Michael Theunissen

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Michael Theunissen (* 11. Oktober 1932 in Berlin; † 18. April 2015 ebenda) war ein deutscher Philosoph.

Grabstätte auf dem Friedhof Zehlendorf

Theunissen studierte Philosophie und Germanistik in Bonn und Freiburg. 1955 wurde er in Freiburg bei Max Müller mit der Arbeit Der Begriff „Ernst“ bei Sören Kierkegaard promoviert, und er habilitierte sich 1964 in Berlin mit Der Andere: Studien zur Sozialontologie der Gegenwart. Er übernahm 1967 eine Philosophie-Professur an der Universität Bern in der Schweiz und wurde 1971 an die Universität Heidelberg berufen. Von 1980 an hatte er bis zu seiner Emeritierung 1998 den Lehrstuhl für Theoretische Philosophie an der Freien Universität Berlin inne. Hauptbereiche seiner Forschungen und Publikationen waren die Philosophie Hegels und Kierkegaards, die moderne Sozialphilosophie und Phänomenologie, die Philosophie der Zeit sowie der altgriechische Dichter Pindar und die archaische griechische Lyrik.[1] Im Jahr 2003 wurde er von der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern mit dem Ehrendoktorat ausgezeichnet.[2] Eine weitere Ehrendoktorwürde verlieh ihm am 13. April 2005 die Theologische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.

„Seine zahlreichen, scharfsinnigen und gelehrten Schriften zur Philosophie der Neuzeit und der Antike haben Michael Theunissen in der Fachwelt zu einem der prominentesten Philosophen der Gegenwart werden lassen“, sagte Joachim Ringleben, Systematiker an der Göttinger Theologischen Fakultät, der den Wissenschaftler zugleich als „akademischen Lehrer mit einer ungewöhnlich großen Ausstrahlung“ bezeichnete. Für die Theologie und Religionsphilosophie habe Theunissen besondere Bedeutung durch seine Arbeiten zur Ich-Du-Beziehung, zur Offenbarung, zur philosophischen Christologie, zur Verzweiflung und zum Gebet.

Seine theologische und philosophische Arbeit wurde mit zahlreichen Ehrungen und Preisen ausgezeichnet, so z. B. dem Dr.-Leopold-Lucas-Preis 2001, dem Karl-Jaspers-Preis (Heidelberg, 2004), dem Hegel-Preis (Stuttgart, 2015 posthum) und mehreren Ehrendoktorwürden. Zu seinen Schülern gehören Emil Angehrn, Karen Gloy, Günter Figal, Ulrich Pothast, Hinrich Fink-Eitel, Georg Lohmann, Christian Iber, Uwe Justus Wenzel, Brigitte Hilmer und Stascha Rohmer.

Michael Theunissen verstarb in seinem 83. Lebensjahr und erhielt seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Zehlendorf.

Werke (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Der Begriff Ernst bei Søren Kierkegaard. Freiburg i. Br. / München: Verlag Karl Alber 1958 (Symposion 1) ISBN 3-495-44030-5
  • Der Andere: Studien zur Sozialontologie der Gegenwart. Berlin: de Gruyter 1965 (2. Aufl.: ISBN 3-11-008657-3)
  • Gesellschaft und Geschichte: Zur Kritik der kritischen Theorie. Berlin: de Gruyter 1969 (2. Aufl.: ISBN 3-11-008687-5)
  • Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat. Berlin: de Gruyter 1970
  • Sein und Schein: die kritische Funktion der Hegelschen Logik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978 ISBN 3-518-07209-9
  • Selbstverwirklichung und Allgemeinheit: zur Kritik des gegenwärtigen Bewusstseins. Berlin; New York: de Gruyter 1982 ISBN 3-11-008781-2
  • Negative Theologie der Zeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 938) ISBN 3-518-28538-6
  • Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung. Frankfurt am Main: Hain 1991 (Anton Hain; Nr. 14) ISBN 3-445-06014-2
  • Der Begriff Verzweiflung: Korrekturen an Kierkegaard. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 1062) ISBN 3-518-28662-5
  • Pindar: Menschenlos und Wende der Zeit. München: Beck 2000. ISBN 3-406-46169-7 (3. Aufl. 2008)
  • Reichweite und Grenzen der Erinnerung, Tübingen: Mohr Siebeck 2001.
  • Schicksal in Antike und Moderne (Erweiterte Fassung eines Vortrags, gehalten in der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung am 17. Mai 2004). München: Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung 2004.

Bücher

  • Emil Angehrn (Hrsg.): Dialektischer Negativismus: Michael Theunissen zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 1034) ISBN 3-518-28634-X
  • Markus Hattstein (Hrsg.): Erfahrungen der Negativität: Festschrift für Michael Theunissen zum 60. Geburtstag. Hildesheim [u. a.]: Olms 1992. ISBN 3-487-09500-9
  • Emmanuel Siregar: Sittlich handeln in Beziehung: geschichtliches und personales Denken im Gespräch mit trinitarischer Ontologie. Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl.; Freiburg i. Br.; Wien: Herder 1995. (= Studien zur theologischen Ethik; 64) ISBN 3-451-23648-6
  • Susanne Scharf: Zerbrochene Zeit – gelebte Gegenwart: im Diskurs mit Michael Theunissen. Regensburg: Pustet 2005. (Ratio fidei; Bd. 27) ISBN 3-7917-1961-0

Aufsätze und Artikel

  • Zur unmittelbaren und vermittelten Gesellschaftlichkeit der Arbeit in „Sein und Schein“ in: Dieter Wolf: Der dialektische Widerspruch im Kapital. S. 436 ff. Hamburg 2002, ISBN 3-87975-889-1 (PDF-Datei; 155 kB)
  • Die Aufhebung des Idealismus in der Spätphilosophie Schellings in: Philosophisches Jahrbuch 1976, S1-39 (PDF-Datei; 1,5 MB)
  • W. Ette: Die göttliche Zeit. Rezension: M. Theunissen, Pindar. München 2000. In: Die Zeit, 20. Juli 2000.
  • T. Poiss: Rezension: M. Theunissen, Pindar. München 2000. In: FAZ, 12. Dezember 2000.
  • Hartwig Wiedebach: Vom Abschied her. Dem Philosophen Michael Theunissen zum Siebzigsten. In: SZ, 11. Oktober 2002.
  • Richard Klein: Selbstüberschreitung der Philosophie. Zum Tod Michael Theunissens, in: Musik & Ästhetik 19 (2015), H. 75, S. 51–57.
  • Tilo Wesche: Theunissen, Michael. In: Bedorf, Thomas; Gelhard, Andreas (Hrsg.): Die deutsche Philosophie im 20. Jahrhundert. Ein Autorenhandbuch. 2., überarb. und korr. Aufl. Darmstadt, 2015. S. 283–286. ISBN 978-3-534-26635-7
  1. Günter Figal: Am Anfang und am Ende steht die Dichtung. Sein Denken galt dem Leben: Zum Tod des Philosophen Michael Theunissen. In: Süddeutsche Zeitung vom 21. April 2015, S. 12.
  2. Universität Luzern: Ehrenpromotionen - Universität Luzern. Abgerufen am 13. Juli 2017.