Otto Prokop

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Otto Prokop (1991)

Otto Gerhard Prokop (* 29. September 1921 in St. Pölten; † 20. Januar 2009 in Ottendorf) war ein österreichisch-deutscher Gerichtsmediziner und forensischer Serologe, der einen wichtigen und international beachteten Einfluss auf die forensische Medizin und die Forschungspolitik in der DDR hatte.

Nach seiner Matura am Staatsgymnasium von Salzburg nahm Prokop, Sohn eines Arztes, 1940 in Wien das Medizinstudium auf, musste es aber nach zwei Semestern wegen Einberufung zur deutschen Wehrmacht unterbrechen. Nach seiner Entlassung aus US-amerikanischer Gefangenschaft blieb Prokop in Deutschland, setzte sein Studium Ende 1945 in Bonn fort und schloss es 1948 mit dem Staatsexamen und der Promotionsarbeit Über Mord mit Tierhaaren ab. Im Jahr 1953 habilitierte er sich mit der Schrift Experimentelle Untersuchungen über die Sensibilisierung gegen Blutgruppenantigene. Danach war er weiter in Bonn tätig und hielt als Privatdozent im Rahmen der Gerichtlichen Medizin unter anderem Vorlesungen über Die Blutgruppen des Menschen und Naturwissenschaft und Okkultismus.

Ende 1956 folgte Prokop einem Ruf an die Humboldt-Universität in Ost-Berlin, um im Februar 1957 die Leitung des Instituts für Gerichtliche Medizin zu übernehmen. Die Stelle war seit dem Weggang von Victor Müller-Heß an die Freie Universität Berlin im Jahr 1949 unbesetzt. Prokop behielt die österreichische zusätzlich zur DDR-Staatsbürgerschaft, was ihm das Reisen ermöglichte.[1]

Daneben nahm Prokop zeitweise die Aufgaben als Kommissarischer Direktor der Institute für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universitäten Leipzig und Halle (Saale) wahr. Weiterhin war er Direktor des Instituts für Blutspende- und Transfusionswesen in Berlin-Lichtenberg. Zu seinen umfangreichen Lehraufgaben gehörten unter anderem Vorlesungen für Studenten der Medizin, Zahnmedizin, Kriminalistik und Rechtswissenschaft, ferner die Ausbildung von Laborärzten, Chemikern sowie medizinischem, medizinisch-technischem und klinisch-chemischem Personal mit Schwerpunkt toxikologische Analyse und weiter die Ausbildung von Pathologie-Facharztkandidaten. Während der Zeit seines Wirkens hat Prokop in beiden deutschen Staaten maßgeblichen Einfluss auf den systematischen Ausbau der Gerichtlichen Medizin ausgeübt und eine eigene wissenschaftliche Schule aufgebaut. Auch auf den Gebieten der Blutgruppen- und Serumgruppenkunde, der Genetik und der Krebsforschung wirkte er erfolgreich. Unter seiner Leitung habilitierten sich etwa 25 Ärzte. Prokops Nachfolger wurde im September 1987, als er in Rente ging,[1] sein langjähriger Schüler Gunther Geserick (* 1938). Im Ruhestand schrieb Prokop weiter an Büchern und Vorträgen, blieb international gefragt.[1]

Urnen-Grab von Otto Prokop in Berlin

Am 20. Januar 2009 starb Otto Prokop im Alter von 87 Jahren. Seine Urnen-Grabstätte befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.

Der Senat nahm Prokops Grab im Jahr 2018 in die Ehrengräber der Stadt Berlin auf.

Otto Prokop war mit Wilhelmine Prokop verheiratet, die seine Bücher übersetzte. Der Ehe entstammten eine Tochter (* 1955) und ein Sohn (* 1961).[1] Prokops Brüder waren der 2016 verstorbene Sportmediziner Ludwig Prokop, Heinz Prokop und der Handballtrainer Gunnar Prokop.

