnet – ein Überbleibsel der Mysterienspieltradition. Die Bühnenfront (tiring house-facade) war durch – bis zu fünf – stage doors durchbrochen, über diesen befand sich die upper stage, daneben Logen für adlige Zuschauer, genannt lord rooms. Die so genannte hut (= Hütte) ruhte auf großen Säulen über dem hinteren Teil der Plattform. Hier befand sich in manchen Theatern sogar eine Flugmaschine, außerdem hisste man bei Aufführungen über der hut eine Flagge.

Unklar ist bis heute die genaue Konstruktion der tiring-house-facade, das heißt der Bühnenrückwand. Eine von vielen Theorien vermutet hier eine Öffnung hin zu einer Innenbühne (inner stage – ein Begriff, der von Shakespeares Zeitgenossen nicht verwendet wurde), die für Szenen genutzt werden konnte, in denen die Figuren eine überraschende Entdeckung machen. Andere Modelle arbeiten dagegen mit Vorhängen (arras) vor den stage doors oder Zelten, die im hinteren Bereich der platform aufgestellt werden konnten. Auch die genauen Charakteristika der upper stage als zweiter Spielebene (etwa für Balkonszenen) sind unklar; wahrscheinlich ist jedoch, dass hierfür einfach die Galerie genutzt wurde, auf der – bei Bedarf – auch Musiker saßen.

private playhouses

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Die Form und Bauweise der privaten Theater ist noch schlechter dokumentiert als die der öffentlichen, da sie keine Neuheit darstellten, welche die Aufmerksamkeit der Reisenden erregte und sich in detaillierteren Beschreibungen oder Tagebuchaufzeichnungen niederschlug.

Einige Hinweise finden sich jedoch in den Unterlagen von Rechtsstreitigkeiten. Danach sieht es so aus, als ob die privaten Bühnen in große rechteckige Hallen eingebaut worden waren. An einer der Stirnseiten wurde die jeweilige Bühne errichtet. Allerdings befanden sich seitlich vermutlich rechts und links die sogenannten lord boxes, d. h. Logen für zahlungskräftige Zuschauer. Vor der Bühne wurden Bänke für die restlichen Zuschauer aufgestellt. Die wesentlichen Unterschiede zu den öffentlichen Theatern bestanden neben der Größe und der Anordnung der Zuschauer in der Unterbringung der privaten Bühnen in geschlossenen Räumen, wo auch bei Dunkelheit mit künstlichem Licht gespielt werden konnte. Die Besucherkapazität war jedoch wesentlich geringer: Fassten die public playhouses bis zu 3000 Zuschauer, so nimmt man für die privaten Theaterhallen eher Zahlen um die 400 bis 500 an. Generell waren die Eintrittspreise in den privaten Theatern daher erheblich höher, was eine andere Besucherstruktur mit einem Publikum aus den wohlhabenderen Schichten zur Folge hatte. Die Sitzverteilung in den privaten Bühnen entsprach im Wesentlichen der bis heute üblichen Anordnung und bahnte in dieser Hinsicht den Weg für die spätere Form des modernen Illusionstheaters.[13]

Theater bei Hofe!

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Die Aufführungspraxis und Bühnenausstattung bei Aufführungen am englischen Hof lassen sich aus dem reichlichen dokumentarischen Material des Revels Office im Unterschied zu den öffentlichen und privaten Theatern relativ genau erschließen. Von dieser Behörde, die Teil des königlichen Haushaltes war und die Verantwortung für die Veranstaltungen und Durchführung von Festlichkeiten am Hof innehatte, wurden bevorzugt Dramen und Maskenspiele (masques) für festliche Veranstaltungen um Weihnachten und Neujahr ausgewählt, Nach Begutachtung des Spielrepertoires der führenden Schauspieltruppe gemäß den jeweiligen Wünschen der Königin traf der Master of the Revels eine entsprechende Vorauswahl und lud die ausgewählten Schauspielgruppen mit ihren jeweiligen Stücken zu einer Probeaufführung ein. Nach der endgültigen Auswahl geeigneter Stücke für die vorgesehene Hofaufführung war der Master of the Revels zugleich dazu berechtigt, den Bühnentext der vorgesehenen Werke durch Streichungen oder Hinzufügungen von Textstellen umzugestalten.

