IPPNW
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International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) | |
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Gründung | 1980 |
Gründer | Jewgeni Tschasow, Bernard Lown u.A. |
Sitz | Malden (Massachusetts) |
Schwerpunkt | Internationaler Zusammenschluss von Ärzten |
Vorsitz | Daniel Bassey, Ira Helfand, Arun Mitra, Tilman Ruff[1] |
Mitglieder | 150.000 in über 50 Nationen |
Website | www.ippnw.org |
Die Organisation IPPNW (Abkürzung für International Physicians for the Prevention of Nuclear War; Name der deutschen Sektion IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.) ist ein internationaler Zusammenschluss von Human-, Tier- und Zahnärzten, die sich unter anderem vor allem für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzt.
Der internationale Hauptsitz befindet sich in Somerville, Massachusetts. 1985 erhielt die Organisation den Friedensnobelpreis[2] für ihre „sachkundige und wichtige Informationsarbeit“, die das Bewusstsein über die „katastrophalen Folgen eines Nuklearkrieges“ in der Bevölkerung erhöhte.
Die deutsche Sektion (Sitz: Berlin[3]) ist mit circa 8.000 Mitgliedern die größte berufsbezogene Friedensorganisation in Deutschland.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Geschichte der IPPNW begann 1980, in einer angespannten Phase des Kalten Krieges, mit einem Briefwechsel zwischen dem sowjetischen Kardiologen Jewgeni Tschasow und seinem US-amerikanischen Kollegen Bernard Lown. Wenige Monate später gründeten sie mit vier weiteren Ärzten aus den USA und der Sowjetunion in Genf die Organisation zur Verhütung eines Atomkrieges. In den darauf folgenden Jahren wurden international Sektionen gegründet, im Frühjahr 1982 in der Bundesrepublik und der DDR. Eines der Gründungsmitglieder der westdeutschen Sektion war der Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter.[4] Prominentes Mitglied der ostdeutschen Sektion war der Berliner Urologe Moritz Mebel. 1984 erhielt die IPPNW den UNESCO-Preis für Friedenserziehung, 1985 den Friedensnobelpreis.
Bereits in den 1980er Jahren war die Organisation aktiver Teil der internationalen Friedensbewegung.
Die IPPNW kam im Kalten Krieg bald unter den Verdacht, eine Einflussorganisation der Sowjetunion zu sein. Sir Clive Rose, ein britischer Diplomat bei der NATO, urteilte 1986 über Einflussversuche der Sowjetunion über den sowjetisch dominierten Weltfriedensrat: „Andere Gruppen [...] wurden mit Ermutigung und Unterstützung durch den Weltfriedensrat etabliert [...] Eine davon, die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) wurde 1980 [...] gegründet. Das sowjetische Komitee der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges hat seit seiner Gründung 1981 eine führende Rolle in den Angelegenheiten der Internationalen Organisation gespielt, die übereinstimmend damit die aktuellen Elemente der sowjetischen Friedenskampagne kritiklos unterstützte und öffentlich Opposition gegen westliche Verteidigungspolitiken betrieb.“[5] Am 5. Februar 1986 stellte die CIA in einem internen Bericht (veröffentlicht 24. Oktober 2011) fest: „Die Sowjetunion hat eine erfolgreiche Kampagne zur Manipulation der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) durchgeführt. [...] Moskaus Bemühungen um Einflussnahme begannen auf der ersten Konferenz der Gruppe 1981, als der Sowjetische Co-Vorsitzende Jewgeni Iwanowitsch Tschasow - heute Vollmitglied im ZK der KPdSU - darauf drang, dass sie Sowjetische Vorschläge der Rüstungskontrolle befürworten solle. [...] Unserer Ansicht nach sind es Moskaus Gebrauch von indirekten Methoden der Kontrolle, die die IPPNW von traditionellen sowjetischen Vorfeldorganisationen wie dem Weltfriedensrat unterscheidet.“[6]
Tatsächlich schlossen 1986 das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und der sowjetische KGB ein Abkommen, in dem u. a. folgende gemeinsame Aktivitäten festgehalten wurden: „Austausch von Informationen über die operative Lage in der Vereinigung 'Internationale Ärzte zur Verhütung eines Nuklearkrieges' sowie Einleitung abgestimmter Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung des Wirksamwerdens antisozialistischer Kräfte in der Vereinigung.“[7] Im August 1987 veröffentlichte das US Department of State einen Bericht über sowjetische Einflusstätigkeiten, in dem es hieß: „Sowjetische Verbindungen zu den hauptsächlichen Vorfeldorganisationen wie dem Weltfriedensrat werden nun weithin anerkannt. Zunehmend baut die UdSSR Brücken zu Nicht-Vorfeld-Gruppen, wie z. B. zu den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die Moskau zu manipulieren versucht, ohne sie direkt zu kontrollieren.“[8]
Dass die IPPNW 1985 den Friedensnobelpreis erhielten, nannte der britische NATO-Diplomat Sir Clive Rose „eine seltsam abwegige Wahl“.[9] Aus Deutschland gab es Protest gegen diese Verleihung des Nobelpreises an die IPPNW u. a. von Bundeskanzler Helmut Kohl. Im Zentrum der Kritik stand der sowjetische Gründungsvorsitzende Jewgeni Tschasow, der 1973 einen Offenen Brief gegen den sowjetischen Dissidenten Andrei Sacharow unterzeichnet hatte.[10] Das Nobelkomitee räumte ein, man sei über den fraglichen Brief „sehr unglücklich“.[11]
Im Frühjahr 2003 warnte IPPNW Deutschland vor den Folgen und Wirkungen des Irak-Kriegs für die Menschen sowie für das internationale Völkerrecht. IPPNW Deutschland klärte über die Hintergründe des von den USA gegen den überwiegenden Willen der internationalen Staatengemeinschaft geführten Krieges auf.
