Neoichnologie

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Die Neoichnologie (griech. néos „neu“, íchnos „Fußspur“, logos „Lehre“) ist die Lehre von den Fährten und Spuren rezenter, also heute noch lebender, Tiere. Sie steht damit der Palichnologie gegenüber, die sich mit den Lebensspuren fossiler Tiere auseinandersetzt. Neoichnologische Methoden werden sowohl für die Erforschung der Fortbewegung von Wirbellosen[1] als auch von Wirbeltieren[2][3][4][5] eingesetzt. Entsprechende Erkenntnisse haben große Bedeutung für die Palichnologie bzw. Paläobiologie, da sie dabei helfen, fossile Spuren besser interpretieren zu können (Rezentvergleich).

Methoden der Neoichnologie

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Versuchsaufbau für eine neoichnologische Studie mit lebenden Tieren

Arbeit mit lebenden Tieren

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Bei der Arbeit mit lebenden Tieren wird typischerweise eine Laufstrecke vorbereitet, welche ein Substrat zur Spurerzeugung enthält, z. B. Sand verschiedener Feuchte,[1] Ton[2][3][5] oder tonigen Schluff. Das Versuchstier wird anschließend über diese Teststrecke gelockt oder getrieben, wobei es Spuren auf dem Substrat hinterlässt. Teilweise wird das Tier während der Spurerzeugung gefilmt, um nachträglich die Auswirkungen der Laufgeschwindigkeit oder des Verhaltens des Tieres auf die entstandene Spur studieren zu können[2]. Dies ist gleichzeitig ein wichtiger Vorteil, den die Arbeit mit lebenden Tieren bietet: Richtungs- oder Geschwindigkeitswechsel, ein Ausrutschen des Tieres sowie Schreckmomente werden in den Spuren sichtbar. Nach jedem Versuchsdurchlauf kann die entstandene Spur fotografiert, abgegossen oder gezeichnet werden, bevor nach einer Glättung des Substrats die Strecke wiederverwendet werden kann. Eine Variation des Versuchsaufbaus ist jederzeit möglich, z. B. eine Änderung des Feuchtegehalts des Substrats. Alternativ zu diesem Vorgehen können auch natürliche Fährten in der Natur, ohne einen speziellen Versuchsaufbau studiert werden (z. B. in Gewässernähe). Ohne die standardisierte Umgebung im Labor gestaltet sich der Bezug von Spuren auf das Tierverhalten allerdings deutlich schwieriger.[6] Ein Beispiel für eine relativ frühe neoichnologische Studie lieferte der deutsche Geologe Ferdinand Trusheim, der zu Beginn der 1930er Jahre rezente Spuren von „Urzeitkrebsen“ der Spezies Triops cancriformis untersuchte.[7]

Arbeit mit Fußmodellen oder abgetrennten Gliedmaßen

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Als ein weiteres Methodenfeld lässt sich die Arbeit mit Fußmodellen oder separierten Gliedmaßen[8] abgrenzen, wobei das Verhalten des Tieres bei der Spurerzeugung weitestgehend ausgeblendet wird. Bei diesem Vorgehen wird der vorbereitete Fuß ebenfalls in eine Fläche mit Substrat gebracht, die eine Spurerzeugung zulässt. Anders als bei der Arbeit mit dem lebenden Tier, bietet sich nun die Möglichkeit für den Experimentator manuell das Auftreten des Fußes (Richtung, Geschwindigkeit, Tiefe) zu regulieren und die Auswirkungen auf die Spur zu studieren. Das Übereinanderlagern verschiedenfarbiger Substratschichten bietet zudem die Möglichkeit auch die Auswirkungen des Auftretens auf tieferliegende Substratschichten zu untersuchen.

  1. a b Robert B. Davis, Nicholas J. Minter, Simon J. Braddy: The neoichnology of terrestrial arthropods. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Band 255, Nr. 3–4, 13. November 2007, S. 284–307, doi:10.1016/j.palaeo.2007.07.013.
  2. a b c Stefan Curth, Martin S. Fischer, John A. Nyakatura: Ichnology of an Extant Belly-Dragging Lizard—Analogies to Early Reptile Locomotion? In: Ichnos. Band 21, Nr. 1, 2. Januar 2014, S. 32–43, doi:10.1080/10420940.2013.877006.
  3. a b Tai Kubo: Extant Lizard Tracks: Variation and Implications for Paleoichnology. In: Ichnos. Band 17, Nr. 3, 31. August 2010, S. 187–196, doi:10.1080/10420940.2010.502500.
  4. Jesper Milàn: Variations in the Morphology of Emu (dromaius Novaehollandiae) Tracks Reflecting Differences in Walking Pattern and Substrate Consistency: Ichnotaxonomic Implications. In: Palaeontology. Band 49, Nr. 2, 1. März 2006, S. 405–420, doi:10.1111/j.1475-4983.2006.00543.x.
  5. a b Kevin Padian, Paul E. Olsen: Footprints of the Komodo Monitor and the Trackways of Fossil Reptiles. In: Copeia. Band 1984, Nr. 3, August 1984, S. 662–671, doi:10.2307/1445147.
  6. Jorge F. Genise, Ricardo N. Melchor, Miguel Archangelsky, Luis O. Bala, Roberto Straneck, Silvina de Valais: Application of neoichnological studies to behavioural and taphonomic interpretation of fossil bird-like tracks from lacustrine settings: The Late Triassic–Early Jurassic? Santo Domingo Formation, Argentina. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Band 272, Nr. 3–4, 15. Februar 2009, S. 143–161, doi:10.1016/j.palaeo.2008.08.014.
  7. Ferdinand Trusheim: Aktuo-paläontologische Beobachtungen an Triops cancriformis Schaeffer (Crust. Phyll.). In: Senckenbergiana. 13, 1931, S. 234–243.
  8. J. Milàn, R. G. Bromley: True tracks, undertracks and eroded tracks, experimental work with tetrapod tracks in laboratory and field. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Band 231, Nr. 3–4, 28. Februar 2006, S. 253–264, doi:10.1016/j.palaeo.2004.12.022.