Die Unterlagen des Revels Office belegen, dass bei der Auswahl der Kostüme der Schauspieler und der Bühnendekoration sowie bei der Ausstattung der Kulissen großer Aufwand betrieben wurden. Aus den überlieferten Akten ist dabei auch entnehmbar, dass die Theateraufführungen bei Hofe zu Zeiten Shakespeares keinesfalls, wie oft irrtümlicherweise angenommen wird, weitgehend kulissenlos waren. Als Bühne wurde eine große Holzkonstruktion auf der Schmalseite der großen Festhalle errichtet; ob die Bühne dabei durch einen Vorhang vom Publikum abtrennbar war, lässt sich nicht mehr mit hinreichender Sicherheit klären.

Das Publikum bei diesen Aufführungen bestand aus einer äußerst homogenen, gebildeten Schicht von Würdenträgern des Staates bzw. Amtsträgern des königlichen Haushaltes samt deren Ehefrauen. Schauspiele, die anfangs für Hofaufführungen konzipiert waren, enthielten zumeist eine Fülle von aktuellen Bezügen wie Anspielungen auf Hofklatsch, Tagesereignisse oder politische Konstellationen und dergleichen mehr.

Ein Großteil der bei Hofe aufgeführten Stücken war jedoch bereits zuvor an den öffentlichen Theatern gespielt worden. Die gleichen Schauspieler führten mithin ihre Schauspiele unter völlig unterschiedlichen Bühnenbedingungen auf. Die öffentliche Theaterbühne bot eine weitgehend neutrale Plattform inmitten eines alle Schichten umfassenden Publikums. Auf dieser Spielfläche konnte an die Tradition des Volkstheaters angeknüpft werden und die anti-illusionistischen Tendenzen sowie der ursprüngliche Spielcharakter der Bühnendarbietung am ehesten akzentuiert werden. Demgegenüber waren bei den Hofaufführungen vor einem homogenen, humanistisch gebildeten Publikum aus den oberen Schichten eher die Ausrichtung auf eine illusionistische Bühnengestaltung und realistische Präsentation des Spielgeschehens gefragt. Diese Tendenz wirkte dann zurück auf die Aufführungen in den öffentlichen und privaten Theatern und prägte die für die damalige Zeit charakteristische Mischung von Illusionserzeugung und Illusionsdurchbrechung. Nach dem Ende der Theaterschließung zwischen 1642 und 1660 richteten die neu eröffneten Theater ihre Darbietungen ganz am Geschmack der im Publikum vorherrschenden Schicht des Adels aus, so dass die vorherigen Bezüge zur Tradition des Volkstheaters vollständig verloren gingen. Entsprechend dem klassizistischen Ideal des illusionistischen Realismus setzte in zunehmendem Maße die Entwicklung zur modernen Guckkastenbühne ein.[14]

Ein gänzlich unterschiedliches Repertoire (die allegorisch-opernhaften masques) bedingte hier andere Aufführungsbedingungen. Inigo JonesBanqueting Hall in Whitehall gilt als typisch für das höfische Theater, Zuschauer und Schauspieler saßen einander gegenüber. Bestrebungen einer Übernahme der italienischen Kulissenbühne sind belegt, so z. B. die Pläne Inigo Jones’ für ein Theater in Cockpit-in-Court. Auch hier wurde das Konzept der Guckkastenbühne antizipiert.[15]

Aufführungspraxis und Spielästhetik

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Romeo und Julia, Gemälde von Ford Madox Brown (1821–1893)

Während zunächst nur an Festtagen gespielt wurde (was die Puritaner unterbanden), kann ab den 1580er Jahren von Aufführungen an allen Werktagen ausgegangen werden. Bei Hofe dauerte die Theatersaison von November bis Ostern, in den public und private playhouses dagegen fanden während des ganzen Jahres Spiele statt, im Winter wohl auch in Wirtshäusern – trotz entsprechender Verbote.