Durch sein Wirken als Wissenschaftler, Hochschullehrer und Leiter des Ostberliner Institutes führte Prokop die deutsche Gerichtsmedizin zu nationaler und internationaler Anerkennung. Ein besonders bedeutsames Beispiel von Prokops Wirken war der Nachweis eines Fehlurteils des Landgerichts Offenburg, das den Fleischer Hans Hetzel im Jahr 1953 wegen Mordes zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt hatte. Nachdem sich der Verurteilte und sein Verteidiger an den Zürcher Wissenschaftler Max Frei-Sulzer und an Otto Prokop gewandt hatten, konnte dieser – im Gegensatz zu dem vorher bestellten Gutachter Albert Ponsold, der sich lediglich auf Laienfotos gestützt hatte – durch exakte eigene Untersuchungen im Jahr 1969 ein Tötungsverbrechen ausschließen und damit die Unschuld Hetzels nachweisen. Dieser wurde daraufhin im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen, was große öffentliche Aufmerksamkeit erregte und Prokops Ansehen steigerte.[2]

Sein wissenschaftliches Gesamtwerk umfasst etwa 600 Originalarbeiten und fast 500 größere Vorträge; diese lassen sich folgenden drei Schwerpunktthemen zuordnen:

In letzterem Punkt führte Prokop in seinen Arbeiten und Vorträgen einen Kampf gegen Okkultismus und paramedizinische Praktiken. Er wirkte dabei als Torwächter, der unter anderem ein Überschwappen des Interesses für Parapsychologie in der Sowjetunion auf die DDR verhinderte. Als ausgesprochener Skeptiker wandte er sich ebenso wie gegen die Parapsychologie auch gegen Praktiken wie das Rutengehen, Okkultismus und para- oder alternativmedizinische Heilverfahren.[3][4]

Auf den Gebieten der forensischen Serologie, Genetik und Spurenkunde hat Prokop als Initiator und Förderer experimenteller Arbeiten grundlegende Erkenntnisse über die postmortale Entstehung von Blausäure, zum Coup-Contre-coup-Mechanismus (vereinfacht: Hirnverletzung bei Schädelhirntrauma durch Stoßwellen), zur Todeszeitschätzung, zum Tod im Wasser, zur supravitalen Reaktion, zur Beschaffenheit von Schusswunden und zu der Stoffgruppe der Protectine geliefert.

Prokops Institut war u. a. verantwortlich für die Obduktionen der in der DDR angefallenen Todesopfer an der Berliner Mauer und der Toten aus den Berliner Gefängnissen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und des Innenministeriums. Daher unterhielt Prokop als Institutsleiter offizielle und enge Arbeitskontakte zum MfS. In dieser Zusammenarbeit trug er durch sein „schuldhaftes Schweigen“[5] dazu bei, dass es in der DDR gelang, gegenüber der Öffentlichkeit und den Angehörigen der Opfer Todesumstände zu vertuschen oder die Todesursachen zu verfälschen. Durch Staatssicherheitsminister Erich Mielke erhielt Prokop 1975 für sein „kameradschaftliches“ und „vorbildliches“ Zusammenwirken den Kampforden „Für Verdienste um Volk und Vaterland“ in Gold.[6]

Er führte etwa 45.000 Sektionen durch.[2][7]

Mitgliedschaften und Auszeichnungen

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Prokop war Vorsitzender der Facharzt-Prüfungskommission und gehörte dem Rat für Medizinische Wissenschaft beim Minister für Gesundheitswesen der DDR an. 1967 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft der Gerichtlichen Medizin der DDR und war auch ihr Vorsitzender. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift für Rechtsmedizin, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Ehrendoktor und Ehrenprofessor der Universität Leipzig, Universität der Wissenschaften Szeged und der Teikyo University Tokyo sowie Ehrenmitglied oder korrespondierendes Mitglied in 20 in- und ausländischen Fachgesellschaften. Prokop bewahrte sich immer seine persönliche Unabhängigkeit, gab weltanschaulichen Zwängen nicht nach und war nie Mitglied einer politischen Partei.