Seit 1991 verleiht die IPPNW die Clara-Immerwahr-Auszeichnung „an Menschen, die sich trotz persönlicher Nachteile gegen Krieg, Rüstung und für Menschenrechte einsetzen“.[12]
1996 veranstaltete die IPPNW in Nürnberg den internationalen Kongress Medizin und Gewissen – 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozeß.[13]
Ziele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Organisation tritt dafür ein, erdumspannend Schaden von der Menschheit abzuwenden, wobei sie dies für die Zukunft aller Menschen und über alle politischen Grenzen und gesellschaftlichen Systeme hinweg tun möchte. Dabei geht sie im Sinne einer präventiven Medizin vor und versucht Risiken für Leben und Gesundheit vorzubeugen. Wo Menschen bereits in Not sind, gebietet es die medizinische Ethik zu helfen, so ihr Anspruch. Im Dreischritt von Anamnese – Diagnose – Therapie ergreift die IPPNW Maßnahmen, um Leiden, beispielsweise in akuten Krisengebieten, zu erkennen, zu verhüten oder zu lindern. „Unsere Aufgabe als Arzt und Ärztin ist es, jede Bedrohung für Leben und Gesundheit abzuwenden“, so das Leitmotiv der IPPNW.
Die IPPNW forscht zu den Fakten und Hintergründen der gesundheitlichen, sozialen und politischen Auswirkungen und Ursachen von Kriegen und bewaffneten Konflikten. Sie veröffentlicht Studien, Bücher und Broschüren über die gesundheitlichen Folgen der atomaren Bedrohungen, Kriegsursachen und -folgen und Kriegsverhütung. Zudem berät sie politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler. Auf Friedenskonferenzen und in den Medien bringt sie ihr medizinisches Wissen ein. Die IPPNW spricht die Öffentlichkeit auf Veranstaltungen und durch Medienarbeit an. Sie informiert die Bevölkerung über die Gefahren der zivilen und militärischen Nutzung der Kernenergie und über die Folgen, politischen Hintergründe und gesundheitlichen Auswirkungen von Kriegen.
Die IPPNW kritisiert seit längerem das 50 Jahre alte Abkommen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesem Abkommen erhält die IAEO die Hauptverantwortung für alle atomaren Forschungsprojekte. Nach Auffassung der IPPNW behindert die IAEO die WHO an einer uneingeschränkten Berichterstattung über Gesundheitsrisiken von Strahlung. Gesundheitsfolgen von Tschernobyl, Thema zweier größerer UN-Konferenzen 1995 in Genf und 2001 in Kiew, würden nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima forderte die IPPNW erneut die Kündigung des Abkommens zwischen WHO und IAEO.[14]
Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die IPPNW gehörte 2009 zu den Gründern der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen.
IPPNW Deutschland ist Mitglied des Grüner Strom Label, der das gleichnamige Gütesiegel für Ökostrom-Angebote vergibt. Zudem gehört sie zu einer der teilnehmenden Organisationen der Free Gaza Bewegung.[15]
Clara-Immerwahr-Auszeichnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Sektion Deutschland der IPPNW stiftete 1991 die Clara-Immerwahr-Auszeichnung. Mit ihr werden Menschen gewürdigt, die sich in ihrem Beruf, an ihrem Arbeitsplatz ungeachtet persönlicher Nachteile aktiv gegen Krieg, Rüstung und gegen andere Bedrohungen für die Grundlagen menschlichen Lebens eingesetzt haben.[16] Dies Auszeichnung ist nicht zu verwechseln mit dem Clara Immerwahr Award des Exzellenzclusters UniSysCat und der Technischen Universität Berlin[17], sowie mit dem Clara-Immerwahr-Preis der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau[18], siehe Clara Immerwahr.