Aufführungen begannen in der Regel am Nachmittag (d. h. während der regulären Arbeitszeit) und dauerten zwei bis vier Stunden. Voraussetzung waren gute Lichtverhältnisse, denn künstliche Beleuchtung gab es in den public playhouses nicht. Trompetenstöße kündigten den Beginn des Spiels an, auf der hut wurde zudem eine Fahne gehisst, die weithin sichtbar war – denn das Publikum musste schließlich vom anderen Ufer der Themse anreisen, entweder über die London Bridge oder mit einer Fähre. Im Anschluss, auch an Tragödien (!), wurde dem Publikum stets ein jig präsentiert, ein burlesker Volkstanz.

Ausstattung der Bühne

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Die Verwendung von Dekorationen war lange Zeit ein Streitpunkt in der Forschung: Ältere Literatur geht davon aus, dass die Bühne vollkommen leer war und nur durch den Stücktext Lokalisierungen vorgenommen wurden. Für dieses Verfahren hat sich der Begriff der Wortkulisse eingebürgert. Hinweise darauf sind die zahlreichen und ausführlichen Ortsbeschreibungen in der Figurenrede der Dramen. Wahrscheinlicher jedoch sind emblematische Kulissen, d. h. Versatzstücke, die auf einen bestimmten Ort hindeuten (wie z. B. ein Thron oder Zelte) und – qua sprachlicher Charakterisierung – variabel eingesetzt werden können. Belegt ist auch die Verwendung von Ortsschildern, etwa über den Bühnentüren.

Die Bühne z. B. des zweiten Globe Theatre verfügte über eine enorme Maschinerie: Neben einem Fluggerät, welches dazu verwendet werden konnte, Dekorationselemente von der hut auf die Bühne abzusenken (und dadurch den Umbau zu beschleunigen), gab es auch die Möglichkeit, mehrere Schauspieler auf einmal im Bühnenboden zu versenken. Pyrotechnische Effekte sind ebenfalls belegt.

Die Kostüme zeichneten sich vor allem durch ihre Pracht aus – historische Genauigkeit war dabei weniger gefragt. Oft wurde die Kleidung von Adligen verwendet, welche diese nach ihrem Ableben ihren Dienern vermacht hatten. Durch einzelne Attribute – wie etwa Kopfbedeckungen oder Farben – konnten bestimmte Epochen oder Länder angedeutet werden.

Aus den Shakespearschen Dramen lässt sich mitunter auf bestimmte Inszenierungskonventionen schließen: So werden z. B. alle Auftritte explizit angekündigt – woraus man folgert, dass die Schauspieler im vorderen Bereich der platform standen, und hinzukommende Figuren erst einen langen Weg zurücklegen mussten, ehe sie am Geschehen teilnehmen konnten. Als nahezu gesichert kann ferner gelten, dass die Darsteller schnell sprachen, denn die durchschnittliche Aufführungsdauer war sehr kurz im Verhältnis zur Länge der Texte.

Vieles bleibt freilich spekulativ: So liegen z. B. über die Einbeziehung des Publikums mehrere Theorien vor; waren die public playhouses laute, überfüllte Arenen, in denen die groundlings permanent das Geschehen auf der Bühne kommentierten, worauf die Schauspieler ihrerseits reagierten? Oder vermochte ein Dramatiker wie Shakespeare sein Publikum zu fesseln, herrschte andächtige Stille während der Aufführungen?