1981 erhielt er den Nationalpreis der DDR I. Klasse für Wissenschaft und Technik, 2002 den Konrad-Händel-Preis der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Die genannte Gesellschaft verweigerte Prokop allerdings in einem ersten Antrag die Ehrenmitgliedschaft, was in der Folge dann beschlossen wurde.[2]

Seit 1981 war er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie.[8]

In der 2021 im Ersten ausgestrahlten dritten Staffel der TV-Serie Charité wird Otto Prokop von Philipp Hochmair dargestellt. Der MDR widmete Prokop eine Biografie.[1]

Publikationen (Auswahl)

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  • 1960: Lehrbuch der gerichtlichen Medizin (bzw. Forensische Medizin)
  • 1963: Waldemar Weimann und Otto Prokop: Bildatlas der gerichtlichen Medizin (Atlas der gerichtlichen Medizin), Verl. Volk u. Gesundheit, Berlin.
  • 1963/1969: Otto Prokop und Gerhard Uhlenbruck: Lehrbuch der menschlichen Blut- und Serumgruppen. VEB Georg Thieme, Leipzig 1963, 636 Seiten (2. verb. u. erw. Aufl.: Thieme VEB; verb. u. erw. Aufl., engl.: Human Blood and Serum Groups, translated J L Raven. London: Maclaren & Co 1969)
  • 1964: als Hrsg. und mit Beiträgen in: Medizinischer Okkultismus. Paramedizin. 2. Aufl. Stuttgart.
  • 1973/1990: Wolfgang Reimann und Otto Prokop Vademecum Gerichtsmedizin (1973, 5. Auflage 1990 mit Gunther Geserick)
  • 1974: Genetik erblicher Syndrome und Mißbildungen (bzw. Wörterbuch für die genetische Familienberatung)
  • 1985: Otto Prokop, Wolf Wimmer: Wünschelrute, Erdstrahlen, Radiästhesie, 3. Auflage, Enke, Stuttgart, ISBN 3-432-84473-5.
  • 1987: Oepen, Irmgard & Prokop, Otto (Hrsg.): Außenseitermethoden in der Medizin, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, ISBN 3-534-01736-6
  • 1990: Ludwig Prokop, Otto Prokop, Heinz Prokop: Grenzen der Toleranz in der Medizin. Verlag Gesundheit, Berlin, ISBN 3-333-00487-9.
  • 1995: Homöopathie: was leistet sie wirklich? Ullstein, Frankfurt/M.; Berlin, ISBN 3-548-35521-8.
  • 1996: Thomas Grimm (Hrsg.): Mozarts Tod und die großen Schwindel. Medizin und Mord. Erlebnisse eines Gerichtsmediziners. Frankfurter Oder-Edition, Frankfurt (Oder), ISBN 3-930842-21-1.
  • 2006: Wolf Wimmer, Otto Prokop: Der moderne Okkultismus: Parapsychologie und Paramedizin; Magie und Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Elsevier, München, ISBN 3-938478-97-7.
Commons: Otto Prokop – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Der Tod war sein Leben: DDR-Gerichtsmediziner Otto Prokop. Video, abrufbar bis 9. November 2023, bei 33:19 min: zwei Staatsangehörigkeiten, bei 36:24 min: Sohn, bei 37:39 min: Tochter, bei 37:44 und 42:55 min: Wilhelmine Prokop, bei 41:15 Min: Rente, bei 41:53 min: Aktivitäten in Rente. In: MDR. 9. November 2022, abgerufen am 15. November 2022.
  2. a b c Frank-Rainer Schurich: Der „Kälberstrick-Fall“. In: Das Grundstück (VDGN-Journal, in Fortsetzungen, Nr. 9-2021, S. 28–30).
  3. Otto Prokop: Wünschelrute, Erdstrahlen und Wissenschaft, Urania Verlag Leipzig Jena DDR, 1955.
  4. Martin Schneider, Andreas Anton: Politische Ideologie vs. parapsychologische Forschung. Zum Spannungsverhältnis von Marxismus-Leninismus und Parapsychologie am Beispiel von DDR und UdSSR. (1994) In: Zeitschrift für Anomalistik (14), S. 159–188.
  5. Peter Erler: Tod im Gewahrsam der Staatssicherheit. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, 38/2015, S. 65–87, hier S. 86.
  6. Mark Benecke: Seziert. Das Leben von Otto Prokop. Das Neue Berlin, Berlin 2013, ISBN 978-3-360-02166-3, S. 130 ff., 208 f.
  7. Geserick, Gunther: Porträt (Memento vom 11. April 2010 im Internet Archive), MDR, 11. Mai 2004.
  8. Übersicht der DGHO-Ehrenmitglieder. In: DGHO. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V., abgerufen am 6. Oktober 2023.