- Preisträger[19]
- 1991: Heinz Friedrich, Diplomingenieur (Dornier)
- 1992: Helmuth Prieß, Major, Sprecher des Arbeitskreises Darmstädter Signal
- 1994: Roland Schlosser, Polizeihauptkommissar
- 1996: Michael Bouteiller, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck
- 2001: Heinz Loquai, Brigadegeneral
- 2002: Christa Lörcher
- 2007: Osman Murat Ülke
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jewgeni Tschasow, Leonid Iljin, Angelina Guskowa: Nuklearkrieg: Medizinisch-biologische Folgen. Standpunkt der sowjetischen Mediziner. Moskau 1984.
- Denkschrift der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) Sektion Bundesrepublik Deutschland: Zur Behandlung von Schwerverletzten in Friedenszeiten – Ein Diskussionsbeitag zur sogenannten „Katastrophenmedizin“ , Mai 1985.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1985 an die „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ (englisch)
- ippnw-europe.org: Europäische Sektionen
- Deutsche Sektion
- Österreichische Sektion / OMEGA (Oesterreichische MEdizinerInnen gegen Gewalt und Atomgefahren)
- Sektion
- Bestand: ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW-Schweiz) in den Findmitteln des Schweizerischen Sozialarchivs
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ IPPNW 2018-2020 Board of Directors. In: ippnw.org. Abgerufen am 5. November 2019.
- ↑ The Nobel Peace Prize 1985 – International Physicians for the Prevention of Nuclear War – Award Ceremony Speech
- ↑ ippnw.de: Impressum, abgerufen am 8. April 2023
- ↑ ippnw.de: Persönlichkeiten der IPPNW: Horst-Eberhard Richter
- ↑ S. 76 in: Clive Rose, Campaigns Against Western Defence: NATO’s Adversaries and Critics, Springer 19. Dezember 1986, abgerufen am 21. März 2023, aus dem Englischen übersetzt für Wikipedia
- ↑ Memorandum: Soviet Manipulation of International Physicians' Group, CIA Directorate of Intelligence, Washington DC 05 February 1986, abgerufen am 21. März 2023, aus dem Englischen übersetzt für Wikipedia
- ↑ S. 458 ff in: Besier, Wolf (Herausgeber.), Pfarrer, Christen und Katholiken, Das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die Kirchen, zweite Auflage, Neukirchener Verlag 1992
- ↑ S. 4 in: Soviet Influence Activities: A Report on Active Measures and Propaganda, 1986-87, US Department of State, August 1987, abgerufen am 21. März 2023, aus dem Englischen übersetzt für Wikipedia
- ↑ S. 76 in: Clive Rose, Campaigns Against Western Defence: NATO’s Adversaries and Critics, Springer 19. Dezember 1986, aus dem Englischen übersetzt für Wikipedia
- ↑ Pete Smith: Als die IPPNW den Friedensnobelpreis erhielt; in: ÄrzteZeitung 10. Dezember 2010, abgerufen am 21. März 2023
- ↑ Dünnes Eis. In: Der Spiegel. 8. Dezember 1985, ISSN 2195-1349, abgerufen am 21. März 2023, aus dem Englischen übersetzt für Wikipedia
- ↑ Ostermärsche: Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine, ippnw.de, 4. April 2023
- ↑ Doris Schwarzmann-Schafhauser: „Medizin und Gewissen - 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozeß“ Kongreß 25.–27. 10. 1996, Nürnberg. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 17, 1998, S. 569–572.
- ↑ Eine verhängnisvolle Verbindung: Die WHO und die IAEO. In: IPPNW Deutschland. 1. Juli 2009, abgerufen am 24. März 2011.
- ↑ Bündnis-Pressemitteilung vom 9. Juni 2010. Unabhängige Untersuchung der Vorgänge auf der Mavi Marmara gefordert. 9. Juni 2010, abgerufen am 16. Juli 2010.
- ↑ https://www.lpb-bw.de/immerwahr_5_2015.html
- ↑ Clara Immerwahr Award. UniSysCat, abgerufen am 1. Juni 2024 (englisch).
- ↑ Clara Immerwahr Preis der RPTU. RPTU, abgerufen am 1. Juni 2024.
- ↑ https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/clara-immerwahr-auszeichnung-an-heinz-loquai