  • John H. Ashington: Playhouses, players, and playgoers in Shakespeare’s Time. In: Margreta de Grazia und Stanley Wells (Hrsg.): The Cambridge Companion to Shakespeare. 2. Auflage. Cambridge University Press 2003, ISBN 0-521-65094-1.
  • Muriel C. Bradbrook: Shakespeare. The poet in his world. Methuen, London 1989, ISBN 0-416-73690-4.
  • Albert R. Braunmuller, Michael Hathaway (Hrsg.): The Cambridge Companion to English Renaissance Drama. 2. Auflage. Cambridge 2003, ISBN 0-521-52799-6.
  • Edmund K. Chambers: The Elizabethan Stage. Clarendon Press, Oxford 1974, ISBN 0-19-811511-3 (4 Bände. Repr. d. Ausg. Oxford 1923).
  • Andrew Gurr: The Shakespearean Stage. 1574–1642. CUP, Cambridge 2005, ISBN 0-521-42240-X.
  • Dennis Kay: William Shakespeare. His Life, Work, and Era. Twayne Publ., New York 1995, ISBN 0-8057-7063-1.
  • Thomas Kullmann: William Shakespeare. Eine Einführung. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-503-07934-3.
  • Alois M. Nagler: Shakespeare’s Stage. Yale University Press, New Haven Conn. 1991, ISBN 0-300-02689-7.
  • Helmut Castrop: Das elisabethanische Theater. In: Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 5. rev. Auflage. Kröner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-520-38605-2, S. 71–116.
  • Tiffany Stern: The theatre of Shakespeare’s London. In: In Margreta De Grazia und Stanley Wells (Hrsg.): The New Cambridge Companion to Shakespeare, Cambridge University Press, Cambridge, 2. Ausgabe 2010, ISBN 978-0-521-71393-1, S. 45–59.
  • Ulrich Suerbaum: Das elisabethanische Zeitalter. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-008622-3, Kapitel 4: Das Theater, S. 399–472.
  • Robert Weimann, Douglas Bruster: Shakespeare and the Power of Performance – Stage and Page in the Elisabethan Theatre. CUP, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-89532-3.
  • Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7. (Online als PDF-Datei zugänglich unter epub.ub.uni-muenchen.de)
Commons: Elisabethanisches Theater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 11. (Online als PDF-Datei abrufbar unter epub.ub.uni-muenchen.de).
  2. Siehe dazu Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7, hier Kapitel 1.2: Die Londoner Bühnen, hier vor allem S. 30ff. und Helmut Castrop: Das elisabethanische Theater. In: Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 5., durchgesehene und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-520-38605-2, S. 71–116, hier vor allem S. 77ff. Siehe ebenso die Angaben in der Encyclopædia Britannica. auf britannica.com. Abgerufen am 21. Januar 2019.
  3. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart et al.1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 17–21. Vgl. ebenso Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. Kröner, Stuttgart 1972, ISBN 3-520-38601-1 (5., durchgesehene und ergänzte Auflage ebenda 2009, ISBN 978-3-520-38605-2), S. 101–103.
  4. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart et al.1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 23 ff.
  5. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart et al.1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 17–21. Vgl. ebenso Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. Kröner, Stuttgart 1972, ISBN 3-520-38601-1 (5., durchgesehene und ergänzte Auflage ebenda 2009, ISBN 978-3-520-38605-2), S. 103–105.
  6. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart et al.1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 23–25und 42 f. Vgl. auch Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. Kröner, Stuttgart 1972, ISBN 3-520-38601-1 (5., durchgesehene und ergänzte Auflage ebenda 2009, ISBN 978-3-520-38605-2), S. 107, 112 und 77 f.
  7. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart et al.1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 25 f. Vgl. ebenso Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. Kröner, Stuttgart 1972, ISBN 3-520-38601-1 (5., durchgesehene und ergänzte Auflage ebenda 2009, ISBN 978-3-520-38605-2), S. 115 f.
  8. Christopher Marlowe: Edward II. Nick Hern Books, London 1997.
  9. George Peele: The Chronicle of King Edward The First. George Kelsey Dreher (Hrsg.), Longshanks 1998 [1584].
  10. anonymous: A Larum for London, or The Siedge of Antwerpe with the ventrous actes and valorous deeds of the lame soldier. London 1602.
  11. Siehe Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2000, S. 82 ff.
  12. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 29 ff. Vgl. ebenso Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2000, S. 71–78, und Ulrich Suerbaum: Shakespeares Dramen. UTB, Stuttgart 2001, ISBN 3-8252-1907-0, S. 46–54.
  13. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 33 f. Vgl. ebenso Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2000, S. 81 f.
  14. Siehe Wolfgang Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Versuch einer Beschreibung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart u. a. 1979, ISBN 3-17-004697-7, S. 34–37.
  15. Vgl. Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2000, S. 96 f.